Artikel

Wie eine Krone auf der Stadt
Wie eine Krone auf der Stadt, Foto: Wolfram Pardatscher
Spectrum

Ein Areal von zwölf Hektar, das von einem sechs Kilometer langen Pfad erschlossen wird, den elf sogenannte „Plattformen“ säumen: die „Gärten von Schloß Trauttmansdorf“ in Meran. Mit Ihrer Inszenierung von Aus- und Durchblicken architektonisch, künstlerisch und botanisch ein ungemein sinnliches Erlebnis.

25. August 2001 - Liesbeth Waechter-Böhm
Kaiserin Sisi hat natürlich genau gewußt, wo es schön ist. Daher hat sie sich als Winterquartier Schloß Trauttmansdorff in Meran ausgesucht. Wobei das Schloß selbst architektonisch keineswegs besonders bemerkenswert ist - es wird gerade renoviert -, aber die Umgebung! Meran liegt in einem wundervollen Tal, eingeschnitten in eine „heroische“ Berglandschaft, in der sich gewissermaßen die Ausläufer des mediterranen Klimas mit dem vermischen, was die Landschaft nördlich der Alpen charakterisiert.

Also: der ideale Ort für einen Garten. Und genau das haben auch die Italiener erkannt. Sie haben - und das ist in der heutigen Zeit, jenseits von Gartenausstellungen, ausgesprochen selten - die „Gärten von Schloß Trauttmansdorff“ in neuer Form wiedererstehen lassen. Daran arbeiten sie an sich schon seit 1994, aber erst jetzt ist es so weit, daß dieser neue Garten auch für das Publikum geöffnet ist. Das ist ja das ausgesprochen Spezielle an Gärten: Man kann sie nicht von der Stange kaufen, sie widersetzen sich hartnäckig unserem heutigen Alltagstempo.

Der Garten ist zwölf Hektar groß und erstreckt sich vom Tal bis auf einen Berghang hinauf. An der höchsten Stelle: eine riesige, runde Voliere - für Papageien und anderes Gefieder, das in Südtirol nicht eben heimisch ist. Die Voliere - ein Entwurf von Margit Klammer, der vom Architekten Wolfram Pardatscher umgesetzt wurde - leistet dabei mehreres: Sie sitzt wie eine Stadtkrone über dem Areal; und sie ist gleichzeitig Aufenthaltsort, Durchgang und Umkehrpunkt. Denn durch die Voliere durch führt ein Steg, weit vorkragend, von dem man sozusagen einen letzten, wundervollen Ausblick auf das ganze Tal hat, dann dreht man um und geht wieder hinunter. In der Voliere selbst lädt eine Doppelschaukel sinnigerweise das Publikum, nicht die Papageien zum spielerischen Aufenthalt ein. Letztere haben ihre eigenen Möglichkeiten: in Baumform, aber auch als charmant inszeniertes Löchermuster in der Rückwand, hinter der sich der „Intimbereich“ der Vögel befindet. Man will ja nicht immer ausgestellt sein. Treffender Titel der Arbeit von Margit Klammer: „Nur die Gedanken sind frei“.

Es ist ein wundervoller Garten. Wirklich viel besser als alles, was Gartenschauen zu bieten haben. Dabei äußerst informativ - hier erfährt man tatsächlich etwas über die Pflanzenwelt und natürlich auch ihre Kultivierung -, gleichzeitig aber immer sinnlich. Dieser Garten ist ein sinnliches Erlebnis. Wer hier einen Tag verbringt, der kann einen glücklichen Tag verbuchen.

Man kann zwar über die Plazierung und architektonische Ausformung der Eingangssituation streiten, auch darüber, wie etwa das Restaurant beziehungsweise die Café-Terrasse an das Schloß „drangepappt“ sind. Das alles ist aber nicht ohne architektonische Ambition ausgeführt, nur eben trotzdem nicht glücklich. Es fällt dennoch nicht wirklich ins Gewicht.

Die Gesamtanlage ist bestechend. Mir geht es dabei nicht speziell um die botanischen Aspekte der Gartenplanung. Mir geht es um die architektonischen, künstlerischen Statements in Form von Pavillons, die den sechs Kilometer langen Pfad durch das Areal säumen. Insgesamt gibt es elf sogenannte „Plattformen“, auf denen sich solche baulichen Maßnahmen ereignen. Eine habe ich nicht gesehen - es ist die „Grotte“, in der eine vor allem für Kinder interessante Multimedia-Show geboten wird -, sie war außer Betrieb. Viele der anderen - siehe die Voliere, die nicht nur als künstlerisches Konzept, sondern auch architektonisch wunderbar gelöst ist - haben es hingegen in sich.

Das nicht so Gute zuerst: Der japanische Teepavillon - natürlich in einem absolut sehenswerten gärtnerischen Umfeld - ist eine Enttäuschung. Er wirkt eher wie eine absonderliche Bushaltestelle; mag sein, man muß gewisse europäische Klischees weglassen, trotzdem ist er nicht geglückt. Und dann gibt es noch ein paar didaktische Einbauten, die eher banal erscheinen: ein geologisches Mosaik zum Beispiel, das mit den üblichen Mitteln - Fliesen - die Landschaft Tirols, Südtirols und des Trentino samt Berggipfeln und Flußläufen sichtbar macht und darin die gebirgsbildenden Gesteinsarten (die allerdings massiv, als Blöcke). Keine Ahnung, wie man so etwas besser löst, aber es muß möglich sein.

Aber es gibt auch wirklich gelungene Pavillonarchitekturen: einen Frühlings- pavillon zum Beispiel, der im Halbrund angeordnete, wie vergitterte Zugsabteile ausgebildete Sitzmöglichkeiten umfaßt und den Ausblick auf einen Wald aus bunten Fiberglasstäben, die aus bronzenen Blumenzwiebeln wachsen und oben ein Glockenspiel haben, das der Wind zum Klingen bringt. Oder den Herbstpavillon: eine rostige Eisenkonstruktion auf einem Natursteinsockel, dessen Formgebung einen herbstlichen Laubhaufen evoziert. Im Inneren: Aberhunderte farbige Kunststoffblättchen, die für eine ganz besondere Stimmung sorgen.

Es gibt ganz einfache „Bauten“. Im Flaumeichenwald etwa lädt eine an den zwei Längsseiten offene Konstruktion zum Verweilen (auf einer sehr edlen weißen Marmorbank) ein, die aus zwei Lagen Baustahlgitter besteht, in die Flaumeichenstämme eingefüllt sind. Das ist ein minimalistisches Kunstwerk. Aber nicht fad, es ist spannend.
Oder bei den Sukkulenten: Da gibt es einen Pavillon, ganz aus Stahl, der die Form eines Schwiegermuttersessels hat. Winzige Löchlein in der Haut - wo beim Kaktus die Stacheln sitzen - lassen das Licht eindringen, außerdem tröpfelt es innen. Der Gedanke war: Solche Kakteen sind Wasserspeicher. Obendrein heizt sich die Stahlhülle im Sommer unheimlich auf und bringt daher das tröpfelnde Wasser zum Verdampfen. Dadurch wiederum brechen sich die Lichtstrahlen im Wasserdampf. Das ist atmosphärisch ausgesprochen intensiv, naturgemäß auch klimatisch, und es beschert obendrein, wenn man genau im Zentrum steht, ein akustisches Erlebnis.

Auch im mediterranen Bereich setzt ein entsprechendes architektonisches Statement einen Akzent. Es hat eine Aussichtsterrasse im Oberstock, weiß getünchte Wände und ist so komplex verschachtelt, daß seine räumliche Konfiguration mediterrane Architektur auf den Punkt bringt.

Schön auch die Plattform am Wasser, mit einem Segel überspannt, wo riesige Gesteinsblöcke gestapelt sind, die die Namen der fünf Kontinente tragen. Sie dienen natürlich als Klettermöglichkeit für die Kinder. Inhaltlich ist das Ganze in der Detailformulierung daran festgemacht, daß es ab dem 17., speziell im 18. Jahrhundert einen richtigen Boom im Samen- und Pflanzenhandel gab, der aber erst mit der Entwicklung der „Wardschen Kiste“ wirklich erfolgreich war.
Oder der Pavillon im Bereich der Wasserpflanzen: Da sind es abstrahierte Bootsrümpfe - mit hölzerner Untersicht und verbleitem Schiffsbauch nach oben -, die übereinandergeschachtelt dem Eis-Esser Schatten spenden.
Schließlich der halbrunde Pergola-Pavillon am Schnittpunkt von der Naturlandschaft zur Kulturlandschaft: eine transparente Angelegenheit, die unübertrefflich einfach verdeutlicht, was es bedeutet, Pflanzen, Gewächse zu kultivieren.

Die neuen Gärten von Schloß Trauttmansdorff in Meran sind ohne Zweifel etwas Besonderes. Sie besetzen gewissermaßen eine Position, die singulär ist. Dieser Garten wurde natürlich nicht nach herrschaftlichen Prinzipien angelegt, wie das die großen historischen Gärten waren. Aber es bringt die Gesamtanlage trotzdem nicht um ihre Wirkung, daß ihr didaktische - und demokratische - Prinzipien zugrunde liegen. Es ist ein heutiger Garten, und das ist auch in Ordnung. Und es ist ein Garten, der nicht nur für Spezialisten lesbar ist. Trotzdem ist allein schon in die Anlage der Wege, auch in die Inszenierung von Blickrichtungen, von Aus- und Durchblicken, das ganze historische Wissen eingeflossen. Das gibt es hier alles auch, anders halt, ganz anders, aber es ist da.

Bleibt etwas anzumerken: Was die architektonische Seite betrifft, war das Gesamtunternehmen vielleicht nicht ganz glücklich. Anders gesagt: Es gab das für Großprojekte übliche Hin und Her. Als Wolfram Pardatscher - übrigens ein Holzbauer-Schüler - zugezogen wurde, da war viel schon festgeschrieben. Die verschiedenen Plattformen zum Beispiel, auch ihre Materialisierung, das war nicht mehr reversibel. Er mußte mit dem auskommen, was er vorfand. Und er mußte mehrfach auch dafür sorgen, daß etwas, das jemand ganz anderer - etwa das Schweizer Büro Steiner Sarnen - strichliert hat, dann irgendwie auch auf eine konstruktive Basis gestellt wird. Das dürfte, mit Ausnahme der fünf Pavillons, die seine Frau, die Künstlerin Margit Klammer, entworfen hat, ziemlich mühsam gewesen sein.

Das ist aber nichts Neues. Heute gehört das dazu. Großprojekte solchen Zuschnitts sind immer auch das Ergebnis eines komplizierten Gruppenprozesses: Weder gibt es in einem derartigen Verfahren den Auftraggeber als Einzelperson, noch gibt es den einzelnen Auftragnehmer, der alles unter Kontrolle hat. Da macht der eine die Gartenmöblierung und der andere das graphische Leitsystem; zwischendurch wird ein Gewächshaus „gebastelt“, das hätte sicher spektakulärer sein können; und eine Insel im Teich, gedacht für Veranstaltungen, ist akustisch so nicht in den Griff zu bekommen, nicht zuletzt weil sie von den Sitzstufen am Ufer viel zu weit weg ist. Außerdem wurde der künstlichen Beleuchtung des Gartens - unverzichtbar bei nächtlichen Events - viel zuwenig Aufmerksamkeit geschenkt.

Wie gesagt: All das ist nichts Neues. Vieles ist nachrüstbar, anderes zu verschmerzen. Wichtig ist, daß der Garten prächtig gedeiht. Die zwölf Hektar werden übrigens von - nur - 26 Gärtnern betreut.

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: Spectrum

Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroomoffice[at]nextroom.at

Tools: