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Die Direktheit der Einschicht
Die Direktheit der Einschicht, Schaubild: Friedrich Kurrent
Spectrum

Es müssen nicht unbedingt Bauwerke sein, mit denen sich ein Architekt in die Geschichte einschreibt. Friedrich Kurrent hat auch als engagierter Universitätslehrer und als unermüdlicher Kämpfer für die Sache der Architektur ausgiebig gewirkt. Eine Würdigung zum 70. Geburtstag.

1. September 2001 - Walter Zschokke
Das regionale und internationale Architekturgeschehen kennt Vielbauer und Wenigbauer, Schweiger und Rhetoriker - auch Schwätzer, Clowns, Schwindler und Narren. Aber es gibt auch Forschende, Kämpfer und Lehrende. Einer, den vor allem Eigenschaften dieser letzten drei Charakterisierungen auszeichnen, ist Friedrich Kurrent, der kommenden 10. September seinen siebzigsten Geburtstag feiern darf.

Er wirkte über drei Jahrzehnte als Lehrer, erst als Assistent bei Ernst A. Plischke in Wien, dann als Professor für Entwerfen und Raumgestaltung sowie Sakralbau an der TU München. Er war seit den fünfziger Jahren - und ist es noch heute - ein energischer und kompromißloser Kämpfer für die Sache der Architektur. Und er ist ein Forscher, der Wissen und Erkenntnis auf unzähligen Architekturreisen mehrte, zeichnend, analysierend und an Ort und Stelle an seine Studenten weitergebend.

Zum Bauen kam er eher weniger, vielleicht weil seine Entwürfe eher sperrig und komplex waren und sind, sich dem leichtgängigen Konsum verweigern, schon gar nicht modisch sind, sondern einerseits Kontakt zur Geschichte, zum Ort suchen, aber zugleich neuartige räumliche Konzepte umsetzen.

Kurrent, der viel erlebt, viel erfahren und viel gestritten hat, gehörte 1965 zu den Gründungsmitgliedern der Österreichischen Gesellschaft für Architektur. Mittlerweile ist die Saat vielfach aufgegangen, und er kann zurückblicken. Er hat dies vor einigen Jahren für die „Gesellschaft“ getan, indem er ihre ersten Jahre nachzeichnete und an einem spannenden und auch amüsanten Abend im Wittgensteinhaus vortrug, denn Kurrent ist ein ausgezeichneter Erzähler, dem man gern zuhört.

Sein eigenes Werk war bisher nicht in Buchform zusammengefaßt worden, weshalb die vom Pustet Verlag angestrebte, von der Österreichischen Gesellschaft für Architektur herausgegebene Publikation „Einige Häuser, Kirchen und dergleichen“ zur Erhellung der jüngsten Architekturgeschichte beiträgt.

Zu danken ist aber vor allem, daß Kurrent spontan entschied, das Buch selber zu schreiben. So konnte ein zutiefst persönlicher Bericht über 50 Jahre Einsatz für die Sache der Architektur entstehen, was eben etwas ganz anderes ist, als wenn gute Freunde oder Schüler, selbst engagierte Architekturgeschichtler, über einen verdienten Architekten ein Buch verfassen, dem selten die Kraft einer persönlichen Stellungnahme eignet.

In einer Chronologie, durchsetzt mit Bauten und Projekten, die er zuerst gemeinsam mit Johannes Spalt und Wilhelm Holzbauer, später allein entwarf, bietet Friedrich Kurrent einen Überblick über sein vielfältiges Schaffen. Dabei hält er nicht zurück mit subjektiven Urteilen, bleibt aber gerade dadurch griffig und unterhaltsam, wo andere sich in Andeutungen verlieren oder sich um klare Aussagen herumdrücken.

Vielleicht ist es seine Herkunft aus der Einschicht im salzburgischen Hintersee, wo sein Vater als Seilbahn- und Maschinenschlosser die Transportmittel für den Holzeinschlag errichtete und betreute, die ihn eine offene und direkte Art bewahren ließ. Jedenfalls ist es nicht selbstverständlich, daß der viel und gern zeichnende Bub zuerst nach Salzburg an die Gewerbeschule - heute HTL - und danach nach Wien zum Architekturstudium an die Akademie in die Meisterschule von Clemens Holzmeister kam.

Kurrent berichtet lebendig von dieser ersten Zeit nach dem Krieg, er erinnert sich an die wenigen modernen Bauwerke, die ihm vor Augen kommen und ihn tief beeindrucken, etwa an den Florentiner Bahnhof von Giovanni Michelucci (1936). Heute, da die Informationen über neuartige Bauwerke verbreitet werden, noch bevor sie fertiggestellt sind, fragt man sich, ob überhaupt noch derartige Schlüsselerlebnisse einer erstmaligen Begegnung mit einem zuvor unbekannten Bauwerk möglich sind.

Das engagierte Studium in der Gruppe um Johannes Spalt und alsbald die Zusammenarbeit mit Spalt, Wilhelm Holzbauer und Otto Leitner in der „Arbeitsgruppe 4“ an ersten Wettbewerben bietet den jungen Architekten die Möglichkeit zu internationalen Kontakten. Das Europa der Architektur ist damals noch übersichtlich, die berühmten Meister sind zu Vorträgen greifbar, und eine Reise ins Nachbarland hat einen Wert, der heute nur mit interkontinentalen Flügen aufzuwiegen ist.

Aber Kurrent ist nicht bloß auf das internationale Geschehen ausgerichtet, denn immer wieder lenkt er seine genau beobachtenden Augen auf einfache Bauten, auf das Bauen mit Holz, das ihm aus der Umgebung seiner Kindheit vertraut ist. Sein breites Wissen macht ihn zu einem ausgezeichneten, kritikfähigen Partner beim Entwurf, und mit dem Seelsorgezentrum in Steyr-Ennsleiten gelingt ihm zusammen mit Holzbauer und Spalt eines der wichtigsten Bauwerke der neu erstandenen österreichischen Moderne nach Nazizeit, Krieg und Wiederaufbau. Nicht wenige interessante Konzepte bleiben auf dem Papier oder werden im spezifischen Wiener Klima jahrelang zerredet und vom Auftraggeber nicht mehr weiterverfolgt. Seine jüngste Arbeit zeigt das Projekt für eine Synagoge der jüdischen Gemeinde München.

Immer wieder macht Friedrich Kurrent - gemeinsam mit anderen - mit Ausstellungen auf wichtige Persönlichkeiten des österreichischen Architekturschaffens im 20. Jahrhundert aufmerksam, um der modernen Architektur mehr Akzeptanz zu verschaffen. Er gehört zu den ersten, welche die Arbeiten von Josef Frank würdigen, die das Werk von Joseph Plecnik studieren und in der Folge das Bauen im Kontext propagieren, womit er die problematische Ort- und Geschichtslosigkeit gewisser modernistischer Strömungen überwinden will.

Obwohl außerordentlich streitbar, betätigt sich Kurrent immer wieder als Vermittler in vielerlei Hinsicht, ist aber als steter Mahner oft nicht gern gelitten. Politiker sind in dieser Hinsicht empfindlich. Aber mit seiner verbindlichen Hartnäckigkeit hat er einiges erreicht. Sein Grundsatz, daß historische Bauten so gegenwärtig sind wie neu errichtete, bietet einen klärenden Zugang zum Wesen der Stadt und den Phänomenen des Urbanismus.

Auch wenn dies hierzulande vielleicht weniger wahrgenommen wird, fünf Studentengenerationen der TU München werden seine Lehre in die Praxis tragen.


Am 10. September lädt die Österreichische Gesellschaft für Architektur um 19 Uhr zur Präsentation des Buchs „Einige Häuser und dergleichen“ und zu einem „Fest zum 70. Geburtstag“ Friedrich Kurrents ins Haus Wittgenstein (Wien III, Parkgasse 18).

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