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Rationalistische Baukunst
Neue Zürcher Zeitung

Ausstellung Adalberto Libera in Paris

10. September 2001 - Marc Zitzmann
Kunst und Moral, der Befund ist nicht neu, sind grundverschiedene Dinge. Der 1903 in Villa Lagarina (Trentino) geborene italienische Architekt Adalberto Libera hat über Jahre hinweg für Mussolinis Regime gearbeitet. Und entstanden sind zum Teil faszinierende Bauten. Das zeigt derzeit eine kleine Ausstellung in der Galerie des Musée national d'art moderne im Pariser Centre Pompidou, welche aus Liberas 1996 dem Museum geschenktem Privatarchiv schöpft.

Nach seiner Ausbildung in Parma und Rom zählt Libera um 1930 als Mitglied des Gruppo 7 und des Movimento italiano per l'architettura razionale (MIAR) zu den Hauptexponenten der Rationalisten, welche gegen die «kulturalistische, monumentalistische und dekorative» Architektur ihrer Zeit kämpfen. Vom Regime gefördert, ist er 1932 mit der 10-Jahres-Ausstellung der faschistischen Revolution betraut; es folgen die italienischen Pavillons auf den internationalen Ausstellungen in Chicago (1933) und Brüssel (1935). Gleichzeitig entstehen Gebäudekomplexe wie die mit subtilen Lichteffekten arbeitende Schule in Porto Civitanova, der symmetrisch-geometrische Palazzo delle poste in Rom und der daselbst erst 1954 vollendete Palazzo dei congressi.

Dass Liberas bekanntestes Werk ausgerechnet die 1938 auf Capri in Angriff genommene Villa Malaparte ist, ein - im Übrigen grossartiger - Bau, den er nur im Anfangsstadium mitgestaltet und nicht als seine eigene Schöpfung anerkannt hat, zählt zu den ungerechten Ironien des Schicksals. Ungerecht auch deswegen, weil die nach dem Krieg bis zu Liberas Tod 1963 entstandenen Wohnbauten zum Teil mit einer originellen Balance zwischen Funktionalität und Ästhetik aufwarten. Dies und vieles mehr zeigt die Schau anhand von Skizzen, Fotos und Filmprojektionen; was fehlt, sind Modelle und ein Katalog. Zumindest Letzterer soll noch vor Ende der Ausstellung nachgereicht werden.


[Bis 24. September. Ein Katalog ist in Vorbereitung.]

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