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Raus aus der Lederhose!
Raus aus der Lederhose!, Foto: Ignacio Martinez
Raus aus der Lederhose!, Foto: Ignacio Martinez
Spectrum

Verkleidung, Fassadenverzierung, Meterware für Balkongeländer: Holz im Dienste der Alpinfolklore.

12. Januar 2002 - Karin Tschavgova
Dabei ist Holz ein leistungsstarker Werkstoff, der kostengünstiges und rasches Bauen ermöglicht. Beispiel: das Hotel Post von Johannes und Oskar Leo Kaufmann in Bezau, Vorarlberg. Das sich rasant wandelnde Image des alpinen Wintertourismus hat dazu geführt, daß folkloristische Darbietungen sogar bei den Tourismusbetreibern zunehmend unerwünscht sind. Einblick in die bäuerliche Lebenswelt gewährt das Bauernmuseum. Es ist eine retrospektive Sicht, denn der tiefgreifende Strukturwandel der Landwirtschaft hat im letzten Jahrzehnt zu einem Rückgang der in der Landwirtschaft Tätigen auf unter fünf Prozent geführt.

Nicht zuletzt mit dem Bauernsterben gingen und gehen regionale Identitäten verloren, und so klingt es nur folgerichtig - wenn auch zynisch -, daß heute mit „Erlebniswelten“, „Funsportcity“ und Open-air-Konzerten geworben wird. Man will „im Trend liegen“, und der Trend gibt - naturgemäß? - eine Urbanisierung touristischer Begehrlichkeiten vor.

Diese beschränkt sich allerdings auf „coole Events“, am Lederhosenimage des alpinen Baustils kratzt sie kaum. Dabei ist Erneuerung dort, wo Authentizität längst nicht mehr gegeben ist, höchst an der Zeit.

Holz, im Alpintourismus bedeutungsgleich mit Heimeligkeit, tritt vorwiegend als Applikation auf. Als Verkleidung von Betonsäulen und Fertigdecken, als sinnentleerte Fassaden-verzierung oder als formal überbordende Meterware für Balkongeländer. Handwerkliche Qualitäten wie das Wissen um Maßstäblichkeit und um materialgerechte Verarbeitung sind in einer so schablonenhaften, rein dekorativen Anwendung von Holz kaum mehr zu finden.

Und doch ist Holz in seiner viel-gesichtigen Materialität in der Lage, Wirkung zu erzeugen mit Schlichtheit; die Wärme, die es a priori in sich trägt, gibt genug her. Noch mehr: In Kombination mit harten Materialien wie Sichtbeton oder Stein kann es aus dem Kontrast heraus seine sinnlichen Qualitäten ganz vorzüglich ausspielen. Jene Beispiele alpinen Bauens, die im Ringen um Erneuerung in den letzten Jahren entstanden sind, geben ein selbst-redendes Bild davon. Man findet sie vermehrt von Tirol bis in den Bregenzerwald, ihre Architekten wenden Holz und Holzwerkstoffe in zeitgemäßer Form an, die dem Material eine neue Anmutung gibt und es weit über plakative Gemütlichkeit hinaushebt.

Jenseits atmosphärischer Gründe gibt es handfeste Motive für die Verwendung von Holz im alpinen Tourismus. Leistungsstarke Holzwerkstoffe wie Mehrschichtplatten, neue Technologien und Herstellungsarten ermöglichen einen hohen Grad an Vorfertigung. Die Vorteile der Fabrikation ganzer Wandelemente und Raumzellen in der Werkstatt liegen auf der Hand:

In der witterungsunabhängigen Halle kann unter optimalen Bedingungen mit Unterstützung computergesteuerter Maschinen schnell und präzise gearbeitet werden. Die Montage, der „Rohbau“ bis zum schützenden Dach, erfolgt in wenigen Tagen. Hotelerweiterungen lassen sich in der Ruhezeit zwischen den Saisonen bewerkstelligen, Neubauten in der meist kurzen Schönwetterperiode hochalpiner Regionen.

Das Hotel Post im Vorarlberger Bezau zeigt dies anschaulich. Einem Haus aus den siebziger Jahren wurde von Johannes und Oskar Leo Kaufmann ein Zubau für 20 Betten und einen Seminarraum zur Seite gestellt. Die Vorgabe einer extrem kurzen Bauzeit von vier Wochen führte zur Vorfertigung ganzer Zimmereinheiten - Boxen aus Holz-stehern, die gedämmt und beidseitig beplankt wurden. Sie sind selbsttragend ausgesteift und wurden ohne Primärkonstruktion aufeinander gestapelt. Als Installationsebene dienten die Hohlräume zwischen den Boxen.

Innerhalb von zwei (!) Tagen waren Boxen und Dach montiert und bereit für die Komplettierung, die sich auf den Einbau von Möbeln, die wie die Böden alle aus Holz sind, und auf Badverglasungen beschränkte. Die Kosten der 500 Quadratmeter Nutzfläche sind mit 1450 Euro (20.000 Schilling) je Quadratmeter als äußerst günstig einzustufen. Nach ökonomischen Kriterien ist hier ein luftiger Bau entstanden, der auf konsequente Weise die Forderung nach Licht, Sonne und Aussicht umsetzt.

Extremer in den Bedingungen für die Errichtung und mit höheren Ansprüchen auf Wetterfestigkeit, eignet sich vorgefertigter Holzbau etwa für Schutzhütten im schwer zugänglichen hochalpinen Raum. Dort, wo es keine Zufahrtsmöglichkeiten gibt, wo schlechte Fundierungsmöglichkeit zu Leichtbau und kurze Schönwetterperioden zu rascher Montage zwingen, kann der große logistische Planungsaufwand und der Zwang äußerster Ökonomie, der der Präfabrikation immanent ist, zu hoher Reife führen.

In dieser Baukategorie gibt es Erneuerungsbedarf, aber noch wenige gebaute Vorbilder. Konsequenter als der Neubau der Stüdlhütte des Deutschen Alpenvereins an der Südflanke der Glocknergruppe (siehe „Spectrum“ vom 18. Oktober 1997) zeigt die Berghütte auf dem 2700 Meter hohen Plateau de Saleinaz im Schweizer Wallis jene architektonische Haltung, die solch exponierten Lagen adäquat ist. Die mittels Helikopter aus vorgefertigten Elementen montierte Hütte für 50 Alpinisten behauptet ihre Schönheit und klare Präsenz mit ausgewogener Proportion und Schlichtheit.

Wo der Mensch sich als winziges Teilchen in der Schroffheit der Bergwelt erkennen muß, auf sich selbst zurückgeworfen, ist es angebracht, spartanisch zu sein. Wie heißt es schon bei Adolf Loos in den „Regeln für den, der in den Bergen baut“ (1913): „Baue nicht malerisch. Überlasse solche wirkung den mauern, den bergen und der sonne. Der mensch, der sich malerisch kleidet, ist nicht malerisch, sondern ein hanswurst. Der bauer kleidet sich nicht malerisch. Aber er ist es.“

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