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Die Kunst des Understatements
Der Standard

Der Architekt Adolf Krischanitz macht Farbe und Material zu einem gleichwertigen Werkzeug wie die Form

Ein schwarzer Kindergarten, ein blaues Haus, eine bunte Wohnanlage, eine gelbe Kunsthalle: Wenige Architekten bedienen sich einer so breiten Farbpalette wie Adolf Krischanitz und gelten trotzdem als schlicht und klar.

6. Mai 2000 - Gerd Zehetner
Seine scharf artikulierten Gebäude strahlen als Mitspieler im städtebaulichen Match Selbstbewusstsein und gleichzeitig Gelassenheit aus.

„Ich arbeite an der Lust des Sehens, nicht an der Propaganda der Form“, sagt der Architekt, der die Künstler Oskar Putz und Helmut Federle bei einer Reihe von Projekten für die auffallenden Farbkonzepte beizog.

Für Krischanitz dient Farbe als Raumerzeuger: „Im Zusammenspiel mit Licht ist Farbe pure Raum-Energetik, abstrakter und natürlicher (und billiger) als jedes andere gestalterische Mittel.“

Die Präsenz der beiden zur gleichen Zeit entstanden Büro- und Geschäftshäuser in Linz und in Graz, jeweils an dominanten Plätzen, entsteht unter anderem durch die Farbe, die dem „einfachen“ Formenspiel klare Artikulation zuspielt.

Wobei „einfach“ hier als Kunstform verstanden werden soll. So können die magischen Mixturen aus Natur, Sonne, Farben und Form ihre Kraft entfalten.

Wie viele seiner öffentlichen Gebäude zeichnen sich auch diese beiden Projekte durch die Überlegung aus, den belebten Stadtraum im Erdgeschoß weiter- oder gar durchzuführen.

Seinen Umgang mit Farbe charakterisiert auch die scheinbare Monochromie eines anderen Objektes, das von einigen Kollegen viel eher mit einem Überschwang an Farbe geplant würde.

Das Leben soll diesmal aber von wo anders her kommen: im Kindergarten „Neue Welt“ sind die Kinder aufgefordert, „Stimmung“ zu machen, den Rest besorgt die Natur. Das inmitten des Praters beim Lusthaus gelegene Gebäude aus schwarzem Beton bezieht das umgebende Grün als Gestalter mit ein.

Das Blau des Himmels in den französischen Fenstern und die Sonnenreflexion der Trennwände erzeugen die Farben. Nackte Betonoberflächen im Inneren und eingelassene Leuchtstoffröhren kontrastieren mit der von den Kindern geschaffenen Welt.

Schon zu „Missing Link“-Zeiten tauchte das Kindergarten-Thema auf. „El Condor“ sah eine Art Adlerhorst, ein Baumhaus, zur Kinderbetreuung vor.

Keine vordergründigen Kitschorgien, wie sich Erwachsene gerne die rosa-hellblau-heile Kinderwelt vorstellen, sondern Raum für Kreativität - ein Zugang, der sehr kontroversiell aufgenommen wird.

Der „schwarze Bunker“ als jüdischer Kindergarten gewinnt auch dadurch an Bedrohlichkeit, dass leider auch schon Kinder vor Übergriffen geschützt werden müssen, was mit Hilfe von Zäunen und Kameras geschieht.

Bei der im letzten Jahr fertiggestellten Schule im Augarten, der Lauder Chabad Campus, verzichtete Krischanitz erstmals auf die Beiziehung eines Künstlers bei der Farbgestaltung.

Eine präzise Rasterung und ausgeklügelte Erschließungsachsen vertikal und horizontal erzeugen hier einen Rhythmus, der die an sich massive Bauweise zum Schwingen bringt. Die dezente und raffinierte Materialwahl tritt an die Stelle prägnanter Farbflächen und schafft Wirkung.
So sind die tiefen Fensterlaibungen mit Platten aus Untersberger Kalk ausgekleidet, die erst beim Näherkommen erkennbar werden. Aus der Ferne erscheinen sie als dunklere Abstufung des sonst hellgrauen Putzes. Understatement pur.

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