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Zu viel Landschaft hemmt den Entwurf
Der Standard

Der Industrielle und Kunstsammler Herbert Liaunig hat fünf international bekannte Architekturbüros zu einem Museums- wettbewerb eingeladen, dessen Beiträge zurzeit in Klagenfurt ausgestellt werden.

19. Februar 2004 - Oliver Elser
Oft geht das Spiel ja so: Ein privater Sammler bietet einer Stadt oder Gemeinde an, seine Werke ausstellen zu dürfen, und verlangt im Gegenzug den Bau eines Museums. Die öffentliche Hand, von dürftigen Kulturbudgets ganz ausgezehrt, greift bereitwillig zu und erwirbt nicht selten die Katze im Sack. Ist doch die Errichtung eines Museums bei weitem günstiger als der kontinuierliche Aufbau einer eigenen Sammlung, und es wird zugleich eine prägnante Marke eingekauft. Die Sammlung des Kölner Schokoladefabrikanten Ludwig ist hierfür das beste Beispiel.

In diesem Falle liegen die Dinge etwas anders. Herbert Liaunig sammelt seit vier Jahrzehnten österreichische Kunst, die nach 1945 entstanden ist. Die Werke wurden bisher noch nicht öffentlich gezeigt. Nun plant der Sammler, der sich im Geschäftsleben auf den Erwerb angeschlagener Unternehmen spezialisiert hat, die er saniert und wieder verkauft, die Gründung eines eigenen Museums in Sichtweite seines Wohnsitzes an der Kärntner Grenze zu Slowenien.

Zur Realisierung des Museums in Neuhaus (slowenisch Suha) gibt es einen Zweistufenplan. Liaunig veranstaltete einen Wettbewerb unter fünf internationalen Architektenteams, die aufgefordert waren, eine „große Lösung“ zu erarbeiten, die dann umgesetzt wird, wenn das Land Kärnten etwa 30 Prozent der Kosten übernimmt. Andernfalls würde Liaunig eine kleinere Variante bauen lassen, die dann nicht für die Öffentlichkeit zugänglich wäre.

Die Entwürfe sind derzeit im Klagenfurter Museum für Moderne Kunst zu besichtigen, wo auch eine kleine Auswahl von Werken aus der Sammlung zu sehen ist. Wie aus dem Architekturzentrum Wien zu erfahren war, dessen Leiter Dietmar Steiner bei der Auswahl der Architekten beratend zur Seite stand, gibt es bereits einen Favoritenkreis. Dazu zählen die Entwürfe der Amerikaner Elisabeth Diller und Ricardo Scofidio sowie die Arbeit von Odile Decq aus Frankreich.


Zwei Favoriten?

Diller+Scofidio unterscheiden sich von den Mitbewerbern dadurch, dass ihr Museum nicht aussieht, als wolle es am liebsten unsichtbar in der Landschaft verschwinden. Die schräg in einen künstlich angehäuften Hügel eingegrabene Glasbox erzeugt zwar „points de vue“ nach jeder Seite, bleibt selbst aber kantig, abstrakt und räumlich sehr vielfältig. Für die Amerikaner, die bisher im theoriefreudigen Ostküstenmilieu der USA durch gleichermaßen sinnliche wie intellektuelle Kleinstarchitekturen hervorgetreten sind, wäre das Museum einer der ersten größeren Bauten.

Odile Decq, deren Punkfrisur sehr angenehm aus dem üblichen Architektenunderstatement herausragt, ist den entgegengesetzten Weg gegangen. Ihr Baukörper verschmilzt mit der Landschaft und terrassiert den Hügel, bleibt aber selbst recht eigenschaftslos.

Das lässt sich wiederum über die Arbeit des Slowenen Jurij Sadar und Bostjan Vuga nicht sagen: Bekannt wurde das Duo mit dem Gebäude der slowenischen Industrie- und Handelskammer in Ljubljana, einer frechen Antwort auf die „Rasteritis“ der industriellen Bauweise. Ihr Museumsentwurf in Form eines plattgedrückten Ufos ist hingegen in seiner Formverliebtheit ein schwacher Versuch, sich an den grassierenden Retro-Futurismus à la Kunsthaus Graz dranzuhängen.

Die ehemalige Partnerin des früh verstorbenen Spaniers Enric Miralles, Benedetta Tagliabue, hat sich als Einzige bis ins Detail mit der Frage beschäftigt, wie die gesammelten Kunstwerke, von denen auch im Museum nur ein Teil gezeigt wird, aufbewahrt werden, und daraus ein Präsentationssystem mit Kisten und Kästchen abgeleitet, dessen Kleinteiligkeit sich auch in der Gebäudeformation wiederfindet. Auch sie verzahnt das Museum sehr stark mit der Umgebung, wodurch einige landschaftliche Bezüge, wie etwa zur benachbarten Drau, verloren gehen, weil die Bauten sich zu sehr an den Grund schmiegen. Nur Diller+Scofidios erhabene und gleichzeitig vergrabene Glaskiste stellt auch diese Verbindung her.

Der Entwurf von Ben van Berkel und Caroline Bos aus Amsterdam zeigt sich als einziger so selbstbewusst, die Ausstellungsetage in den Himmel zu stemmen. Doch auch dort fließen die Wände pseudolandschaftlich durch den Bau und erzeugen schmale und damit kaum geeignete Galerieflure. Eine Entscheidung über das Siegerprojekt wird Herbert Liaunig voraussichtlich Ende Februar treffen.


[Museum Moderner Kunst Kärnten, Klagenfurt, Burggasse 8. Bis 18. 4. 2004]

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