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Vom Hirn aufs Papier
Vom Hirn aufs Papier, Schaubild: Eichinger oder Knechtl
Spectrum

Mit Skizzen und Entwürfen bespielt das Architekturforum Tirol zum letzten Mal seine alte Heimstätte. Die Versteigerung der Exponate soll das Budget für die Adaptierung des neuen Standorts aufbessern: des Adambräu-Sudhauses von Lois Welzenbacher.

6. März 2004 - Walter Zschokke
Der ersten Verfestigung und Visualisierung einer Entwurfsidee haftet etwas Auratisches an. Das Dokument des geistigen Geburtsvorgangs enthält wie kaum eine andere Darstellung den Wesenskern eines künftigen Bauwerks. Üblicherweise ist das eine Handskizze, doch es kann auch eine Materialkonstellation in Form eines Skizzenmodells sein, und seitdem allgemein am Computer gezeichnet wird, ergeben sich neuartige Visualisierungen dessen, was das Wesen eines Bauwerks ausmacht, in Form von Überlagerungen, unerwarteten Verdichtungen und Datensammlungen. Allen ist gemeinsam, dass eine komplexe und spannungsreiche Beziehung zum späteren Bauwerk existiert, die als Aussage der Wahrnehmung zugänglich ist. Dabei sind solche Darstellungen meist wenig dekorativ im Sinne einer Bildwirkung, sie können es aber durchaus sein, etwa in der Art eines japanischen Schriftzeichens, dessen Bedeutung in der grafischen Reduktion und Konzentration selbst dem zugänglich wird, der der japanischen Sprache sonst nicht kundig ist.

Diese innere Kraft, die als künstlerischer Wert Ideenskizzen - begrifflich weit gefasst - auszeichnet, bildet das Rückgrat der aktuellen Ausstellung „sketches“, die auf einer Initiative von Arno Ritter, dem Leiter des Architekturforums Tirol, basiert. Rund 80 Architektur- und Kunstschaffende waren eingeladen, ein Produkt aus ihrem Atelier, das das Werden einer Entwurfsidee wiedergibt, herzuschenken. Hinter dem Unternehmen „sketches“ steckt die Absicht, im Zuge einer für kommenden 13. März geplanten Versteigerungsaktion die knappe Kasse für den Innenausbau des neuen Hauses aufzubessern. Denn das Architekturforum kann im Herbst in die unteren Geschoße des ehemaligen Sudhauses einziehen, das Lois Welzenbacher 1926/27 für die Adambräu errichtet hat. Es ist dies eine großartige Chance sowohl für das denkmalgeschützte Bauwerk als auch für das Architekturforum und dessen initiativen und integrativen Leiter.

Die Abschiedsausstellung am alten Standort in der Innsbrucker Erlerstraße bildet somit ein mehrdeutiges Bindeglied zum neuen Ort. Ein Großteil der angefragten Fachleute reagierte, und so kamen recht unterschiedliche Werke zusammen - von der klassischen Skizze bis zu Modellen und von Computerdarstellungen bis zum Film. Die Vielfalt wird auf zwei langen Pulten, die Rücken an Rücken im Ausstellungsraum stehen, zusammengefasst. Diese Pulte bestehen aus schräg gestellten Gerüstböcken, die von einer Baufirma gesponsert wurden, auf denen einfache Tischplatten (gesponsert)
aufliegen. Große Glastafeln (gesponsert) beschweren und schützen die Exponate.

Das äußerst einfache System erlaubt auf unkomplizierte Weise die Präsentation von Plänen und Fotografien. Denn es ist nicht erforderlich, das Ausstellen von Architektur-dokumenten immer wieder neu zu erfinden. Das Zusammenführen von Planinhalten und Bildern ist für Betrachtende in der Regel anspruchsvoll genug und muss nicht durch gestalterische Mätzchen erschwert werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn man sich, wie das Architekturforum Tirol, nicht nur an Insider wendet. Die Reihung in alphabetischer Folge gibt eine vordergründige Ordnung vor, aus der sich - zufällig - da und dort hintergründige Konstellationen ergeben, die über das einzelne Objekt hinaus Spannung erzeugen. Dabei wird deutlich, wie die zeichnerische oder darstellerische Qualität zurücktritt vor dem, was ausgedrückt werden wollte. Damit wird auch der Unterschied zu einer Kunstausstellung sichtbar, die sich mit breiteren Fragestellungen befassen kann. Architektur ausstellen heißt in der Regel, Absentes medial zu vermitteln.

Bei der Ideenskizze steht die analoge Verfestigung des Absenten jedoch noch aus. Als Betrachter stehen wir vor dem Vorausgeschauten, das - womöglich vorbewusst - den Weg vom Gehirn über die Hand aufs Papier gefunden hat. Nicht alles erreicht diesen Grad an Subtilität, aber man konstatiert dankbar die klare, der Wahrnehmung nicht entgegen stehende Ausstellungsgestaltung. In einem vergleichbaren, in der Rohbauphase ebenfalls noch skizzenhaften Zustand befindet sich derzeit auch die denkmalpflegerisch sorgsame Transformation des Adambräu-Sudhauses. Friedrich Achleitner hat in einem ausführlichen Gutachten dessen architekturhistorischen und städtebaulichen Wert festgeschrieben. Im vorigen Jahr erfolgte die Unterschutzstellung durch das Bundesdenkmalamt. Nach den Plänen der Architektengemeinschaft Rainer Köberl, Thomas Giner, Erich Wucherer wird das Bauwerk, aus dem die Sudkessel schon früher entfernt worden waren, für die neuen Zwecke nutzbar gemacht.

Dabei erweist sich die räumlich interessante Konstellation in den unteren Geschoßen, wo ein faktischer Raumplan, der sich aus den technischen Notwendigkeiten für das vertikal entwickelte Sudhaus - damals eine Neuheit - quasi von selber ergab, als attraktive Chance für die Gliederung der Publikums- und Ausstellungsräume. Sie können thematisch getrennt oder als Gesamtkomplex bespielt werden. Ihre räumlichen und funktionalen Bezüge lassen sich sowohl trennend als auch verbindend interpretieren. So können mit vergleichsweise wenig Aufwand interessante Ausstellungskonzepte realisiert werden, weil diese Räume eine Vielzahl gestalterischer Antworten provozieren werden. Dabei bleiben die Flächen durchaus bescheiden: Auf den drei räumlich verknüpften Ebenen sind zirka 320 Quadratmeter Ausstellungsfläche vorhanden, und für Lager, Büros und Nebenräume kommen noch 200 dazu.

In den oberen Geschoßen, die großteils von ehemaligen Getreidesilos und Wassertanks beansprucht sind, wird das Archiv für Baukunst - Architektur und Ingenieurbau - der Universität Innsbruck seine neue Heimstatt finden. Was auf den ersten Blick unmöglich erscheinen mag, erweist sich dank des klugen Konzepts der Architekten als Chance: Die Silos werden - angeschnitten und mit Fußböden versehen - zu Archivräumen. Wo früher die umgekehrt pyramidenförmigen Auslässe der Silos mündeten, befindet sich demnächst der Studiensaal, und vielleicht fällt aus den Öffnungen statt Gerste und Weizen bald das Licht auf die Arbeitstische. In den obersten Geschoßen, zugänglich über Treppen, Stiegen und natürlich auch einen Lift, finden sich Räume für Forschung und Verwaltung, die von der städtebaulichen Position und der Höhenlage profitieren, indem sich Ausblicke über die Stadt, an die Talflanken und hinauf zu den Gipfeln der nahen Bergketten bieten, so dass der alpine Raum, dem sich das Institut widmen will, immer präsent sein wird.

Als in den frühen Neunzigerjahren in den Ländern die Architekturinitiativen gegründet wurden, war die Entwicklung nicht überall absehbar. Für Tirol ist es jedenfalls gelungen, in Innsbruck ein Forum für die Sache der Architektur zu schaffen, das geschickt die Bestrebungen bündelt, nicht bloß den Fachleuten eine Diskussionsplattform zu bieten, sondern allgemein Architekturinteressierten, aber auch Schulklassen und ihren Lehrern Zugänge zum Wesen der Baukunst zu öffnen. Dass das im neuen Haus noch viel besser gehen wird, ist keine Frage.

[ Die Ausstellung „sketches - Skizzen zu Architektur und Tirol“ im Architekturforum Tirol (Innsbruck, Erlerstraße 1/1) ist noch bis 12. März zu sehen (Montag bis Freitag 14 bis 19 Uhr). Die Versteigerung der Exponate geht am 13. März im Rahmen einer Finissage ab 17 Uhr über die Bühne. Der Ausrufpreis liegt für alle Exponate bei 100 Euro. ]

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