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Mario Abl und Erich Biberich – Ortskerne stärken
Mario Abl und Erich Biberich – Ortskerne stärken, Foto: Anne Isopp

Wenn Stadt- und Dorfzentren veröden, ist das ein schleichender Prozess, der schwer aufzuhalten ist. Längst sind es nicht mehr nur die Einkaufszentren an den Stadträndern, sondern auch der Onlinehandel, der zu Leerständen im Zentrum führt. Wer dem etwas entgegensetzen will, braucht einen langen Atem. Die Stadt Trofaiach in der Steiermark begann vor genau zehn Jahren, sich aktiv um die Belebung ihrer Stadtmitte zu kümmern, und schuf dafür eine eigene Stelle. Bürgermeister Mario Abl erzählt, warum die Gemeinde aktiv und als Vorbild vorangehen muss. Innenstadtkoordinator Erich Biberich, der den Prozess vom ersten Bürgerbeteiligungsprozess an begleitet, berichtet, wie er konkret gegen den Leerstand vorgeht. Das Gespräch ist in voller Länge im Podcast Morgenbau anzuhören.

3. Juni 2025 - Anne Isopp
Mario Abl, Bürgermeister von Trofaiach:
„Spätestens als die Banken und die Apotheke aus der ehemaligen Hauptstraße wegzogen, kehrte Tristesse ein. Es gab immer mehr Leerstände und uns war klar, dass wir dem in irgendeiner Form entgegenwirken müssen. Wir haben dann 2015, vor genau zehn Jahren, einen Bürgerbeteiligungsprozess gestartet. Rund 2.000 Menschen nahmen teil und brachten ihre Ideen ein. Das war der Start für den Veränderungsprozess.
Auch als Stadt haben wir in die Hauptstraße investiert: Wir haben eine alte Bank ankaufen können und dort unsere Musikschule angesiedelt. Wir haben den Trofaiach Tandler aufgemacht, einen neuen Busterminal errichtet und ein Jugendzentrum eröffnet. Und plötzlich haben die Leute gesagt: ‚Na ja, der Stadt ist das auch wichtig. Sie investieren selbst.‘ Dann gab es auch ein paar private Initiativen. Aber es funktioniert leider nicht immer alles. Man hat einen Erfolg und ein bisschen später sperrt doch wieder wer zu. Da muss man ständig dranbleiben. Auch die Rahmenbedienungen können sich plötzlich komplett verändern: erst die Pandemie, jetzt die schwierige Finanzsituation. Das spielt alles zusammen in so einem Entwicklungsprozess. Man muss nachjustieren und sich wieder etwas Neues überlegen. Und dazu braucht es eben auch jemanden, der das professionell tut, und das ist in unserem Fall Erich Biberich, unser Innenstadtkoordinator.“

Erich Biberich, Innenstadtkoordinator von Trofaiach:
„Die Bevölkerung wünschte sich eine Veränderung. Das war unbestritten. Sie wollte, dass sich das Stadtbild verändert, dass die beginnende Verwahrlosung aufhört. Der wichtigste Punkt war aber die Steigerung der Aufenthaltsqualität. Zuallererst haben wir eine Bestandserhebung gemacht. Zu Beginn ist der Leerstand ja nur ein Gefühl. Es ist leer, es ist schmutzig, es kümmert sich niemand mehr. Wir haben für das definierte Innenstadtgebiet den Katasterplan aus dem Bauamt ausgehoben und sind dann von Geschäft zu Geschäft, von Haus zu Haus gegangen, um uns zu informieren über den Zustand, die Größe, die Besitzverhältnisse, eventuelle Vorhaben und so weiter. Das Teuflische am Leerstand ist ja, dass er schleichend ist. Er fällt nicht auf, zumindest am Anfang nicht. Man sagt ja, ab 10 Prozent Leerstand beginnt er aufzufallen. Bei der Analyse der Geschäfte habe ich bemerkt, dass im Jahr nur ein Geschäft weggefallen ist. In zehn Jahren aber sind das zehn Geschäfte, und wenn sich keiner kümmert, bald auch zwanzig.

Grundsätzlich möchte natürlich jeder Eigentümer sein Geschäft vermieten. In einer solchen historischen Hauptstraße ist das aber nicht mehr so einfach möglich. Bis heute weisen einige Mietflächen, genau genommen ganze Objekte, gar nicht den erforderlichen technischen Zustand auf, um sie vermieten zu können: verschachtelte Grundfläche, Feuchtigkeit, schlechte Bausubstanz und so weiter und so fort.
Für mich war es deshalb ein Meilenstein, als ich ein paar Jahre nach Beginn des Prozesses erkannt habe, dass ich mich vor allem darum kümmern muss, dass die Gebäude saniert werden. Das betrifft nicht nur die Geschäfte, sondern auch die Wohnungen darüber. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass jedes Objekt an einen meist öffentlichen Raum grenzt. Auch der gehört drastisch verändert. Darum gefällt mir der Fokus rein auf das Leerflächenmanagement nicht. Leerflächenmanagement ist dann fast ein Nebeneffekt und Zusatznutzen aus den Hausaufgaben, die zu machen sind.
Das Durchhalten als Gemeinde ist die Kunst an der Sache. Es reicht nicht, einfach eine Funktion zu schaffen wie meine Stelle als Innenstadtkoordinator, sie muss in der Gemeinde auch eingebettet sein in den Willen und die Zusammenarbeit vom Bürgermeister bis zur Verwaltung. Nur dann funktioniert es.“

Trofaiach ist mit ca. 11.000 Einwohner:innen die zweitgrößte Stadt in der Region Leoben. Sie nennt sich Lebensmittelpunktgemeinde, weil die Menschen hier vor allem wohnen, zur Arbeit aber vielfach pendeln. 2015 startete die Stadt einen Prozess, um die Innenstadt wieder zu beleben.
Dafür wurden der Gemeinde zahlreiche Preise verliehen, unter anderem der Baukulturgemeindepreis, der ÖGUT-Umweltpreis und der VCÖ-Mobilitätspreis.

Mario Abl ist seit 2013 Bürgermeister der Stadtgemeinde Trofaiach und Mitglied des Bundesparteivorstands der SPÖ. Schon vor der damaligen Neugründung und Zusammenlegung von Trofaiach mit den Nachbargemeinden Hafning bei Trofaiach und Gai war er seit 2009 Bürgermeister der Stadt Trofaiach gewesen.
Erich Biberich ist seit 2015 Innenstadtkoordinator der Stadt Trofaiach.
»nextroom fragt« Architekt:innen, Bauherr:innen und Expert:innen. Die Gesprächsreihe zum nachhaltigen Bauen wird konzipiert und betreut von Anne Isopp. Im Gespräch werden unterschiedliche Dimensionen des nachhaltigen Bauens eingefangen, auf konkrete Bauten Bezug genommen und individuelle Sichtweisen abgefragt. Einige der Gespräche sind als Podcast auf morgenbau.at zu hören.

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