Beitrag
nextroom fragt: Riegler Riewe Architekten
Ausgehend von der konkreten Nutzung ist für Florian Riegler und Roger Riewe vor allem die sinnliche Erfahrung von Raum und Struktur als deutungs- und entwicklungsoffener Hintergrund alltäglicher Abläufe ein zentraler Aspekt in ihrer Arbeit. Das Nicht-Bildhafte, Mehrdeutige, unprätentiös Alltägliche spielt dabei eine große Rolle. Offen für die Komplexität eines soziokulturellen Zugangs zu architektonischen und urbanistischen Planungsaufgaben, bleiben in ihren Entwürfen konzeptionelle Überlegungen im Vordergrund. Roger Riewe im Interview mit Martina Pfeifer Steiner.
10. Juli 2018
In welchen Bürostrukturen arbeiten Sie?
Seit über dreißig Jahren arbeiten wir als Büropartner zusammen. Dann sind wir an den Standorten Graz – Berlin mit jeweiliger Geschäftsleitung organisiert. Des Weiteren gibt es Projektteams. Hier herrscht immer das Vier-Augen-Prinzip, also zwei Leute in der Projektleitung, dazu das Controlling und jeweils die Stellvertreter für Technik und Architektur, die wiederum ihre Teams betreuen. Hinzu kommt noch die Wettbewerbsabteilung mit ständig wechselnden Teams. Ein, zwei Wettbewerbe laufen immer, doch hier arbeiten die Leute maximal sechs Monate durchgehend mit. Unsere Rolle könnte man mit „project director“ beschreiben, wir beide teilen uns die Zuständigkeiten auf. Die Teamsitzungen sind immer sehr intensiv, vor allem bei den Wettbewerben, denn da nehmen wir StudentInnen dazu, die wiederum oft – früher oder später – als Mitarbeiter wiederkehren. Unter anderem ergibt sich daraus auch die von uns geschätzte Multinationalität.
Dass wir immer schon auf Ausgewogenheit von Frauen und Männern geachtet haben ist selbstverständlich und dass einige schon über zwanzig Jahre mitarbeiten, eine große Qualität. Die Atmosphäre ist sehr gut, zusammen Fußball-schauen oder Grillen ist kein Einzelfall und den Teamgeist pflegen wir beim Sport. Einmal die Woche wird eine Halle gemietet und demokratisch abgestimmt ob Volleyball, Basketball oder Fußball gespielt wird. Es hat sich bereits herumgesprochen, dass wir ziemlich gut sind und die Landschaftsplaner bereiten sich schon ein Jahr lang auf das Match vor, zu dem sie uns herausforderten. Natürlich haben wir auch eigene Trikots mit der jeweiligen Telefon-Durchwahl als Spielernummer.
Was inspiriert Sie?
Der Alltag. Da liegt alles drin. Es geht immer um Architektur, das ist der Rahmen. Wir sind der Gesellschaft verpflichtet und um bauen zu können, müssen wir verstehen wie der Alltag funktioniert und darauf reagieren. Da ist es egal auf welcher Ebene, ob das ein Kaffeehaus an der richtigen Stelle ist, oder wie der Kaffee ausgeschenkt wird, oder wie eine Stadt funktioniert.
Was begrenzt die Verwirklichung Ihrer Visionen?
Da stellt sich eher die Frage: hat man Visionen? Wenn ich mich mit dem Alltag auseinandersetze, dann muss ich keine Vision haben. Visionen brauch ich, wenn ich irgendetwas erhoffe, was dann sowieso nicht in Erfüllung gehen kann. Doch wenn ich mit dem Alltag arbeite, um die Grenzen auszuloten, sie immer wieder zu verschieben, auch manipulativ einzugreifen versuche, dann brauche ich nicht über die Vision zu gehen. Deshalb muss ich jedoch nicht Erfüllungsgehilfe des Alltags werden. Natürlich will ich eine qualitativ hochwertige Architektur, aber ich entwickle eher eine Strategie als ein ästhetisiertes Objekt. Wenn wir darüber nachdenken, was die Gesellschaft braucht und sehen, dass sie noch nicht so weit ist, das zu verstehen, so müssen wir Step by Step daran arbeiten, sie beeinflussen, immer an der Schwelle zwischen Reaktion und Reizung, damit sie am Ende sagt: wow, das ist ja ein Meilenstein! Doch für einen selbst war es nur der letzte kleine Schritt gewesen. Deshalb sehen wir auch hier keine Grenzen.
Ich denke, da bin ich mit Florian d´accord, dass wir keine Manifeste schreiben wollen, wie es vielleicht früher noch notwendig war. Wir sind an einem hohen Level von Wohlfahrt angekommen und müssen unseren Reichtum managen, das sind ganz andere Themen! Für uns ist die Vision auch nicht mit einem ästhetischen Phänomen gekoppelt, wir haben sie also gar nicht per se.
Welches Ihrer Projekte möchten Sie hervorheben?
Da gibt es ja viele Projekte und 99 Prozent davon haben Spaß gemacht! Ich versuche es also eher in Gedankenlinien. Wesentlich ist bei uns die Auseinandersetzung mit der Reihung und dem Seriellen, das beginnt mit der Wohnbebauung Graz-Straßgang, geht über den Flughafen Graz, die TU-Graz Inffeldgründe – sicherlich ein Meilenstein, in dieser seriellen Reihung und hierarchischen Strukturierung – bis hin zum soeben fertig gestellten Med-Campus in Graz.
Ein zweites Thema ist die Beschäftigung mit determinierten und nicht determinierten Bereichen in Gebäuden, und da ist die Grazer Messe ebenso wichtig wie das Penthouse T., das eine hat 120 m² und die andere ca. 20.000 m², aber die Gedanken dazu sind die selben. Genauso interessieren uns die Aspekte zu dienenden und bedienten Räumen, das betrifft die Landesbibliothek Berlin am Tempelhofer Feld wie die Wohnbauten. Ein inhaltlicher Meilenstein war sicherlich das CCW (Culturcentrum Wolkenstein), ein ganz frühes Projekt in Stainach, wo es eigentlich nur darum ging ein ehemaliges Dorfkino zum Kulturzentrum umzubauen. Beim Architekturpreis des Landes Steiermark setzten wir uns mit diesem kleinen hässlichen Gebäude gegen großartige Konkurrenz durch, und Dietmar Steiner, damals in der Jury, bemerkte, dass hier Architekturgeschichte neu geschrieben, eine Haltung positioniert wird. Es geht um einen anderen Ästhetikbegriff. Erst auf den zweiten Blick fallen die Qualitäten auf, gewiss ein Kontrapunkt zu einer vordergründig-schönen Architektur.
Worüber sollten ArchitektInnen reden, einen Diskurs anzetteln?
Politik. Wobei das nicht parteipolitisch sondern soziopolitisch gemeint ist. Welche Rolle findet und spielt die Architektur? Und da ist vor allem der nächsten, sogenannten Dotcom-Generation einiges abhanden gekommen. Wohlstand und maximal die Sorge um die eigene Freizeit – worum sollte man da noch ringen? Architektur gerät in Gefahr, wenn sich die Architekten nur noch als große Entwerfer sehen und die Ausführungsplanung aus den Händen geben. Wir müssen einfach grundsolide in allen Bereichen tätig sein, im Englischen sagt man: „make your hands dirty!“ Wir haben gesellschaftspolitisch eine andere Verantwortung, als nur eine Kulisse zu bauen. Das versuche ich auch den Studenten mitzugeben, damit sie diese Verpflichtung verstehen.
Es ist zudem auch sehr schwierig, die Architektur in den allgemeinen Diskurs und die Wahrnehmung der Öffentlichkeit hinein zu pushen. Da hat jeder BWL-er, jeder Consulting-Typ mehr Gewicht, wenn er drei Zahlen in den Raum wirft, der sich sowieso nur mit dem beschäftigen kann, was gegeben ist. Architektur ist eine der wenigen Berufssparten, die sich mit dem beschäftigt, was noch nicht vorhanden ist. Und deswegen ist es keine leichte Aufgabe Überzeugungsarbeit zu leisten. Wir Architekten denken, eine allgemein verständliche Sprache zu sprechen, das ist jedoch eine falsche Annahme. Sie ist komplex und diffus zugleich, was Kommunikation mit Nicht-Fachleuten ungemein schwierig macht. Es ist zum Beispiel schon ein langwieriger Prozess, Investoren oder Gemeinden davon zu überzeugen, freiwillig Wettbewerbe auszuschreiben. Wir sind die Souffleure der Politiker, die ja nur für fünf Jahre gewählt werden, wir haben jedoch vierzig, fünfzig Jahre ein Büro und müssen sehr weit vorausdenken.
Seit über dreißig Jahren arbeiten wir als Büropartner zusammen. Dann sind wir an den Standorten Graz – Berlin mit jeweiliger Geschäftsleitung organisiert. Des Weiteren gibt es Projektteams. Hier herrscht immer das Vier-Augen-Prinzip, also zwei Leute in der Projektleitung, dazu das Controlling und jeweils die Stellvertreter für Technik und Architektur, die wiederum ihre Teams betreuen. Hinzu kommt noch die Wettbewerbsabteilung mit ständig wechselnden Teams. Ein, zwei Wettbewerbe laufen immer, doch hier arbeiten die Leute maximal sechs Monate durchgehend mit. Unsere Rolle könnte man mit „project director“ beschreiben, wir beide teilen uns die Zuständigkeiten auf. Die Teamsitzungen sind immer sehr intensiv, vor allem bei den Wettbewerben, denn da nehmen wir StudentInnen dazu, die wiederum oft – früher oder später – als Mitarbeiter wiederkehren. Unter anderem ergibt sich daraus auch die von uns geschätzte Multinationalität.
Dass wir immer schon auf Ausgewogenheit von Frauen und Männern geachtet haben ist selbstverständlich und dass einige schon über zwanzig Jahre mitarbeiten, eine große Qualität. Die Atmosphäre ist sehr gut, zusammen Fußball-schauen oder Grillen ist kein Einzelfall und den Teamgeist pflegen wir beim Sport. Einmal die Woche wird eine Halle gemietet und demokratisch abgestimmt ob Volleyball, Basketball oder Fußball gespielt wird. Es hat sich bereits herumgesprochen, dass wir ziemlich gut sind und die Landschaftsplaner bereiten sich schon ein Jahr lang auf das Match vor, zu dem sie uns herausforderten. Natürlich haben wir auch eigene Trikots mit der jeweiligen Telefon-Durchwahl als Spielernummer.
Was inspiriert Sie?
Der Alltag. Da liegt alles drin. Es geht immer um Architektur, das ist der Rahmen. Wir sind der Gesellschaft verpflichtet und um bauen zu können, müssen wir verstehen wie der Alltag funktioniert und darauf reagieren. Da ist es egal auf welcher Ebene, ob das ein Kaffeehaus an der richtigen Stelle ist, oder wie der Kaffee ausgeschenkt wird, oder wie eine Stadt funktioniert.
Was begrenzt die Verwirklichung Ihrer Visionen?
Da stellt sich eher die Frage: hat man Visionen? Wenn ich mich mit dem Alltag auseinandersetze, dann muss ich keine Vision haben. Visionen brauch ich, wenn ich irgendetwas erhoffe, was dann sowieso nicht in Erfüllung gehen kann. Doch wenn ich mit dem Alltag arbeite, um die Grenzen auszuloten, sie immer wieder zu verschieben, auch manipulativ einzugreifen versuche, dann brauche ich nicht über die Vision zu gehen. Deshalb muss ich jedoch nicht Erfüllungsgehilfe des Alltags werden. Natürlich will ich eine qualitativ hochwertige Architektur, aber ich entwickle eher eine Strategie als ein ästhetisiertes Objekt. Wenn wir darüber nachdenken, was die Gesellschaft braucht und sehen, dass sie noch nicht so weit ist, das zu verstehen, so müssen wir Step by Step daran arbeiten, sie beeinflussen, immer an der Schwelle zwischen Reaktion und Reizung, damit sie am Ende sagt: wow, das ist ja ein Meilenstein! Doch für einen selbst war es nur der letzte kleine Schritt gewesen. Deshalb sehen wir auch hier keine Grenzen.
Ich denke, da bin ich mit Florian d´accord, dass wir keine Manifeste schreiben wollen, wie es vielleicht früher noch notwendig war. Wir sind an einem hohen Level von Wohlfahrt angekommen und müssen unseren Reichtum managen, das sind ganz andere Themen! Für uns ist die Vision auch nicht mit einem ästhetischen Phänomen gekoppelt, wir haben sie also gar nicht per se.
Welches Ihrer Projekte möchten Sie hervorheben?
Da gibt es ja viele Projekte und 99 Prozent davon haben Spaß gemacht! Ich versuche es also eher in Gedankenlinien. Wesentlich ist bei uns die Auseinandersetzung mit der Reihung und dem Seriellen, das beginnt mit der Wohnbebauung Graz-Straßgang, geht über den Flughafen Graz, die TU-Graz Inffeldgründe – sicherlich ein Meilenstein, in dieser seriellen Reihung und hierarchischen Strukturierung – bis hin zum soeben fertig gestellten Med-Campus in Graz.
Ein zweites Thema ist die Beschäftigung mit determinierten und nicht determinierten Bereichen in Gebäuden, und da ist die Grazer Messe ebenso wichtig wie das Penthouse T., das eine hat 120 m² und die andere ca. 20.000 m², aber die Gedanken dazu sind die selben. Genauso interessieren uns die Aspekte zu dienenden und bedienten Räumen, das betrifft die Landesbibliothek Berlin am Tempelhofer Feld wie die Wohnbauten. Ein inhaltlicher Meilenstein war sicherlich das CCW (Culturcentrum Wolkenstein), ein ganz frühes Projekt in Stainach, wo es eigentlich nur darum ging ein ehemaliges Dorfkino zum Kulturzentrum umzubauen. Beim Architekturpreis des Landes Steiermark setzten wir uns mit diesem kleinen hässlichen Gebäude gegen großartige Konkurrenz durch, und Dietmar Steiner, damals in der Jury, bemerkte, dass hier Architekturgeschichte neu geschrieben, eine Haltung positioniert wird. Es geht um einen anderen Ästhetikbegriff. Erst auf den zweiten Blick fallen die Qualitäten auf, gewiss ein Kontrapunkt zu einer vordergründig-schönen Architektur.
Worüber sollten ArchitektInnen reden, einen Diskurs anzetteln?
Politik. Wobei das nicht parteipolitisch sondern soziopolitisch gemeint ist. Welche Rolle findet und spielt die Architektur? Und da ist vor allem der nächsten, sogenannten Dotcom-Generation einiges abhanden gekommen. Wohlstand und maximal die Sorge um die eigene Freizeit – worum sollte man da noch ringen? Architektur gerät in Gefahr, wenn sich die Architekten nur noch als große Entwerfer sehen und die Ausführungsplanung aus den Händen geben. Wir müssen einfach grundsolide in allen Bereichen tätig sein, im Englischen sagt man: „make your hands dirty!“ Wir haben gesellschaftspolitisch eine andere Verantwortung, als nur eine Kulisse zu bauen. Das versuche ich auch den Studenten mitzugeben, damit sie diese Verpflichtung verstehen.
Es ist zudem auch sehr schwierig, die Architektur in den allgemeinen Diskurs und die Wahrnehmung der Öffentlichkeit hinein zu pushen. Da hat jeder BWL-er, jeder Consulting-Typ mehr Gewicht, wenn er drei Zahlen in den Raum wirft, der sich sowieso nur mit dem beschäftigen kann, was gegeben ist. Architektur ist eine der wenigen Berufssparten, die sich mit dem beschäftigt, was noch nicht vorhanden ist. Und deswegen ist es keine leichte Aufgabe Überzeugungsarbeit zu leisten. Wir Architekten denken, eine allgemein verständliche Sprache zu sprechen, das ist jedoch eine falsche Annahme. Sie ist komplex und diffus zugleich, was Kommunikation mit Nicht-Fachleuten ungemein schwierig macht. Es ist zum Beispiel schon ein langwieriger Prozess, Investoren oder Gemeinden davon zu überzeugen, freiwillig Wettbewerbe auszuschreiben. Wir sind die Souffleure der Politiker, die ja nur für fünf Jahre gewählt werden, wir haben jedoch vierzig, fünfzig Jahre ein Büro und müssen sehr weit vorausdenken.
»nextroom fragt« ist ein neues Format für die in der nextroom Architekturdatenbank vertretenen PlanerInnen und Planer, das Raum für eine übergeordnete Eigenpräsentation schafft. Fünf gleichbleibende Fragen laden ein, Einblicke in den Arbeitsalltag und die Bedingungen für Architektur zu geben - ungeachtet ob aus der Sicht junger oder arrivierter, großer oder kleiner Büros.