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Grandhotels in Wien: Vom Zentralstaubsauger zur neuartigen Luftheizung

Hotels waren oft technologische und damit soziale Innovatoren. Als sogenannte Early Adopters wollten sie ihren Gästen stets die modernsten und bequemsten Annehmlichkeiten bieten. „Luxus durch Technik“, lautete die Parole.
7. April 2025
Wenn einmal – wie vor Kurzem – der Wiener Tourismusdirektor attestiert, „die Stadt ist voll“, kann man davon ausgehen, dass die touristischen Belastungsgrenzen von Wien de facto erreicht, wenn nicht gar überschritten sind. Vor allem in der Innenstadt machte sich rund um Weihnachten und Silvester ein enormer Dichtestress bemerkbar. Mit rund 18 Millionen Nächtigungen im Jahr 2024 verzeichnete die Donaumetropole einen bislang nie da gewesenen Höchststand. Die Buchungslage in den Hotels war trotz Teuerung ausgezeichnet. Längst ist, wie Wolfgang Kos an dieser Stelle schon vor einiger Zeit proklamierte, das Phänomen des Overtourism auch in Wien angekommen – nicht nur in Hallstatt, Venedig oder Barcelona.
Angesichts dieser Tatsache, die ja lediglich einen schon länger beginnenden und nur durch die Coronakrise jäh unterbrochenen Trend fortschreibt, wunderte mich stets, dass die historische Aufarbeitung des Wiener Tourismus auffallend hinterherhinkt. Abgesehen von einigen älteren Arbeiten sowie einzelnen Monografien zu berühmten Flaggschiffen wie Sacher, Imperial, Bristol oder Intercontinental, war in der Kulturgeschichtsschreibung ein seltsamer blinder Fleck zu konstatieren. Bis nunmehr der Historiker Johannes Sachslehner die Lücke füllte.
Imperial, Sacher, Bristol, Regina oder Orient
Sein Buch „Wiener Hotels und ihre Geheimnisse“ bietet erstmals einen Überblick über die Entwicklung der urbanen Hotellandschaft, detailreich und konzise, wobei deren teils überaus erfolgreiche Mythisierung nicht unerwähnt bleibt. Als konkrete Fallbeispiele werden mehr als ein Dutzend bekannter Betriebe vorgestellt, größtenteils heute noch bestehende wie Stefanie, Imperial, Sacher, Bristol, Regina oder Orient, aber auch prominente historische Orte wie Métropole oder National. Der Autor beansprucht mit seinen Hotelporträts natürlich keineswegs Vollständigkeit, vielmehr will er jene architektonischen, wirtschaftlichen und sozialen Aspekte herausarbeiten, die sich im Phänomen der modernen Hotelanlage zusammenfügen und die stets auch – real wie symbolisch – ihre Zeit auf den Punkt bringen.
Ein zentraler Aspekt ist der Umstand, dass Hotels oft technologische und damit soziale Innovatoren waren. Als sogenannte Early Adopters wollten sie ihren Gästen stets die modernsten Annehmlichkeiten bieten. Man denke etwa an die zwei Semmering-Hotels Panhans und Südbahn, die sich über Jahrzehnte hinweg mit neuen Einrichtungen zu übertreffen versuchten. „Luxus durch Technik“, lautet die Parole, die für Hotels mehr als für andere Institutionen Gültigkeit hat. Auch auf Wiener Stadtgebiet waren neue Ausstattungen eng gekoppelt an neue Technologien. Diese wurden, zumeist aus den USA importiert, in den Hotels erprobt und diffundierten von dort in den privaten Bereich und die übrigen Teile der Metropole.
Zu den frühen, in vielerlei Hinsicht beeindruckenden Pionieren gehörte das Hotel National in Wien-Leopoldstadt, Taborstraße 18. Erst jüngst wurde von der Architekturpublizistik auf dieses bemerkenswerte, heute noch erhaltene Baudenkmal hingewiesen, das im Revolutionsjahr 1848 eröffnete. Die Architekten Ludwig Förster und Theophil Hansen hatten hier das erste moderne Großhotel Wiens geschaffen. Die mehr als zweihundert Zimmer beeindruckten, ebenso die innovative Haustechnik. So sorgte ein von einer Dampfmaschine angetriebener Ventilator in allen Räumen für „reine und frische Luft“, die im Sommer abgekühlt wurde. Für den Winter gab es eine Zentralheizung. Acht im Keller aufgestellte Öfen erwärmten über ein Rohrsystem das ganze Haus und minimierten auch die von den vielen offenen Feuerstellen ausgehende Brandgefahr.
Ein System von Sprachrohren
Weitere Spezialitäten waren: Warmwasser, Badezimmer und Toiletten auf jeder Etage, begrünte Dachterrasse, Trinkbrunnen sowie eine Schnelltrocknungsvorrichtung für die Wäsche. Der Kommunikation nach außen diente eine eigene Telegrafenstation – die erste Wiens –, nach innen ein System von Sprachrohren. Mit Letzteren konnte „binnen Secunden jedem Wink eines Gastes Gewährung“ verschafft werden. Eine völlig neue „Bequemlichkeit“ sollte sodann ein von einer Dampfmaschine angetriebener Personenaufzug darstellen. Dieser wurde aber, so die aktuelle Forschung, letztlich nicht installiert. Die Technik dafür war in Europa doch noch nicht ausgereift. Erst zwei Jahrzehnte später hielt der erste Aufzug in ein Wiener Hotel Einzug. Das im Mai 1870 eröffnete Grand Hotel an der Ringstraße punktete mit dieser Innovation. Für die Gäste war es ein völlig neuartiges Fahrgefühl, wie ein Zeitgenosse berichtete: „Durch Anziehen einer Schnur kommt der Apparat in Bewegung. Sanft und rasch, wie von Geisterhänden gehoben, steigt der kleine Salon, welcher sechs Personen zu fassen vermag, empor.“
Das Grand Hotel gehörte gemeinsam mit zahlreichen anderen Hotels zu jenen, die im Vorfeld zur Wiener Weltausstellung 1873 errichtet wurden. Sie sollten nicht zuletzt den bisherigen Rückstand zu anderen westeuropäischen Metropolen verringern. Der Hotelboom bescherte Wien luxuriöse Großetablissements wie das Hotel Imperial am Kärntner Ring, das Hotel Austria und De France am Schottenring, das Hotel Britannia am Schillerplatz, das Hotel Donau beim Nordbahnhof und das Hotel Métropole am Franz-Josefs-Kai. Sie alle wiesen hydraulisch angetriebene Aufzüge auf, errichtet von der Firma Anton Freissler. Und als sich später die Hebetechnik wandelte und die Kabinen schon elektrisch angetrieben wurden, waren es erneut renommierte Innenstadthotels wie das Wandl und das Bristol, die zu den Pionieren gehörten.
Mehr als dreihundert Zimmer mit Doppeltüren
Das Hotel Métropole war es auch, das erstmals schalldämpfende Einrichtungen realisierte, war doch der von den Gästen verursachte Lärm ein immer häufiger beklagter Übelstand. Das damals größte und mondänste Haus von Wien ließ in seine mehr als dreihundert Zimmer seriell Doppeltüren einbauen, die teilweise sogar gepolstert waren, was unter anderem die „Neue Freie Presse“ bei der Eröffnung lobend erwähnte: „Ein Vorzug, den jeder Reisende, der nächtliche Ruhe wünscht, hoch genug veranschlagen wird.“ Avancierte Bauakustik, damals noch in den Kinderschuhen, begann sich in der Folge zu entwickeln und auf den privaten Wohnbau auszudehnen.
Doch nicht nur die zeitgenössische Lärmschutzbewegung bildete sich in den Hotels ab, auch die moderne Hygienebewegung hinterließ hier ihre Spuren. Denn Sauberkeit war neben Komfort eines der wichtigsten Kriterien für einen erfolgreichen Betrieb. So reüssierten zur Jahrhundertwende manche Betriebe – wie das Imperial – mit dem Einbau einer neuartigen Zentralstaubsauger-Anlage. Eine im Keller installierte Vakuumpumpe war über ein Rohrleitungssystem mit jedem Zimmer des Hauses verbunden. In diesen befanden sich spezielle Rosetten, an denen Schlauchleitungen mit unterschiedlichen Düsen und Bürsten angeschraubt werden konnten. Auf diese Weise gelangte sämtlicher Staub in den Keller, wo er gefiltert und in einem Behälter gesammelt wurde. Ein für damalige Verhältnisse hocheffizientes System; eine derartige fast vollständig erhaltene Anlage ist übrigens im Technischen Museum Wien zu sehen. Der rasante technische Fortschritt beschleunigte den Wettbewerb der Betriebe untereinander. Eine Innovation jagte die nächste. Das im Sommer 1912 in der Kärntner Straße eröffnete (und vor Kurzem neu renovierte) Hotel Astoria stellte alles bisher Dagewesene in den Schatten. Die Zeitungen waren tief beeindruckt von dieser mondänen „Großstadtschöpfung“, die als Sehenswürdigkeit und Triumph der Industrie gefeiert wurde. Hier wies nunmehr jedes Zimmer einen Telefonanschluss auf sowie Uhren, die über eine eigene Zentraluhr reguliert wurden. Elektrische Beleuchtung und Aufzug waren sowieso Standard, als Spezialität pries man eine große Ozonanlage, die allen Räumen reine, ozonreiche Luft zuführte.
Hotels wie dieses fungierten hinsichtlich ihrer Pracht und Ausstattung als „Schloss des Großbürgertums“ (Hans Magnus Enzensberger). Kein Wunder, dass legendär gewordene Hotelbewohner wie die Wiener Literaten Peter Altenberg, Alfred Polgar und Anton Kuh sich in solch einem Ambiente besonders wohlfühlten. Nicht zu vergessen Joseph Roth, der sich gern als „Hotelbürger“, ja „Hotelpatriot“ bezeichnete. Punkto seiner Komplexität war das Hotel eine Großstadt en miniature. Soziale Verdichtung und Vielfalt, vernetzte technische Infrastruktur, geteilter Lebensraum auf Zeit.
Stadt und Hotel waren auch imagemäßig eng miteinander verbunden, was sich besonders bei der Premium-Marke der Grandhotels zeigte, wie der deutsche Historiker Habbo Knoch erkannte: „Das Grandhotel war ein Schaufenster der Leistungsfähigkeit von Stadt und Wirtschaft im Raum der wachsenden Konkurrenz um die Anerkennung von Leistung und Fortschritt. Stadtimages gewannen dadurch an Kontur und Städte trotz der fortdauernden Widersprüche der modernen Urbanisierung an Selbstbewusstsein.“
„Garagenhalle mit Boxes und Tankstelle“
Dieser Imagegewinn drückte auch Wien seinen Stempel auf. Vor allem die Innenstadthotels avancierten zu Aushängeschildern der urbanen Tourismuswirtschaft. Die Automobilisierung der Zwischenkriegszeit brachte einen weiteren Entwicklungsschub. Immer mehr Hotels ließen Garagen errichten und bewarben diese dann mit Inseraten und Werbekarten. „Garagenhalle mit Boxes und Tankstelle“ annoncierte etwa das gegenüber dem Franz-Josef-Bahnhof gelegene Hotel Bellevue. Die Stadt bereiste man künftig bevorzugt mit dem Auto.
Die Liste der Innovationen ließe sich noch lange fortsetzen. Der Trend hielt auch in der Nachkriegszeit an. Herausragendes Beispiel ist das im März 1964 eröffnete und heute oft zu Unrecht geschmähte Hotel Intercontinental am Heumarkt. Damals mit über fünfhundert Gästezimmern das größte Hotel Wiens, sorgte es nicht nur mit seiner innovativen Bauweise und seinem modernen Funktionalismus für Aufsehen. Amerikanisches Flair inmitten der Gründerzeitmetropole! Die elegante Ausstattung, allen voran die legendäre Intermezzo Bar mit ihrem funkelnden Kristallluster, und die internationalen Gäste aus der Film- und Populärkultur ließen Wien an diesem Ort als Weltstadt erscheinen. Hotels wie dieses waren ein wesentlicher Baustein dazu – sofern sie weiterhin am Puls der Zeit blieben. Mit Beginn des digitalen Zeitalters mussten sie ihre Vorrangstellung erneut beweisen. Nicht nur in Wien gehörten sie häufig zu jenen Institutionen, in denen viele erstmals im Internet surften beziehungsweise kostenloses WLAN genossen. Einmal mehr war das Hotel das Tor zur Welt.
Angesichts dieser Tatsache, die ja lediglich einen schon länger beginnenden und nur durch die Coronakrise jäh unterbrochenen Trend fortschreibt, wunderte mich stets, dass die historische Aufarbeitung des Wiener Tourismus auffallend hinterherhinkt. Abgesehen von einigen älteren Arbeiten sowie einzelnen Monografien zu berühmten Flaggschiffen wie Sacher, Imperial, Bristol oder Intercontinental, war in der Kulturgeschichtsschreibung ein seltsamer blinder Fleck zu konstatieren. Bis nunmehr der Historiker Johannes Sachslehner die Lücke füllte.
Imperial, Sacher, Bristol, Regina oder Orient
Sein Buch „Wiener Hotels und ihre Geheimnisse“ bietet erstmals einen Überblick über die Entwicklung der urbanen Hotellandschaft, detailreich und konzise, wobei deren teils überaus erfolgreiche Mythisierung nicht unerwähnt bleibt. Als konkrete Fallbeispiele werden mehr als ein Dutzend bekannter Betriebe vorgestellt, größtenteils heute noch bestehende wie Stefanie, Imperial, Sacher, Bristol, Regina oder Orient, aber auch prominente historische Orte wie Métropole oder National. Der Autor beansprucht mit seinen Hotelporträts natürlich keineswegs Vollständigkeit, vielmehr will er jene architektonischen, wirtschaftlichen und sozialen Aspekte herausarbeiten, die sich im Phänomen der modernen Hotelanlage zusammenfügen und die stets auch – real wie symbolisch – ihre Zeit auf den Punkt bringen.
Ein zentraler Aspekt ist der Umstand, dass Hotels oft technologische und damit soziale Innovatoren waren. Als sogenannte Early Adopters wollten sie ihren Gästen stets die modernsten Annehmlichkeiten bieten. Man denke etwa an die zwei Semmering-Hotels Panhans und Südbahn, die sich über Jahrzehnte hinweg mit neuen Einrichtungen zu übertreffen versuchten. „Luxus durch Technik“, lautet die Parole, die für Hotels mehr als für andere Institutionen Gültigkeit hat. Auch auf Wiener Stadtgebiet waren neue Ausstattungen eng gekoppelt an neue Technologien. Diese wurden, zumeist aus den USA importiert, in den Hotels erprobt und diffundierten von dort in den privaten Bereich und die übrigen Teile der Metropole.
Zu den frühen, in vielerlei Hinsicht beeindruckenden Pionieren gehörte das Hotel National in Wien-Leopoldstadt, Taborstraße 18. Erst jüngst wurde von der Architekturpublizistik auf dieses bemerkenswerte, heute noch erhaltene Baudenkmal hingewiesen, das im Revolutionsjahr 1848 eröffnete. Die Architekten Ludwig Förster und Theophil Hansen hatten hier das erste moderne Großhotel Wiens geschaffen. Die mehr als zweihundert Zimmer beeindruckten, ebenso die innovative Haustechnik. So sorgte ein von einer Dampfmaschine angetriebener Ventilator in allen Räumen für „reine und frische Luft“, die im Sommer abgekühlt wurde. Für den Winter gab es eine Zentralheizung. Acht im Keller aufgestellte Öfen erwärmten über ein Rohrsystem das ganze Haus und minimierten auch die von den vielen offenen Feuerstellen ausgehende Brandgefahr.
Ein System von Sprachrohren
Weitere Spezialitäten waren: Warmwasser, Badezimmer und Toiletten auf jeder Etage, begrünte Dachterrasse, Trinkbrunnen sowie eine Schnelltrocknungsvorrichtung für die Wäsche. Der Kommunikation nach außen diente eine eigene Telegrafenstation – die erste Wiens –, nach innen ein System von Sprachrohren. Mit Letzteren konnte „binnen Secunden jedem Wink eines Gastes Gewährung“ verschafft werden. Eine völlig neue „Bequemlichkeit“ sollte sodann ein von einer Dampfmaschine angetriebener Personenaufzug darstellen. Dieser wurde aber, so die aktuelle Forschung, letztlich nicht installiert. Die Technik dafür war in Europa doch noch nicht ausgereift. Erst zwei Jahrzehnte später hielt der erste Aufzug in ein Wiener Hotel Einzug. Das im Mai 1870 eröffnete Grand Hotel an der Ringstraße punktete mit dieser Innovation. Für die Gäste war es ein völlig neuartiges Fahrgefühl, wie ein Zeitgenosse berichtete: „Durch Anziehen einer Schnur kommt der Apparat in Bewegung. Sanft und rasch, wie von Geisterhänden gehoben, steigt der kleine Salon, welcher sechs Personen zu fassen vermag, empor.“
Das Grand Hotel gehörte gemeinsam mit zahlreichen anderen Hotels zu jenen, die im Vorfeld zur Wiener Weltausstellung 1873 errichtet wurden. Sie sollten nicht zuletzt den bisherigen Rückstand zu anderen westeuropäischen Metropolen verringern. Der Hotelboom bescherte Wien luxuriöse Großetablissements wie das Hotel Imperial am Kärntner Ring, das Hotel Austria und De France am Schottenring, das Hotel Britannia am Schillerplatz, das Hotel Donau beim Nordbahnhof und das Hotel Métropole am Franz-Josefs-Kai. Sie alle wiesen hydraulisch angetriebene Aufzüge auf, errichtet von der Firma Anton Freissler. Und als sich später die Hebetechnik wandelte und die Kabinen schon elektrisch angetrieben wurden, waren es erneut renommierte Innenstadthotels wie das Wandl und das Bristol, die zu den Pionieren gehörten.
Mehr als dreihundert Zimmer mit Doppeltüren
Das Hotel Métropole war es auch, das erstmals schalldämpfende Einrichtungen realisierte, war doch der von den Gästen verursachte Lärm ein immer häufiger beklagter Übelstand. Das damals größte und mondänste Haus von Wien ließ in seine mehr als dreihundert Zimmer seriell Doppeltüren einbauen, die teilweise sogar gepolstert waren, was unter anderem die „Neue Freie Presse“ bei der Eröffnung lobend erwähnte: „Ein Vorzug, den jeder Reisende, der nächtliche Ruhe wünscht, hoch genug veranschlagen wird.“ Avancierte Bauakustik, damals noch in den Kinderschuhen, begann sich in der Folge zu entwickeln und auf den privaten Wohnbau auszudehnen.
Doch nicht nur die zeitgenössische Lärmschutzbewegung bildete sich in den Hotels ab, auch die moderne Hygienebewegung hinterließ hier ihre Spuren. Denn Sauberkeit war neben Komfort eines der wichtigsten Kriterien für einen erfolgreichen Betrieb. So reüssierten zur Jahrhundertwende manche Betriebe – wie das Imperial – mit dem Einbau einer neuartigen Zentralstaubsauger-Anlage. Eine im Keller installierte Vakuumpumpe war über ein Rohrleitungssystem mit jedem Zimmer des Hauses verbunden. In diesen befanden sich spezielle Rosetten, an denen Schlauchleitungen mit unterschiedlichen Düsen und Bürsten angeschraubt werden konnten. Auf diese Weise gelangte sämtlicher Staub in den Keller, wo er gefiltert und in einem Behälter gesammelt wurde. Ein für damalige Verhältnisse hocheffizientes System; eine derartige fast vollständig erhaltene Anlage ist übrigens im Technischen Museum Wien zu sehen. Der rasante technische Fortschritt beschleunigte den Wettbewerb der Betriebe untereinander. Eine Innovation jagte die nächste. Das im Sommer 1912 in der Kärntner Straße eröffnete (und vor Kurzem neu renovierte) Hotel Astoria stellte alles bisher Dagewesene in den Schatten. Die Zeitungen waren tief beeindruckt von dieser mondänen „Großstadtschöpfung“, die als Sehenswürdigkeit und Triumph der Industrie gefeiert wurde. Hier wies nunmehr jedes Zimmer einen Telefonanschluss auf sowie Uhren, die über eine eigene Zentraluhr reguliert wurden. Elektrische Beleuchtung und Aufzug waren sowieso Standard, als Spezialität pries man eine große Ozonanlage, die allen Räumen reine, ozonreiche Luft zuführte.
Hotels wie dieses fungierten hinsichtlich ihrer Pracht und Ausstattung als „Schloss des Großbürgertums“ (Hans Magnus Enzensberger). Kein Wunder, dass legendär gewordene Hotelbewohner wie die Wiener Literaten Peter Altenberg, Alfred Polgar und Anton Kuh sich in solch einem Ambiente besonders wohlfühlten. Nicht zu vergessen Joseph Roth, der sich gern als „Hotelbürger“, ja „Hotelpatriot“ bezeichnete. Punkto seiner Komplexität war das Hotel eine Großstadt en miniature. Soziale Verdichtung und Vielfalt, vernetzte technische Infrastruktur, geteilter Lebensraum auf Zeit.
Stadt und Hotel waren auch imagemäßig eng miteinander verbunden, was sich besonders bei der Premium-Marke der Grandhotels zeigte, wie der deutsche Historiker Habbo Knoch erkannte: „Das Grandhotel war ein Schaufenster der Leistungsfähigkeit von Stadt und Wirtschaft im Raum der wachsenden Konkurrenz um die Anerkennung von Leistung und Fortschritt. Stadtimages gewannen dadurch an Kontur und Städte trotz der fortdauernden Widersprüche der modernen Urbanisierung an Selbstbewusstsein.“
„Garagenhalle mit Boxes und Tankstelle“
Dieser Imagegewinn drückte auch Wien seinen Stempel auf. Vor allem die Innenstadthotels avancierten zu Aushängeschildern der urbanen Tourismuswirtschaft. Die Automobilisierung der Zwischenkriegszeit brachte einen weiteren Entwicklungsschub. Immer mehr Hotels ließen Garagen errichten und bewarben diese dann mit Inseraten und Werbekarten. „Garagenhalle mit Boxes und Tankstelle“ annoncierte etwa das gegenüber dem Franz-Josef-Bahnhof gelegene Hotel Bellevue. Die Stadt bereiste man künftig bevorzugt mit dem Auto.
Die Liste der Innovationen ließe sich noch lange fortsetzen. Der Trend hielt auch in der Nachkriegszeit an. Herausragendes Beispiel ist das im März 1964 eröffnete und heute oft zu Unrecht geschmähte Hotel Intercontinental am Heumarkt. Damals mit über fünfhundert Gästezimmern das größte Hotel Wiens, sorgte es nicht nur mit seiner innovativen Bauweise und seinem modernen Funktionalismus für Aufsehen. Amerikanisches Flair inmitten der Gründerzeitmetropole! Die elegante Ausstattung, allen voran die legendäre Intermezzo Bar mit ihrem funkelnden Kristallluster, und die internationalen Gäste aus der Film- und Populärkultur ließen Wien an diesem Ort als Weltstadt erscheinen. Hotels wie dieses waren ein wesentlicher Baustein dazu – sofern sie weiterhin am Puls der Zeit blieben. Mit Beginn des digitalen Zeitalters mussten sie ihre Vorrangstellung erneut beweisen. Nicht nur in Wien gehörten sie häufig zu jenen Institutionen, in denen viele erstmals im Internet surften beziehungsweise kostenloses WLAN genossen. Einmal mehr war das Hotel das Tor zur Welt.
Für den Beitrag verantwortlich: Spectrum
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