Bauwerk
Firmenzentrale Windkraft Simonsfeld
Juri Troy - Ernstbrunn (A) - 2024

Wind und Sonne, Licht und Schatten
Der Neubau für einen Windkraftanlagen-Betreiber in Niederösterreich glänzt mit klimagerechter Architektur. Sein Erweiterungsbau auch. Dabei geraten zwei Vorstellungen des ökologischen Bauens in Kollision miteinander.
17. Mai 2025 - Maik Novotny
Zeichnet man die Geschichte der ökologischen Architektur nach, wird man eher nicht zum Lineal greifen, sondern eine schwungvolle Sinuskurve beschreiben. Das klimabewusste Bauen rückte immer wieder ins Zentrum der Aufmerksamkeit, um danach vergessen zu werden. In der fossil befeuerten Fortschrittseuphorie der Nachkriegsjahre war es, abgesehen von Buckminster Fullers futuristischen Biosphärenkuppeln, kaum existent.
Nach den Warnrufen des Club of Rome 1972 und der Ölkrise 1973 tauchte es wieder auf: in Form von Ökodörfern auf dem Land, vor dem Abrissbagger bewahrten Altstädten und technoider Solararchitektur. In der neoliberalen Ära der lustvollen Verschwendung um die Jahrtausendwende mit ihren computergenerierten, mit Beton und Stahl vollgestopften Formspielereien galt die Ökoarchitektur als so deplatziert wie ein Strickpulli auf einer Koksparty-Yacht.
In der Gegenwart mit ihren düsteren Klimaszenarien führt an ihr kein Weg vorbei. Routen in Richtung des rettenden Notausgangs gibt es viele, meistens verlaufen sie parallel, und manchmal kreuzen sie sich. Zum Beispiel auf einer Wiese im Weinviertel. Dort sind ein Bauherr und zwei Architekten in die richtige Richtung unterwegs, trotzdem gibt es Reibungen.
Der Bauherr, der Windkraftanlagenbetreiber Windkraft Simonsfeld, startete 1996 in einem Bauernhof im gleichnamigen Ort und legte bald den Turbogang ein. Als das provisorische Zuhause aus allen Nähten platzte, fand man im nahen Ernstbrunn ein Grundstück und lobte einen Wettbewerb für eine Firmenzentrale aus, den der Wiener Architekt Georg Reinberg gewann. Dieser hat sich seit Mitte der 1980er-Jahre mit linealhafter Geradlinigkeit der Nachhaltigkeit gewidmet, viele seiner Bauten kombinieren großen Verglasungen nach Süden mit massiver Speichermasse im Norden; technische Elemente wie Photovoltaik-Paneele sind integraler Bestandteil der Architektur. Auch sein Bau für Windkraft Simonsfeld, der 2014 fertiggestellt wurde, folgt diesem Prinzip.
Ökologisches Konzept
Nachdem der Bedarf an erneuerbaren Energien schnell anwuchs, war die für rund 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausgelegte Firmenzentrale schon binnen Jahren zu klein. Heute zählt man 140 Mitarbeiter, davon rund 100 in Ernstbrunn. „Früher wurden wir von manchen als grüne Spinner belächelt, heute sind wir der größte Arbeitgeber in der Region“, sagt Alexander Hochauer, Finanzvorstand von Windkraft Simonsfeld. „Das ökologische Selbstverständnis prägt das Konzept für den Erweiterungsbau und den Umgang mit unseren Mitarbeitern.“ Diese wurden in den Ideenfindungsprozess für den Neubau einbezogen.
„Es musste dem höchsten ökologischen Standard der Zeit entsprechen. Das bedeutet auch ein anderes Erscheinungsbild als vorher. Damals sollte der technologische Fortschritt symbolisiert werden, heute wollen wir erdige und verortbare Materialien, die sich in die Landschaft integrieren. Daher konnte es für uns nur ein Holzbau sein.“ Das wurde es auch. Eine freundliche Arbeitswelt aus Fichte, Weißtanne und viel Tageslicht. Im Frühjahr wurde der Neubau mit großem Volksfest eröffnet.
Man könnte sagen: Der Bauherr geht mit der Zeit. Denn die Wegweiser zur klimagerechten Architektur deuten heute nicht in Richtung solar befeuerten technologischen Fortschritts, sondern in Richtung CO2 -Minimierung. Dementsprechend wurden 2022 zum Wettbewerb vier Teams geladen, die sich vor allem durch Holzbau-Expertise auszeichnen. Gewinner Juri Troy, geboren in Bregenz und heute mit Büro in Wien, hat ein umfangreiches, an Vorarlberger Qualitäts- und Entwurfsstandards geschultes Œuvre vorzuweisen und hält eine Stiftungsprofessur für Holzbau an der TU Wien inne.
Windrad Panorama
Sein zweigeschoßiger Zubau erfüllt substanziell alle Wünsche der Bauherren. Im Inneren zwei massive Kerne aus Stampflehm für Sanitär- und Serverräume, 590 Kubikmeter Holz, Tiefensonden, Photovoltaik. Der Terrazzoboden im Erdgeschoß wurde mit Material aus dem nahen Steinbruch bestückt: kurze Transportwege, regionale Wertschöpfung. Die konstruktive Holzbaulogik bestimmt auch den Rhythmus der Fassade des Zubaus, der südlich an den bestehenden Bau anschließt und mit diesem eine Art Vierkanthof mit begrüntem Inneren bildet.
Die neuen Büros blicken rundum in die Felder und auf die Windkraftanlagen der ersten Generation, die sich bis heute auf den Hügeln drehen. „Die Gegend ist in der Tat sehr windig, daher war es mir wichtig, einen geschützten Hof anzubieten“, sagt Troy.
Auch die Position mit dem besten Panoramablick – erster Stock, Südseite, Aussichtsbalkon – besetzt nicht das Vorstandsbüro, sondern ein großer Raum für die wichtigen informellen Begegnungen der Mitarbeiter. Eine Kantine ist ebenfalls im Programm, das Menü ist rein vegan, ein deutliches Statement im niederösterreichischen Wurstsemmel-Schweinsbraten-Umfeld.
Nachhaltigkeitskompetenz
Die Kompetenz in Sachen Nachhaltigkeit ist jetzt schon evident: Der Energieverbrauch wurde bis ins Jahr 2040 vorab simuliert, der Neubau weist bereits in der Errichtungsphase eine positive CO₂-Bilanz auf und wurde mit maximalen 1000 Punkten nach dem Klimaaktiv-Gold-Standard zertifiziert.
Alles bestens also? Nicht ganz, denn eine Person ist nicht zufrieden mit der Bilanz: Georg Reinberg, Architekt des ersten Baus von 2014. Er war weder als Teilnehmer noch als Juror zum Wettbewerb für den Zubau geladen, und dass jener sich ausgerechnet auf der verglasten Südseite andockt, ihn in eine Vierkanthof-Form hineinzwingt und damit dessen Grundidee der Ausrichtung nach dem Sonnenlauf konterkariert, schmerzt ihn.
DER STANDARD trifft ihn in seinem Wiener Büro, er hat es noch nicht übers Herz gebracht, sich den Neubau anzuschauen. „Man hat sich mit meinem Gebäude inhaltlich nicht auseinandergesetzt. Es ist, würde es gar nicht existieren.“ Er sieht hier eine Kollision zweier grundverschiedener Ansätze: „Die Vorarlberger verfolgen traditionelle Architektur und verstecken die Technik, ich gehe offensiv mit der Technik um und will mit ihr die Architektur weiterbringen.“
Das Weiterbauen des Bestehenden gehört heute zum Pflichtprogramm der Nachhaltigkeit. Dass zwischen Bestand und Weiterbauen gerade zehn Jahre liegen, ist dabei eine Ausnahme. Dass es dabei zu Reibungsverlusten kommt, ist nicht überraschend. Kollisionen können auch passieren, wenn sich alle in die richtige Richtung bewegen.
Nach den Warnrufen des Club of Rome 1972 und der Ölkrise 1973 tauchte es wieder auf: in Form von Ökodörfern auf dem Land, vor dem Abrissbagger bewahrten Altstädten und technoider Solararchitektur. In der neoliberalen Ära der lustvollen Verschwendung um die Jahrtausendwende mit ihren computergenerierten, mit Beton und Stahl vollgestopften Formspielereien galt die Ökoarchitektur als so deplatziert wie ein Strickpulli auf einer Koksparty-Yacht.
In der Gegenwart mit ihren düsteren Klimaszenarien führt an ihr kein Weg vorbei. Routen in Richtung des rettenden Notausgangs gibt es viele, meistens verlaufen sie parallel, und manchmal kreuzen sie sich. Zum Beispiel auf einer Wiese im Weinviertel. Dort sind ein Bauherr und zwei Architekten in die richtige Richtung unterwegs, trotzdem gibt es Reibungen.
Der Bauherr, der Windkraftanlagenbetreiber Windkraft Simonsfeld, startete 1996 in einem Bauernhof im gleichnamigen Ort und legte bald den Turbogang ein. Als das provisorische Zuhause aus allen Nähten platzte, fand man im nahen Ernstbrunn ein Grundstück und lobte einen Wettbewerb für eine Firmenzentrale aus, den der Wiener Architekt Georg Reinberg gewann. Dieser hat sich seit Mitte der 1980er-Jahre mit linealhafter Geradlinigkeit der Nachhaltigkeit gewidmet, viele seiner Bauten kombinieren großen Verglasungen nach Süden mit massiver Speichermasse im Norden; technische Elemente wie Photovoltaik-Paneele sind integraler Bestandteil der Architektur. Auch sein Bau für Windkraft Simonsfeld, der 2014 fertiggestellt wurde, folgt diesem Prinzip.
Ökologisches Konzept
Nachdem der Bedarf an erneuerbaren Energien schnell anwuchs, war die für rund 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausgelegte Firmenzentrale schon binnen Jahren zu klein. Heute zählt man 140 Mitarbeiter, davon rund 100 in Ernstbrunn. „Früher wurden wir von manchen als grüne Spinner belächelt, heute sind wir der größte Arbeitgeber in der Region“, sagt Alexander Hochauer, Finanzvorstand von Windkraft Simonsfeld. „Das ökologische Selbstverständnis prägt das Konzept für den Erweiterungsbau und den Umgang mit unseren Mitarbeitern.“ Diese wurden in den Ideenfindungsprozess für den Neubau einbezogen.
„Es musste dem höchsten ökologischen Standard der Zeit entsprechen. Das bedeutet auch ein anderes Erscheinungsbild als vorher. Damals sollte der technologische Fortschritt symbolisiert werden, heute wollen wir erdige und verortbare Materialien, die sich in die Landschaft integrieren. Daher konnte es für uns nur ein Holzbau sein.“ Das wurde es auch. Eine freundliche Arbeitswelt aus Fichte, Weißtanne und viel Tageslicht. Im Frühjahr wurde der Neubau mit großem Volksfest eröffnet.
Man könnte sagen: Der Bauherr geht mit der Zeit. Denn die Wegweiser zur klimagerechten Architektur deuten heute nicht in Richtung solar befeuerten technologischen Fortschritts, sondern in Richtung CO2 -Minimierung. Dementsprechend wurden 2022 zum Wettbewerb vier Teams geladen, die sich vor allem durch Holzbau-Expertise auszeichnen. Gewinner Juri Troy, geboren in Bregenz und heute mit Büro in Wien, hat ein umfangreiches, an Vorarlberger Qualitäts- und Entwurfsstandards geschultes Œuvre vorzuweisen und hält eine Stiftungsprofessur für Holzbau an der TU Wien inne.
Windrad Panorama
Sein zweigeschoßiger Zubau erfüllt substanziell alle Wünsche der Bauherren. Im Inneren zwei massive Kerne aus Stampflehm für Sanitär- und Serverräume, 590 Kubikmeter Holz, Tiefensonden, Photovoltaik. Der Terrazzoboden im Erdgeschoß wurde mit Material aus dem nahen Steinbruch bestückt: kurze Transportwege, regionale Wertschöpfung. Die konstruktive Holzbaulogik bestimmt auch den Rhythmus der Fassade des Zubaus, der südlich an den bestehenden Bau anschließt und mit diesem eine Art Vierkanthof mit begrüntem Inneren bildet.
Die neuen Büros blicken rundum in die Felder und auf die Windkraftanlagen der ersten Generation, die sich bis heute auf den Hügeln drehen. „Die Gegend ist in der Tat sehr windig, daher war es mir wichtig, einen geschützten Hof anzubieten“, sagt Troy.
Auch die Position mit dem besten Panoramablick – erster Stock, Südseite, Aussichtsbalkon – besetzt nicht das Vorstandsbüro, sondern ein großer Raum für die wichtigen informellen Begegnungen der Mitarbeiter. Eine Kantine ist ebenfalls im Programm, das Menü ist rein vegan, ein deutliches Statement im niederösterreichischen Wurstsemmel-Schweinsbraten-Umfeld.
Nachhaltigkeitskompetenz
Die Kompetenz in Sachen Nachhaltigkeit ist jetzt schon evident: Der Energieverbrauch wurde bis ins Jahr 2040 vorab simuliert, der Neubau weist bereits in der Errichtungsphase eine positive CO₂-Bilanz auf und wurde mit maximalen 1000 Punkten nach dem Klimaaktiv-Gold-Standard zertifiziert.
Alles bestens also? Nicht ganz, denn eine Person ist nicht zufrieden mit der Bilanz: Georg Reinberg, Architekt des ersten Baus von 2014. Er war weder als Teilnehmer noch als Juror zum Wettbewerb für den Zubau geladen, und dass jener sich ausgerechnet auf der verglasten Südseite andockt, ihn in eine Vierkanthof-Form hineinzwingt und damit dessen Grundidee der Ausrichtung nach dem Sonnenlauf konterkariert, schmerzt ihn.
DER STANDARD trifft ihn in seinem Wiener Büro, er hat es noch nicht übers Herz gebracht, sich den Neubau anzuschauen. „Man hat sich mit meinem Gebäude inhaltlich nicht auseinandergesetzt. Es ist, würde es gar nicht existieren.“ Er sieht hier eine Kollision zweier grundverschiedener Ansätze: „Die Vorarlberger verfolgen traditionelle Architektur und verstecken die Technik, ich gehe offensiv mit der Technik um und will mit ihr die Architektur weiterbringen.“
Das Weiterbauen des Bestehenden gehört heute zum Pflichtprogramm der Nachhaltigkeit. Dass zwischen Bestand und Weiterbauen gerade zehn Jahre liegen, ist dabei eine Ausnahme. Dass es dabei zu Reibungsverlusten kommt, ist nicht überraschend. Kollisionen können auch passieren, wenn sich alle in die richtige Richtung bewegen.
Für den Beitrag verantwortlich: Der Standard
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