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10 Jahre Bauzeit, eine 6,5 Meter hohe Plattform auf dem Stadelhoferplatz und fast 3 Millionen Tonnen Material – bald kommt das Milliardenprojekt am Stadelhofen
Neue Zürcher Zeitung

Das Haus zum Falken ist noch nicht einmal fertiggestellt, da folgt schon die nächste Grossbaustelle: 2027 soll der Ausbau mit dem vierten Gleis am Bahnhof Stadelhofen beginnen.

26. Mai 2025 - Francesca Prader
Der Bahnhof Stadelhofen ist einer der wichtigsten Knotenpunkte des öffentlichen Verkehrs in der Stadt Zürich. Er verbindet die Stadt mit dem rechten Zürichseeufer, dem Unter- und Oberland. Neun S-Bahn-Linien verkehren im Halbstundentakt, 80 000 Reisende nutzen den Stadelhofen Tag für Tag. Tendenz steigend. Bis 2050 rechnen die SBB mit 130 000 Reisenden.

Momentan steht er allerdings wegen etwas anderem im Fokus: wegen der Baustelle für das imposante Haus zum Falken direkt neben dem Bahnhof. Die Axa-Anlagestiftung will damit einen städtebaulichen Akzent setzen. Das an eine Luxusjacht erinnernde Gebäude des Architekten Santiago Calatrava wird voraussichtlich Ende Jahr fertiggestellt. Momentan wird das Schutzgerüst demontiert und das Glasdach eingesetzt. Mit der Eröffnung findet die Bauerei am Stadelhofen aber nur ein vorläufiges Ende.

Denn schon jetzt ist die Kapazitätsgrenze des Bahnhofs ausgereizt, der Knotenpunkt ist ein eigentliches Nadelöhr. Mit seinen momentan drei Gleisen können zwischen Stettbach und Hardbrücke keine zusätzlichen Züge fahren. Der Tunnel zwischen Stadelhofen und Tiefenbrunnen hat zudem nur ein Gleis.

Ein viertes Gleis am Bahnhof soll Entlastung bringen.

Dieses Vorhaben ist nun einen wichtigen Schritt weiter: Seit kurzem liegen die Projektunterlagen öffentlich auf. Während eines Jahrzehnts wird diese Grossbaustelle nicht nur den Stadelhofen prägen.

Das Projekt

Der Bund will die Bahninfrastruktur landesweit weiterentwickeln. Im Rahmen des Ausbauschritts 2035 erhält der Bahnhof Stadelhofen ein viertes Gleis, das an die bestehenden Tunnelverbindungen mit dem Bahnhof Stettbach (Zürichbergtunnel) und dem Hauptbahnhof Zürich (Hirschengrabentunnel) angeschlossen wird. In Richtung Tiefenbrunnen erstellen die SBB einen zweiten Tunnel (zweiter Riesbachtunnel) und ermöglichen damit Verbindungen im 15-Minuten-Takt am rechten Zürichseeufer.

Eine Grossbaustelle mitten in dicht besiedeltem Stadtgebiet ist ein grosses und komplexes Unterfangen – aber nicht das grösste, das die SBB in Zürich je unternommen haben. Der SBB-Mediensprecher Reto Schärli sagt, der Bau der Durchmesserlinie – mit dem neuen unterirdischen Bahnhofteil im Zürcher Hauptbahnhof, dem neuen Weinbergtunnel und der Erweiterung des Bahnhofs Oerlikon – sei insgesamt noch etwas grösser und komplexer gewesen.

Das neue Gleis am Stadelhofen entsteht unterirdisch auf der Höhe der Ladenpassage, allerdings etwa 40 Meter in den Berg versetzt. Drei Durchgänge verbinden dereinst das neue Perron mit der überkommunal inventarisierten Ladenpassage, die in den 1980er Jahren von Santiago Calatrava erbaut wurde. Das vierte Gleis wird von der Arbeitsgemeinschaft Giuliani Hönger Architekten sowie Caretta und Weidmann Generalplaner entworfen und gebaut. Calatrava hatte beim Wettbewerb ebenfalls ein Projekt eingereicht, den Zuschlag jedoch nicht erhalten.

Nach Vollendung verkehren auf Gleis 4 die Züge nach Stettbach und Tiefenbrunnen, auf Gleis 1 halten die Verbindungen in die Gegenrichtung. Auf den Gleisen 2 und 3 verkehren ausschliesslich Züge von und nach Bahnhof Stettbach.

Für den Ausbau des Bahnhofs Stadelhofen rechnen die SBB mit Kosten von rund 1,1 Milliarden Franken (+/- 20 Prozent). Für den gesamten im Rahmen von Step 2035 vorgesehenen Ausbau der Bahninfrastruktur hat das Parlament 16 Milliarden Franken gesprochen.

Der Terminplan

Bis das vierte Gleis den Pendelverkehr entlastet, dauert es noch mindestens elf Jahre. Die SBB rechnen damit, dass sie Mitte 2027 mit den Bauarbeiten beginnen können. Voraussichtlich 2036 sollen die neuen Tunnelverbindungen und das neue Gleis in Betrieb genommen werden. Danach folgen einjährige Umbauarbeiten an den bestehenden Gleisen 2 und 3. Diese erhalten unter anderem ein breiteres Mittelperron.

Die Einschränkungen

Der Bahnhof Zürich Stadelhofen spielt eine zentrale Rolle für ein funktionierendes S-Bahn-System. Alle rund 1,5 Minuten fährt ein Zug. Die Bauarbeiten müssen so geplant werden, dass auch während der etwa zehnjährigen Bauzeit ein pünktlicher und sicherer Zugverkehr gewährleistet ist.

Während der Bauzeit von knapp zehn Jahren bleibt der Bahnhof Stadelhofen fast durchgehend in Betrieb. Teilweise müssen betroffene Strecken in der Nacht oder für einzelne Wochenenden gesperrt werden. Der drastischste Einschnitt in den Zugverkehr geschieht voraussichtlich 2033, wenn die Strecke zwischen Stadelhofen und Stettbach während der gesamten Sommerferien gesperrt ist.

Den Tramverkehr tangieren die Arbeiten am Stadelhofen nur punktuell. Und zwar, wenn die Personenunterführung Mühlebachstrasse gebaut wird. Dann werden die Trams der Linien 8 und 11 umgeleitet, die Forchbahn wendet am Kreuzplatz.

Die Arbeiten an der Ladenpassage erfolgen in vier Etappen. Die Läden im jeweiligen Bereich bleiben geschlossen, ebenso die jeweiligen Zugänge zu den Gleisen. Falls sich die Einschränkungen als unzumutbar erweisen sollten, würden die SBB auf Nachtarbeit umstellen.

Für die Fussgängerinnen und Fussgänger bedeuten die Arbeiten am Bahnhofausbau hingegen mehr Einschränkungen. Denn weil es für die unterschiedlichen Tunnelteile verschiedene Baustellenzugänge gibt, sind diverse Baustelleninstallationen nötig. Darunter eine 569 Quadratmeter grosse Plattform mit Kran, die schräg links vor dem Bahnhofgebäude zu stehen kommt – und voraussichtlich acht Jahre lang dort bleiben wird. Damit sie den Trambetrieb nicht stört, wird sie auf 6,5 Meter hohen Pfählen über dem Stadelhoferplatz thronen.

Eine weitere Installation ist beim Kreuzplatz geplant. Im Merkurgarten zwischen Merkurstrasse und Zeltweg planen die SBB einen Materialumschlagplatz. Weiter ist dort ein Containerkomplex mit Büros, Sitzungsräumen, Sanitäranlagen, Toiletten und Werkstatt, Silos und Kränen vorgesehen.

Die wohl grössten Baustelleneinrichtungen sind beim Bahnhof Tiefenbrunnen, oberhalb des heutigen Tunnelportals, geplant. Auf über 900 Quadratmetern entstehen Baucontainer, Magazine und Trafostationen.

Eine 735 Quadratmeter grosse Fläche westlich vom Bahnhof Tiefenbrunnen wollen die SBB für bis zu drei Etagen an Containern nutzen. Weiter gibt es an der Ostseite des Bahnhofs eine 285 Meter lange, bis zu 26 Meter hohe Installation, wo das Aushubmaterial zum Abtransport verladen wird. Zudem sind Hallen vorgesehen, in denen das Material zwischengelagert werden kann.

Die Materialmengen

Ein Tunnelprojekt dieser Grösse geht mit viel Material einher. Für die neue Verbindung zwischen Hauptbahnhof, Stadelhofen, Stettbach und Tiefenbrunnen sind es rund 2,7 Millionen Tonnen. Das entspricht ungefähr der Lastmenge von 108 000 Sattelschleppern. Gut die Hälfte davon, nämlich 1,47 Millionen Tonnen, ist Aushub- und Ausbruchmaterial. Weiter werden 0,75 Millionen Tonnen Beton verbaut.

Für 60 Prozent des An- und Abtransports kommt die Bahn zum Einsatz. Der Beton wird vollständig mit Lastwagen transportiert.

Der neue Stadelhofen

Das zusätzliche Gleis ist nicht die einzige Veränderung, die das Milliardenprojekt mit sich zieht.

Die Seitenflügel des 1894 erstellten Bahnhofgebäudes erhalten ein zusätzliches, pavillonartiges Stockwerk. Darin ist ein Gastronomieangebot vorgesehen. Der Zugang zum Gebäude soll ebenerdig und damit besser zugänglich werden. Im Inneren ist eine – verglichen mit heute – grosszügige Verbindung zur Ladenpassage mit jeweils knapp vier Meter breiten Treppen- und Rolltreppenläufen vorgesehen.

Weiter erhält der Stadelhofen von der Mühlebachstrasse her eine neue unterirdische Verbindung zur Ladenpassage sowie eine Rampe zur dreigeschossigen Velostation in Calatravas Haus zum Falken.

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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