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Bis vor Kurzem Ziegelruine, nun Arbeitsplatz und Lernort im Wald – das Sommerrefektorium der Jesuiten in Graz
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Wo einst die Jesuiten aßen, werden bald Studenten lauschen: Das Sommerrefektorium auf dem Rosenhain Graz wurde vor dem Ruin bewahrt und für den Uni-Betrieb instand gesetzt.

16. Juli 2025 - Sigrid Verhovsek
Für die meisten Grazer:innen, die sich auf dem Rosenberg tummeln, war die alte Ziegelruine im Wald über den Teichen nichts Besonderes. Märchenhaft schaurig war sie nicht, eher etwas schmuddelig: ein besprayter und dem Verfall preisgegebener „Lost Place“, eine vergessene Lagerhalle. Begonnen hatte alles ganz anders: Das Gebäude war Mitte des 17. Jahrhunderts von den Jesuiten als Sommerrefektorium ausgebaut worden, als ein Ort der „Wiederherstellung“. Im Erdgeschoß lag ein großer Speisesaal samt Küche, im Obergeschoß gab es kleine Wohneinheiten für ältere oder genesungsbedürftige Ordensbrüder, verbunden durch einen offenen Arkadengang. Dass die Jesuiten auch glanzvolle Feste für pfleglich hielten, verrät ein Bericht über eine Feier samt kaiserlicher Beteiligung.

Nach der Auflösung des Jesuitenordens 1773 fielen dessen Besitztümer zunächst an den Staat; auf dem Rosenhain wechselten laufend die Besitzer. Erst 1928 wurde durch die Stadt Graz wieder eine Gesamtfläche von 260.000 Quadratmetern samt Wildgehege und Teichen erworben. Im Kaufvertrag stand, dass die „Liegenschaft als Waldgürtel und Naturschutzgebiet und für Fürsorgezwecke für die Öffentlichkeit zu erhalten“ sei.

Dornröschenschlaf

Während der Rosenberg von immer mehr Privathäusern besiedelt wurde, dämmerte das Refektorium im Wald vor sich hin: Der stolze Arkadengang war nach einem Bombentreffer eingestürzt und abgetragen worden, 1984 zerstörte ein Brand das Dach, diverse Sturmschäden taten ihr Übriges, die Mauerkronen lagen offen, der Putz war abgebröckelt, die Fenster vermauert. Zu sehen war nur mehr das nackte ziegelrote Mauergeviert, an dem steinerne Portale und Fensterbrüstungen wie Fremdkörper aus einer anderen Zeit wirkten. Die unter Denkmalschutz stehende Ruine durfte aber auch nicht abgebrochen werden.

Hier gelang nun kurz vor dem endgültigen Einsturz eine „Wiederherstellung“. Die Gebäude- und Baumanagement Graz GmbH entwickelte gemeinsam mit Bauherrin Universität Graz die Idee, das Haus zu revitalisieren und es mit dem Institut für Bewegungswissenschaften, Sport und Gesundheit zu besiedeln – also ganz im Sinne des genannten öffentlichen Fürsorgezweckes und in Erwartung einer Synergiewirkung mit dem nahe gelegenen Uni-Sport- und Trainings- und Diagnostikzentrum.

Das Wesen des alten Gebäudes erhalten

Denkmalschutz wie Architektur waren sich schnell einig, dass das Wesen der Ruine spürbar bleiben muss, die Geschichte des Hauses nicht verloren gehen darf. Ein abgesetzter Zubau war aber aufgrund der Flächenwidmung unmöglich: Im Waldgebiet durfte in Grundriss wie in Kubatur nur dort gebaut werden, wo es bereits ein Gebäude gewesen war. Diese Vorgaben bedingten ein grobes Funktionskonzept: Im zweigeschoßigen Bestandsmauerzug sollte die öffentlich frequentierte Zone mit Hörsaal und Seminarräumen entstehen, während in den Dachgeschoßen Büros des Instituts Platz finden sollten.

Die Wiedererrichtung des Arkadenganges bot die Möglichkeit einer großzügigen, barrierefreien Erschließungszone samt Lift. Wie immer schwieriger waren die Details: statische Erfordernisse, die sich aus einem nicht mehr tragfähigen Bestand ergaben, der tropfnasse Keller, die manchmal widersprüchlichen Nutzerwünsche und nicht zuletzt der sorgsame Umgang mit jenen knappen öffentlichen Geldern, die Stadt und Universität zur Verfügung standen: 13 Millionen Euro lautete das Bauvolumen für eine Nettogrundfläche von 2000 m² unter diesen komplexen Bedingungen.

Die Herausforderung für das Grazer Architektenteam Leb Idris Architektur war jedoch die Auseinandersetzung mit der Zeit, mit Beständigkeit und Vergänglichkeit und deren ästhetischer räumlicher Abbildung. Als Inspiration nennt Jakob Leb daher den Umgang mit antiken Mosaiken, bei denen Fehlstellen mit entsprechenden Farben geschlossen werden: Von Weitem besehen ist der ursprüngliche Gesamteindruck wiederhergestellt, von Nahem sind die Nahtstellen aber deutlich erkennbar. Jasmin Leb Idris ergänzt: „Wir wollten, dass der Unterschied Alt und Neu klar ablesbar ist, aber wir wollten keine starken Kontraste setzen, die die Harmonie zerstören.“ Ihr Anspruch lautete, dass Neubau und Altbau ebenbürtig sein, für sich stehen können, aber auch ein Gemeinsames bilden. Dieses Prinzip zieht sich nun in Form, Farbe und Material, innen wie außen, konsequent über das gesamte Bauvorhaben.

Das Steinportal steht wieder offen

Solide Basis für dieses Unterfangen bildeten vor Baubeginn im Frühjahr 2023 eine genaue Untersuchung und Kartografierung des Bestandsmauerwerks, das anschließend in Handarbeit wieder ausgebessert wurde. Aufgefundene Putzreste wurden sorgsam konserviert, die Ziegelsichtigkeit blieb dennoch erhalten, indem man zum Schutz der Mauer nur eine helle Schutzschlemme auftrug, die eine farbliche Homogenisierung der Fassade bewirkt. Die Steinbrüstungen der Öffnungen sind wie die schmiedeeisernen Fenstergitter großteils erhalten, wurden gereinigt und ergänzt. Auch das Rundbogen-Steinportal steht nun wieder erwartungsvoll offen, die nach innen versetzte Glastür hält respektvoll Abstand und gibt durch das Gebäude hindurch den Blick ins Grüne frei.

Rund um das Refektorium haben die Landschaftsarchitekten von ZwoPK die Gestaltung eines unmittelbaren Überganges in den Wald übernommen. Auf dem Vorplatz zitiert ein Pflanztrog inklusive Sitzbank um einen Baum eine historische Darstellung des Eingangsbereichs. Auffällig sind die vielen Radabstellplätze: Es gibt zwar eine schmale Zufahrt, aber bis auf einen einzigen barrierefreien keine weiteren Parkplätze – die Ruhe des Ortes sollte gewahrt bleiben. An der Nordseite erweisen große, streng anmutende Fensterbögen den ehemaligen Arkaden ihre Reverenz. Als Gegenstück zum alten Ziegelbau wurde hier künstlicher Stein in Form von Dämmbeton verwendet. Der so erlangte Verzicht auf Vollwärmeschutz und Putz erzeugt einen materiellen und farblichen Dialog der zeitgenössischen Formensprache mit dem Bestand, besonders gut ablesbar an den beiden Giebelwänden.

Da das Bestandsmauerwerk für heutige Lastannahmen nicht mehr tauglich war, wurde eine Sargdeckelkonstruktion vorgenommen: Decken und Querwände des unteren Dachgeschoßes wurden so ausgebildet, dass sie nicht nur Alt- und Neubau zusammenhalten, sondern auch die Last des Holzdachstuhls abtragen. Das Dach wurde wie zuvor als Schopfwalm ausgeführt, von hier aus blickt man in die Kronen der Bäume. Die Haustechnik ist dem Denkmalschutz untergeordnet, aber dennoch ökologisch: 21 Tiefensonden versorgen die Wärmepumpenanlage, Heizung wie Kühlung erfolgen über den Fußboden. Eine der Reduktionen des technischen Aufwands wird durch schmale seitliche Öffnungen an den Türen erzielt, die gekühlte Luft vom Gang ins Zimmer lenken. Niederschlagswässer werden in die beiden Teiche des Naherholungsgebiets geleitet, die oft auszutrocknen drohten. Im Herzstück des Gebäudes, im ehemaligen Speisesaal und heutigen Hörsaal im Erdgeschoß, werden also statt einer klösterlichen Tischlesung ab September Vorlesungen gehalten.

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