Artikel

Um Eckhäuser besser: Gutes Klima in einem Mietwohnungshaus in Wien-Ottakring
Spectrum

Das Mietwohnungshaus von Zeininger Architekten in Wien-Ottakring bietet in mehrfacher Hinsicht ein gutes Klima: Es gibt eine hauseigene Solar- und Geothermieanlage, der Strom kommt von der PV-Anlage auf dem Dach, und auf dem hofseitigen Balkon spürt man selbst bei Hitze einen angenehmen Durchzug.

9. August 2025 - Franziska Leeb
Dichte spart einerseits Fläche und ermöglicht leistbares Wohnen. Andererseits steht sie synonym für Enge, Überhitzung, Renditemaximierung. Fix ist, dass eine hohe städtebauliche Dichte nicht automatisch belebte und lebenswerte Stadtquartiere garantiert – und eine geringe ebenso wenig. Es seien „Gedankenlosigkeit, Bequemlichkeit und Mangel an gutem Willen, welche uns moderne Stadtbewohner dazu verurteilten, lebenslänglich in formlosen Massenquartieren den geisttötenden Anblick ewig gleicher Mietshausblöcke, ewig gleicher Straßenfluchten zu ertragen“, stellte Camillo Sitte schon vor über 130 Jahren fest. Was aber sind, um mit diesem Wiener Wegbereiter des modernen Städtebaus zu sprechen, „Ursachen der schönen Wirkung“?

In der Hasnerstraße in Wien-Ottakring finden wir Hinweise. Sitte würde zwar die kerzengerade Alleestraße eintönig finden, mit dem neuen Haus an der Ecke zur Sulmgasse hätte er wohl Freude. Es fällt zunächst wegen seiner orangeroten Balkone auf – ein fröhlicher Farbakzent und eine Abwechslung zu den üblich gewordenen Investorenhäusern, die anthrazitfarben modern und schick sein wollen, aber schlussendlich bloß Tristesse verbreiten. Aber auch sonst ist vieles anders, als wir es von üblichen neuen Lückenfüllern in den Gründerzeitblocks gewohnt sind. Unmittelbare Nachbarin ist an der Hasnerstraße die ehemalige Brotfabrik des „Ersten Wiener Consumverein“, ein damals fortschrittliches und heute denkmalgeschütztes Gebäude von Franz und Hubert Gessner aus den Jahren 1908/09.

Abwärme bleibt im Kreislauf

Technisch wegweisend ist auch das Mietswohnhaus Sulmgasse: Es verfügt über eine hauseigene Solar- und Geothermieanlage. 14 Tiefenbohrungen ermöglichen die Nutzung der Erdwärme, die in Kombination mit einer Wärmepumpe für Heizung und Kühlung sorgt. Durch Rohrleitungen in den Betondecken fließendes Wasser heizt im Winter die Wohnungen, im Sommer erfolgt so die Kühlung. Anders als bei konventionellen Klimageräten, die viel Strom verbrauchen und mit ihrer Abluft die Umgebungsluft erwärmen – also das Symptom, das sie bekämpfen, sogar noch mit verursachen –, bleibt die Abwärme im Kreislauf. Strom kommt von der Fotovoltaikanlage auf dem Dach.

Es reicht nicht, nur den öffentlichen Raum zu transformieren – wie es zum Bespiel einen Block weiter nördlich in der Thaliastraße in den vergangenen Jahren schon geschehen ist. Auch die Art, wie in den hitzebelasteten Gründerzeitvierteln nachverdichtet wird, trägt zur Atmosphäre im öffentlichen Raum und zum Stadtklima bei. Diesbezüglich etwas Richtiges zu tun sei der Anspruch bei der Entwicklung der Liegenschaft an der Ecke zur Sulmgasse gewesen, erklärt Johannes Zeininger.

Der Architekt führt mit seiner Frau Angelika das Atelier Zeininger Architekten. Die beiden sind nicht nur die Planer, sondern mit einem weiteren Miteigentümer aus der Familie auch die Bauherren. Hätten sie es sich leicht gemacht, hätten sie den Block um einen kleinen Innenhof geschlossen, jede Wohnung straßenseitig mit einer kleinen Loggia und hofseitig mit Mini-Balkonen versehen und versucht, mit ein paar Ausnahmegenehmigungen möglichst viel Volumen herauszuschinden, um die vermarktbare Wohnfläche im Dach zu maximieren. Die Zeiningers sind aber keine Spekulanten. Deshalb haben sie Ausnahmen erkämpft, die nicht ihrer Rendite, sondern der Lebensqualität im Haus und im Grätzl dienen.

Fast wie in Barcelona

Sie nutzten das L-förmige Grundstück nicht zu Gänze aus, sondern ließen an der Sulmgasse einen Straßenhof frei. Das hat einen klimatischen Vorteil, weil ein offener Hof nicht so stark überhitzt wie ein geschlossener, ist aber auch aus dem Blickwinkel des Verhältnisses von privatem und öffentlichem Raum ein couragierter Zugang. Der Einschnitt öffnet den engen Gassenraum zur Brotfabrik, die somit weiterhin auch an dieser Seite in Erscheinung treten kann. Die im Erdgeschoß angesiedelten Gewerbeflächen erhalten einen attraktiven Vorbereich abseits des Gehsteigs, an der Grenze zur Brotfabrik entstand eine begrünte Terrasse als Vorfeld zum Gemeinschaftsraum.

An der Straßenecke weichen sie von der Baufluchtlinie zurück, verzichten also auch hier auf verwertbare Fläche und betonen damit das Motiv der im ganzen Stadtquartier verbreiteten abgeschrägten Ecken. Wir kennen sie in stärkerer und konsequenterer Ausprägung aus dem von Ildefons Cerdà geplanten Stadtteil l’Eixample in Barcelona, wo sie der besseren Übersichtlichkeit der Kreuzungen dienen und neuerdings die Entstehung von verkehrsberuhigten Plätzen begünstigen. In Wien werden die schrägen Ecken oft vernachlässigt. Statt klei­ner Loggien und Balkone umfängt die Wohngeschoße eine Balkonlandschaft, die in der Fernwirkung einen räumlichen Akzent in der Straßenflucht erzeugt.

Fixe Trennungen gibt es nicht, nur Zonierungen in Form tieferer Aufenthaltsbereiche und Engstellen, wo Blumentöpfe die Grenze markieren. „Die Architektur erwartet, dass man einander grüßt“, schmunzelt Johannes Zeininger. Das Konzept geht auf, wie Frau J. bestätigt, die sich sehr bewusst für dieses Haus entschieden hat. Auf dem hofseitigen Balkon spüre man auch dann, wenn die Hitze drückend über der Stadt liegt, einen angenehm leichten Durchzug. Man kenne die Nachbarn, könne aber – auch auf dem Balkon – sehr gut für sich sein. Das ist ganz im Sinne der Architekten, die hier kein Dorf in der Stadt schaffen wollten, das zum Miteinander zwingt, sondern ein urbanes Haus, das eine gute Nachbarschaft begünstigt.

Dazu trägt ebenso die Lage der beiden Eingänge im Straßenhof bei. Man „fällt“ nicht unmittelbar auf den Gehsteig, kann verweilen und miteinander plaudern. Eine Bank neben den Briefkästen und das Waschbecken im Foyer sind kleine Investitionen, die das Ankommen zu Hause komfortabel machen und ebenso beiläufige Begegnungen begünstigen. An der Hasnerstraße bietet ein Parklet Aufenthaltsraum für das ganze Grätzl an, mit Wildblumen gestaltete Rabatten tragen zur Biodiversität bei.

Weniger Tiefgaragenplätze als Problem?

Während der Bauzeit gab es eine Novelle der Bauordnung, im Zuge derer die Verpflichtung der Herstellung von Kfz-Stellplätzen bei Neubauten reduziert wurde. Daher entschieden sich die Bauherren, der neuen Gesetzeslage zu folgen, und realisierten sieben Tiefgaragenstellplätze weniger. Der Amtsschimmel sieht das anders, weshalb die Sache derzeit vom Verwaltungsgerichtshof überprüft wird. „Warum darf ich eine Verbesserung nicht aufgreifen?“, fragt Zeininger. Die Garage steht fast leer. Die Gegend ist bestens an den öffentlichen Verkehr angeschlossen.

Nicht nur deshalb ist für die Architekten das Projekt noch nicht abgeschlossen. Sie wollen allen Häusern in der Hasnerstraße einen Garten geben. Noch sind die Alleebäume arg vom ruhenden Verkehr bedrängt, aber Initiativen wie die „Sommeroase“ zwischen Habichergasse und Haymerlegasse zeigen, dass vor Ort ausreichend zivilgesellschaftliches Engagement vorhanden ist, um diesen Traum Wirklichkeit werden zu lassen.

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: Spectrum

Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroomoffice[at]nextroom.at

Tools: