Bauwerk
Salon Stolz, Graz
su.n-spaceunit.network, Architektursalon - Graz (A) - 2023

Senior:innenresidenz in Graz: Im Salon Stolz wird nicht nur geplaudert
Das Dach ist weithin sichtbar, im Museum stehen Infos in Brailleschrift und Liedtexte in Gebärdensprache, es gibt Musikspielereien und Melodien-Memory: Der Salon Stolz im Eingangsbereich einer Grazer Seniorenresidenz spielt alle (Musik-)Stückerln.
18. September 2025 - Sigrid Verhovsek
Unangenehmes wegzuwischen ist keine Errungenschaft des digitalen Zeitalters. Schon immer wurde abgeschoben, ausgesperrt oder ignoriert, was nicht ins selbst optimierte Weltbild passte – auch mittels Stadtgestalt: Öffentlicher Raum ist selten generationengerecht oder barrierefrei, statt einzuladen, wirkt er auf Menschen, die nicht der Norm des superfitten Individuums entsprechen, eher abschreckend. Umso bemerkenswerter ist daher der diesjährige Architekturpreis des Landes Steiermark, der in Kooperation mit dem HdA Graz ausgeschrieben wurde. 2025 wird der Preis an ein sehr kleines Projekt, eher eine Intervention, verliehen: an den Salon Stolz der Büros Architektursalon und Su.n – spaceunit.net.
Inklusive Räume
2019 wurde seitens der Stadt Graz für den Auftraggeber, das Geriatrische Gesundheitszentrum Graz, ein Wettbewerb für Umbau und Erweiterung des Eingangsbereichs der Senior:innenresidenz in der Theodor-Körner-Straße ausgeschrieben. Auf knapp 500 m² Nutzfläche sollte hier nicht nur ein kleines Museum für den 1880 in Graz geborenen Musiker und Komponisten Robert Stolz eingerichtet werden, Teil des Wettbewerbs waren auch die Freiraumgestaltung und die Errichtung eines Musikpavillons.
Die 2023 fertiggestellte Lösung dieser räumlich überschaubaren, aufgrund der Überschneidungen verschiedenster Interessen extrem komplexen Aufgabe ist, wenn auch formschön, so doch keine Hochglanzarchitektur. Das Alleinstellungsmerkmal dieses Ortes erklärt sich vor allem aus dem Umstand, dass die Architekt:innen gemeinsam mit den Museumskuratorinnen der Kindermuseum Graz GmbH, die auch das beliebte Frida & Fred betreuen, Räume geschaffen haben, die kompromisslos inklusiv sind, und mehr noch: eine Raumidee, die wirklich die Kraft hat, verschiedenste Menschen und soziale Gruppen zu verbinden.
1990 war der Umbau des ehemaligen UKH von Architekt Hierzegger zu einem Senior:innenzentrum noch mit einer Geramb-Rose ausgezeichnet worden, aber dem alten, etwas tiefer liegenden und von der Straße kaum wahrnehmbaren Eingangsbereich an der Nordostecke näherte man sich eher ungern. Stattdessen führt nun ein elegantes Vordach direkt von der Straße bzw. der Bim-Haltestelle in gerader Achse via Museum in das Innere einer der größten Senior:innenresidenzen von Graz. Etwa 100 Menschen leben hier, weitere besuchen das Tageszentrum. In Material und Konstruktion dieses Dachs auf schlanken runden Metallstützen könnte man Referenzen an die 1930er-Jahre sehen, an jene Zeit also, in der Robert Stolz in Berlin berühmt wurde. Das auskragende Dach ist weithin sichtbar, der Zugang somit klar markiert.
Unerwartet viel Poesie
Linkerhand findet sich ein Orientierungsplan. Wie bei allen Texten und Beschilderungen des Museums wurde hier nicht nur Braille-, sondern auch Pyramidenschrift benutzt, um sehbehinderten Menschen das Lesen mittels Tastsinns zu ermöglichen. Leise und unaufdringlich hört man erste Musikthemen von Stolz – auf dem Monitor werden die Liedtexte in Gebärdensprache übersetzt, was der zeitgeschuldeten Trivialität unerwartet viel Poesie entlockt.
Experimentierbojen locken auch das jüngere Publikum sanft in Richtung Eingang. Zahlreiche Bänke unter diesem Dach, das je nach Jahreszeit als Schattenspender oder Regenschutz dient, ermöglichen das Beobachten des Straßenraums aus gesicherter Position. Schade, dass die in den Wettbewerbsplakaten noch angedachte Bemalung des angrenzenden Kiosks (noch?) nicht erfolgt ist – die kahle Fassade der Seitenfront bietet keine berückende Perspektive. Dagegen zeugt das charmante Detail, durch eine halbkreisförmige Auslassung des Dachs auch einem alten Baum seinen ihm angestammten Raum zu lassen, von jenem Respekt und von der Rücksichtnahme, die Leitmotiv der gesamten Baumaßnahmen sind.
Durch eine Glasfront betritt man das Foyer des Museums bzw. eine Art vorgelagertes Entree des Senior:innenheims. Ohne verwirrend zu wirken, verweben sich diese Funktionen immer wieder: So führt etwa nach der Sitzecke gleich links der Weg in das Tageszentrum. Diese Vermischung bedeutet auch eine kleine Irritation, an der gut ablesbar ist, wie schnell man verunsichert ist, wenn bereits gewohnte Trennungen verschiedener Sphären in die Grauzone eines gemeinsamen Ortes aufgelöst werden: Ist es Eingang oder Ausgang, ist es Foyer oder Museum? Auf jeden Fall wurde hier auf kleinstem Raum eine Art Gelenk geschaffen, eine Art Drehscheibe.
Eigene Klangräume bauen
Die Bodenmarkierungen im Terrazzo sind wiederum so offenkundig und gleichzeitig ästhetisch gesetzt, dass sie eigentlich eher wie ein Schmuckelement, eine Art Bodenmosaik, anmuten. Museumsinfo und Ticketing finden in einem rechteckigen Holzmöbel Platz, von dem aus alles gut im Blick ist. Höhe sowie vertikale und horizontale Oberlichten verleihen dem Foyer eine großzügige Atmosphäre, die durch eine zweckmäßige, aber nicht beliebige Mischung aus Holz, Stahl und Glas trotzdem nicht kalt oder pompös wirkt. Zur Ausgewogenheit des Raums trägt auch der dem Foyer direkt gegenüberliegende, mit Holzpaneelen gerahmte Bühnenraum bei, dessen Sphäre zusätzlich durch die sich aus dem Außenraum ins Innere getanzten Säulen markiert wird.
Große Glas-Schiebeelemente geben Blick und Weg in den Park frei. In der kalten Jahreszeit als luftiger Wintergarten geschätzt, stehen jetzt, Anfang September, im Park noch Sitzmöbel für die Zuschauer:innen des nächsten Events. Wenn es gerade keine Veranstaltungen gibt, mutiert die Bühne ebenfalls zum Museum: Sieben mobile unterfahrbare Experimentier- und Spieltische stehen für Musikspielereien, zum Bau eigener Klangräume oder für eine Runde Melodien-Memory bereit, die Stimmgabeln sind beinahe unwiderstehlich für Vorbeigehende. Durch diese großzügige Öffnung zum Park wird auch die hohe strenge Fassade des Bestands, der man trotz der hinzugefügten Balkone das ehemalige Spital anmerkt, zumindest an der Basis aufgelöst zu einem offenen Haus, das mehr verspricht als nur Unterkunft.
Im hinteren Bereich erschließen ein kurzer Treppenlauf und ein Lift jene Museumsräume, die sich eigentlich schon im Bestandsgebäude befinden: die „Lebensbühne“, Sanitäreinrichtungen und das Tanztheater. In allen Ausstellungsbereichen finden sich neben der inklusiven Beschriftung überall Monitore für Gebärdensprache und Induktionsschleifen, die die Klangwelten auch in Hörgeräte übertragen. Die in der Vitrine ausgestellten Memorabilia von Stolz – Frack, Ledertasche, Taktstock, Brille – können auch mittels eines eigens gestalteten taktilen Reliefs „ertastet“ werden. Ein aufgrund seiner Symbolwirkung beeindruckender architektonischer Eingriff ist der Fall des alten Metallzauns. Rund um den Park befindet sich auf dem Fundament dieser obsoleten „Einfriedung“ nun eine umlaufende Sitzbank. Diese dient als deutliche Schwelle der Orientierung, aber dennoch wird der bisher abgeschiedene Park nun zu einem Teil des Stadtraums, gehören die dort Spazierenden der urbanen Welt an, die sie umgibt.
Inklusive Räume
2019 wurde seitens der Stadt Graz für den Auftraggeber, das Geriatrische Gesundheitszentrum Graz, ein Wettbewerb für Umbau und Erweiterung des Eingangsbereichs der Senior:innenresidenz in der Theodor-Körner-Straße ausgeschrieben. Auf knapp 500 m² Nutzfläche sollte hier nicht nur ein kleines Museum für den 1880 in Graz geborenen Musiker und Komponisten Robert Stolz eingerichtet werden, Teil des Wettbewerbs waren auch die Freiraumgestaltung und die Errichtung eines Musikpavillons.
Die 2023 fertiggestellte Lösung dieser räumlich überschaubaren, aufgrund der Überschneidungen verschiedenster Interessen extrem komplexen Aufgabe ist, wenn auch formschön, so doch keine Hochglanzarchitektur. Das Alleinstellungsmerkmal dieses Ortes erklärt sich vor allem aus dem Umstand, dass die Architekt:innen gemeinsam mit den Museumskuratorinnen der Kindermuseum Graz GmbH, die auch das beliebte Frida & Fred betreuen, Räume geschaffen haben, die kompromisslos inklusiv sind, und mehr noch: eine Raumidee, die wirklich die Kraft hat, verschiedenste Menschen und soziale Gruppen zu verbinden.
1990 war der Umbau des ehemaligen UKH von Architekt Hierzegger zu einem Senior:innenzentrum noch mit einer Geramb-Rose ausgezeichnet worden, aber dem alten, etwas tiefer liegenden und von der Straße kaum wahrnehmbaren Eingangsbereich an der Nordostecke näherte man sich eher ungern. Stattdessen führt nun ein elegantes Vordach direkt von der Straße bzw. der Bim-Haltestelle in gerader Achse via Museum in das Innere einer der größten Senior:innenresidenzen von Graz. Etwa 100 Menschen leben hier, weitere besuchen das Tageszentrum. In Material und Konstruktion dieses Dachs auf schlanken runden Metallstützen könnte man Referenzen an die 1930er-Jahre sehen, an jene Zeit also, in der Robert Stolz in Berlin berühmt wurde. Das auskragende Dach ist weithin sichtbar, der Zugang somit klar markiert.
Unerwartet viel Poesie
Linkerhand findet sich ein Orientierungsplan. Wie bei allen Texten und Beschilderungen des Museums wurde hier nicht nur Braille-, sondern auch Pyramidenschrift benutzt, um sehbehinderten Menschen das Lesen mittels Tastsinns zu ermöglichen. Leise und unaufdringlich hört man erste Musikthemen von Stolz – auf dem Monitor werden die Liedtexte in Gebärdensprache übersetzt, was der zeitgeschuldeten Trivialität unerwartet viel Poesie entlockt.
Experimentierbojen locken auch das jüngere Publikum sanft in Richtung Eingang. Zahlreiche Bänke unter diesem Dach, das je nach Jahreszeit als Schattenspender oder Regenschutz dient, ermöglichen das Beobachten des Straßenraums aus gesicherter Position. Schade, dass die in den Wettbewerbsplakaten noch angedachte Bemalung des angrenzenden Kiosks (noch?) nicht erfolgt ist – die kahle Fassade der Seitenfront bietet keine berückende Perspektive. Dagegen zeugt das charmante Detail, durch eine halbkreisförmige Auslassung des Dachs auch einem alten Baum seinen ihm angestammten Raum zu lassen, von jenem Respekt und von der Rücksichtnahme, die Leitmotiv der gesamten Baumaßnahmen sind.
Durch eine Glasfront betritt man das Foyer des Museums bzw. eine Art vorgelagertes Entree des Senior:innenheims. Ohne verwirrend zu wirken, verweben sich diese Funktionen immer wieder: So führt etwa nach der Sitzecke gleich links der Weg in das Tageszentrum. Diese Vermischung bedeutet auch eine kleine Irritation, an der gut ablesbar ist, wie schnell man verunsichert ist, wenn bereits gewohnte Trennungen verschiedener Sphären in die Grauzone eines gemeinsamen Ortes aufgelöst werden: Ist es Eingang oder Ausgang, ist es Foyer oder Museum? Auf jeden Fall wurde hier auf kleinstem Raum eine Art Gelenk geschaffen, eine Art Drehscheibe.
Eigene Klangräume bauen
Die Bodenmarkierungen im Terrazzo sind wiederum so offenkundig und gleichzeitig ästhetisch gesetzt, dass sie eigentlich eher wie ein Schmuckelement, eine Art Bodenmosaik, anmuten. Museumsinfo und Ticketing finden in einem rechteckigen Holzmöbel Platz, von dem aus alles gut im Blick ist. Höhe sowie vertikale und horizontale Oberlichten verleihen dem Foyer eine großzügige Atmosphäre, die durch eine zweckmäßige, aber nicht beliebige Mischung aus Holz, Stahl und Glas trotzdem nicht kalt oder pompös wirkt. Zur Ausgewogenheit des Raums trägt auch der dem Foyer direkt gegenüberliegende, mit Holzpaneelen gerahmte Bühnenraum bei, dessen Sphäre zusätzlich durch die sich aus dem Außenraum ins Innere getanzten Säulen markiert wird.
Große Glas-Schiebeelemente geben Blick und Weg in den Park frei. In der kalten Jahreszeit als luftiger Wintergarten geschätzt, stehen jetzt, Anfang September, im Park noch Sitzmöbel für die Zuschauer:innen des nächsten Events. Wenn es gerade keine Veranstaltungen gibt, mutiert die Bühne ebenfalls zum Museum: Sieben mobile unterfahrbare Experimentier- und Spieltische stehen für Musikspielereien, zum Bau eigener Klangräume oder für eine Runde Melodien-Memory bereit, die Stimmgabeln sind beinahe unwiderstehlich für Vorbeigehende. Durch diese großzügige Öffnung zum Park wird auch die hohe strenge Fassade des Bestands, der man trotz der hinzugefügten Balkone das ehemalige Spital anmerkt, zumindest an der Basis aufgelöst zu einem offenen Haus, das mehr verspricht als nur Unterkunft.
Im hinteren Bereich erschließen ein kurzer Treppenlauf und ein Lift jene Museumsräume, die sich eigentlich schon im Bestandsgebäude befinden: die „Lebensbühne“, Sanitäreinrichtungen und das Tanztheater. In allen Ausstellungsbereichen finden sich neben der inklusiven Beschriftung überall Monitore für Gebärdensprache und Induktionsschleifen, die die Klangwelten auch in Hörgeräte übertragen. Die in der Vitrine ausgestellten Memorabilia von Stolz – Frack, Ledertasche, Taktstock, Brille – können auch mittels eines eigens gestalteten taktilen Reliefs „ertastet“ werden. Ein aufgrund seiner Symbolwirkung beeindruckender architektonischer Eingriff ist der Fall des alten Metallzauns. Rund um den Park befindet sich auf dem Fundament dieser obsoleten „Einfriedung“ nun eine umlaufende Sitzbank. Diese dient als deutliche Schwelle der Orientierung, aber dennoch wird der bisher abgeschiedene Park nun zu einem Teil des Stadtraums, gehören die dort Spazierenden der urbanen Welt an, die sie umgibt.
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