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Insolvenzmasse mit Sprezzatura

Mit dem Waltherpark in Bozen wurde ein umstrittenes Signa-Projekt nach Übernahme durch einen deutschen Investor vorige Woche eröffnet. Architekt David Chipperfield bemühte sich, Shoppingmall und Stadt zu versöhnen. Doch nicht alle sind damit glücklich.
25. Oktober 2025 - Maik Novotny
Name und Konterfei von Hedi Lamarr sind vom Baustellenzaun auf der Wiener Mariahilfer Straße verschwunden, der noch taufrische Stahlbeton des Kaufhauses, das nun kein Kaufhaus werden wird, wird zu Schrott. In vielen Städten steht man derzeit vor ruinösen Signa-Hinterlassenschaften in Bestlage. Manche dürften dieser Tage neidisch nach Südtirol schauen. Denn in Bozen wurde vorige Woche der als Signa-Prestigeprojekt gestartete Waltherpark nach zehnjähriger Planungs- und Bauzeit tatsächlich eröffnet. In perfektem Timing exakt zur gleichen Zeit, als Benko in Innsbruck (nicht rechtskräftig) verurteilt wurde.
Endpunkt hinter dem Brenner
Seine steile Karriere, die just dort mit dem Kaufhaus Tyrol, entworfen vom britischen Architekten David Chipperfield, begann, findet nun ihren Schlusspunkt auf der anderen Seite des Brenners mit einem ebenfalls von David Chipperfield entworfenen Kaufhaus. Im April 2024 hatte die in München ansässige Schoeller Group das Projekt aus der Signa-Insolvenzmasse übernommen und es mit großem Kraftakt über die Ziellinie gewuchtet.
Das Ende dieses Baustellenzustandes hat zu Aufatmen in Bozen geführt. Doch unumstritten war das Projekt auf dem Areal des ehemaligen Busbahnhofs nie. Es liegt als massiver Baublock, fast so groß wie die mittelalterliche Altstadt, zwischen Bahnhof und Zentrum. Einen Teil des dortigen Parks hat es sich einverleibt. An dessen Stelle lädt das Portal der Shoppingmall nun die Passanten dazu ein, den Weg zu den historischen „Lauben“ mit ihren von alteingesessenen Familien geführten Läden nicht durch die Straßen zu nehmen, sondern vorbei an Starbucks und Foot Locker im Inneren. Büros, Hotel und 110 servicierte Wohnungen sitzen auf dem Dach der Mall.
Unverdaulicher Brocken
Dass eine Shoppingmall per se einen recht unverdaulichen Brocken darstellt, der architektonisch schwer in den Griff zu bekommen ist, war auch Chipperfield bewusst. Er hat sein Bestes getan, den Koloss in kleinere Stücke zu teilen, ohne dass er in Beliebigkeit zerfällt. „Es ist weniger ein großes Gebäude als ein Stück Stadt“, sagt er, während er von der Waltherpark-Dachterrasse sinnierend auf die Bozner Bergkulisse schaut. „Es war für uns eine große Verantwortung, kein rein kommerzielles Projekt entstehen zu lassen, sondern eines, in dem Handel, Architektur und Urbanismus ausbalanciert sind. Jede Straßenfront geht auf ihr jeweiliges Gegenüber ein. Ich hoffe, dass wir damit über die Jahre die Lebensqualität Bozens verbessern.“
Da die Architekten auf die während der langwierigen Planung immer wieder veränderte Verteilung der Nutzungen im Inneren kaum Einfluss hatten, konzentrierte man sich umso mehr auf die Fassade. „Wir haben das Gebäude nicht von innen, sondern von außen entworfen“, erklärt Ivan Dimitrov, Partner und Entwerfer im Berliner Chipperfield-Büro. „Die Fassade soll kein Fremdkörper sein, sondern die verschiedenen Nutzungen dahinter zusammenfassen und Leichtigkeit ausstrahlen.“
Eigentlich geil
Dies ist ihnen gelungen. Vor allem dank der cremefarbenen, zarten, kannelierten Säulen, die im 4,20-Meter-Abstand vor den messinggolden gerahmten Glasfronten stehen und dazwischen viel Luft lassen. Eine italienische Sprezzatura, die an die Leichtigkeit der 1950er-Jahre erinnert, anstatt der tonnenschweren Tektonik, die einigen anderen Chipperfield-Bauten zu eigen ist. Prosaischer ausgedrückt, wurden hier über 50.000 Quadratmeter lukrative Nutzfläche in ein freundliches Tarngewand gehüllt, das „Stadt“ spielt.
Der ebenfalls zur Eröffnung angereiste Christoph Schoeller, CEO der Schoeller Group, war bei der Eröffnung voller Freude über das Ergebnis: „Bozen hat durch den Waltherpark und seinen Architekten eine neue europäische Internationalität bekommen.“ Das suggeriert, dass Bozen bis zur Eröffnung eines XL-Einkaufszentrums provinziell gewesen sei. Ein rhetorischer Trick, der nicht neu ist, denn mit dem Argument, in Bozen passiere nichts, hatten das Signa-Marketing und die Projekt-Befürworter schon 2015 René Benko als rettenden „benefattore“ inszeniert.
Einer, der damals mit dem frechen Satz „Ich finde Bozen eigentlich ganz geil“ widersprach, ist der Südtiroler Architekt Thomas Huck, der im Waltherpark-Projekt von Beginn an einen Problemfall sah und gemeinsam mit anderen Mitstreiterinnen und Mitstreitern eine Plattform gründete. „Unsere Kritik richtete sich weniger gegen die Signa als gegen die konzeptlose Stadtplanung der Behörden, die von der Dimension des Projektes komplett überfordert waren und dem Investor nichts entgegensetzten“, sagt er rückblickend.
„Eine Shoppingmall ist an dieser Stelle völlig falsch, da sie Kaufkraft vom Zentrum abzieht und der von der Gemeinde finanzierte Zufahrtstunnel in die Tiefgarage der Mall noch mehr Autoverkehr anzieht“, sagt die Bozner Architektin Margot Wittig, ebenfalls von Beginn an Kritikerin des Projekts. „Auch die Ortskerne der umliegenden Dörfer, die jetzt schon am Geschäftssterben leiden, werden nun endgültig veröden.“ Eine bessere Alternative sieht sie in einer polyzentrischen Stadt aus lebendigen Quartieren.
Hatte die Signa selbst den alteingesessenen „Laubenkönigen“ des Bozner Einzelhandels anfangs noch den Kampf angesagt (und sie dann mit sechsstelligen Ausgleichszahlungen besänftigt), schlägt der Neu-Eigentümer versöhnliche Töne an. „Ich verstehe die Befürchtungen“, sagt Christoph Schoeller. „Aber ich sehe das Angebot nicht als Konkurrenz, sondern als Ergänzung, denn es kommen neue Marken nach Bozen, die hier noch nicht vertreten sind.“
Versöhnliche Töne
Das mag sein, doch es bleibt die Frage, ob beim Geben und Nehmen zwischen Stadt und Investor unter dem Strich eine Null steht. Das Argument, der verschwundene Park sei durch einen Dachgarten auf der Mall vollwertig ersetzt worden, überzeugt nicht. Und auch die Verlegung der Bushaltestelle weg vom Bahnhofsvorplatz ans andere Ende der Mall deutet darauf hin, dass die eine Seite ein größeres Plus verzeichnet als die andere. Bleibt zu hoffen, dass der große Brocken bei aller Fertigstellungsfreude langfristig nicht doch eine Altlast wird.
Endpunkt hinter dem Brenner
Seine steile Karriere, die just dort mit dem Kaufhaus Tyrol, entworfen vom britischen Architekten David Chipperfield, begann, findet nun ihren Schlusspunkt auf der anderen Seite des Brenners mit einem ebenfalls von David Chipperfield entworfenen Kaufhaus. Im April 2024 hatte die in München ansässige Schoeller Group das Projekt aus der Signa-Insolvenzmasse übernommen und es mit großem Kraftakt über die Ziellinie gewuchtet.
Das Ende dieses Baustellenzustandes hat zu Aufatmen in Bozen geführt. Doch unumstritten war das Projekt auf dem Areal des ehemaligen Busbahnhofs nie. Es liegt als massiver Baublock, fast so groß wie die mittelalterliche Altstadt, zwischen Bahnhof und Zentrum. Einen Teil des dortigen Parks hat es sich einverleibt. An dessen Stelle lädt das Portal der Shoppingmall nun die Passanten dazu ein, den Weg zu den historischen „Lauben“ mit ihren von alteingesessenen Familien geführten Läden nicht durch die Straßen zu nehmen, sondern vorbei an Starbucks und Foot Locker im Inneren. Büros, Hotel und 110 servicierte Wohnungen sitzen auf dem Dach der Mall.
Unverdaulicher Brocken
Dass eine Shoppingmall per se einen recht unverdaulichen Brocken darstellt, der architektonisch schwer in den Griff zu bekommen ist, war auch Chipperfield bewusst. Er hat sein Bestes getan, den Koloss in kleinere Stücke zu teilen, ohne dass er in Beliebigkeit zerfällt. „Es ist weniger ein großes Gebäude als ein Stück Stadt“, sagt er, während er von der Waltherpark-Dachterrasse sinnierend auf die Bozner Bergkulisse schaut. „Es war für uns eine große Verantwortung, kein rein kommerzielles Projekt entstehen zu lassen, sondern eines, in dem Handel, Architektur und Urbanismus ausbalanciert sind. Jede Straßenfront geht auf ihr jeweiliges Gegenüber ein. Ich hoffe, dass wir damit über die Jahre die Lebensqualität Bozens verbessern.“
Da die Architekten auf die während der langwierigen Planung immer wieder veränderte Verteilung der Nutzungen im Inneren kaum Einfluss hatten, konzentrierte man sich umso mehr auf die Fassade. „Wir haben das Gebäude nicht von innen, sondern von außen entworfen“, erklärt Ivan Dimitrov, Partner und Entwerfer im Berliner Chipperfield-Büro. „Die Fassade soll kein Fremdkörper sein, sondern die verschiedenen Nutzungen dahinter zusammenfassen und Leichtigkeit ausstrahlen.“
Eigentlich geil
Dies ist ihnen gelungen. Vor allem dank der cremefarbenen, zarten, kannelierten Säulen, die im 4,20-Meter-Abstand vor den messinggolden gerahmten Glasfronten stehen und dazwischen viel Luft lassen. Eine italienische Sprezzatura, die an die Leichtigkeit der 1950er-Jahre erinnert, anstatt der tonnenschweren Tektonik, die einigen anderen Chipperfield-Bauten zu eigen ist. Prosaischer ausgedrückt, wurden hier über 50.000 Quadratmeter lukrative Nutzfläche in ein freundliches Tarngewand gehüllt, das „Stadt“ spielt.
Der ebenfalls zur Eröffnung angereiste Christoph Schoeller, CEO der Schoeller Group, war bei der Eröffnung voller Freude über das Ergebnis: „Bozen hat durch den Waltherpark und seinen Architekten eine neue europäische Internationalität bekommen.“ Das suggeriert, dass Bozen bis zur Eröffnung eines XL-Einkaufszentrums provinziell gewesen sei. Ein rhetorischer Trick, der nicht neu ist, denn mit dem Argument, in Bozen passiere nichts, hatten das Signa-Marketing und die Projekt-Befürworter schon 2015 René Benko als rettenden „benefattore“ inszeniert.
Einer, der damals mit dem frechen Satz „Ich finde Bozen eigentlich ganz geil“ widersprach, ist der Südtiroler Architekt Thomas Huck, der im Waltherpark-Projekt von Beginn an einen Problemfall sah und gemeinsam mit anderen Mitstreiterinnen und Mitstreitern eine Plattform gründete. „Unsere Kritik richtete sich weniger gegen die Signa als gegen die konzeptlose Stadtplanung der Behörden, die von der Dimension des Projektes komplett überfordert waren und dem Investor nichts entgegensetzten“, sagt er rückblickend.
„Eine Shoppingmall ist an dieser Stelle völlig falsch, da sie Kaufkraft vom Zentrum abzieht und der von der Gemeinde finanzierte Zufahrtstunnel in die Tiefgarage der Mall noch mehr Autoverkehr anzieht“, sagt die Bozner Architektin Margot Wittig, ebenfalls von Beginn an Kritikerin des Projekts. „Auch die Ortskerne der umliegenden Dörfer, die jetzt schon am Geschäftssterben leiden, werden nun endgültig veröden.“ Eine bessere Alternative sieht sie in einer polyzentrischen Stadt aus lebendigen Quartieren.
Hatte die Signa selbst den alteingesessenen „Laubenkönigen“ des Bozner Einzelhandels anfangs noch den Kampf angesagt (und sie dann mit sechsstelligen Ausgleichszahlungen besänftigt), schlägt der Neu-Eigentümer versöhnliche Töne an. „Ich verstehe die Befürchtungen“, sagt Christoph Schoeller. „Aber ich sehe das Angebot nicht als Konkurrenz, sondern als Ergänzung, denn es kommen neue Marken nach Bozen, die hier noch nicht vertreten sind.“
Versöhnliche Töne
Das mag sein, doch es bleibt die Frage, ob beim Geben und Nehmen zwischen Stadt und Investor unter dem Strich eine Null steht. Das Argument, der verschwundene Park sei durch einen Dachgarten auf der Mall vollwertig ersetzt worden, überzeugt nicht. Und auch die Verlegung der Bushaltestelle weg vom Bahnhofsvorplatz ans andere Ende der Mall deutet darauf hin, dass die eine Seite ein größeres Plus verzeichnet als die andere. Bleibt zu hoffen, dass der große Brocken bei aller Fertigstellungsfreude langfristig nicht doch eine Altlast wird.
Für den Beitrag verantwortlich: Der Standard
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