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Es muss nicht immer das Einfamilienhaus sein

Zwei Wohnanlagen führen vor, wie man klimagerecht baut und gemeinsame Plätze für alle schafft – einmal an der Peripherie in Wien-Donaustadt, einmal im Speckgürtel im niederösterreichischen Gablitz.
21. Oktober 2025 - Franziska Leeb
Oft hat man den Eindruck, die Anforderungen an den Wohnbau sind im Spannungsfeld von Kostendruck, Komfortansprüchen, wünschenswerter Nutzungsvielfalt sowie den Ansprüchen, die mit der notwendigen Dekarbonisierung des Bauwesens einhergehen, so groß geworden, dass ebenso Wesentliches vergessen wird: die Aufenthaltsqualität in einem Quartier. Wie schaffen wir eine Mitte? Wie gelingen Plätze, die diesen Namen auch verdienen, auf denen man sich gern aufhält und einander trifft? Diese Fragen sind ein Dauerbrenner in der Siedlungsentwicklung, und es bleibt ein Rätsel, warum sie selten städtebaulich und architektonisch gut gelöst werden.
Begeben wir uns zunächst an den östlichen Stadtrand von Wien, wo gebaut wird, dass man mit dem Anschauen kaum nachkommt. Es ist eine Gegend, die sich weder als Land noch als Stadt anfühlt, und wo deutlich wird, dass eine dichte Bebauung nicht zwangsläufig Urbanität erzeugt. Orte, an denen man zwischendurch verweilen möchte (die Betonung liegt auf möchte) sind rar – egal, ob in den Einfamilienhaussiedlungen oder zwischen den neuen großvolumigen Bauten an der Berresgasse.
Effektives Energiemanagement
Sehr gut gelungen ist das hingegen beim Campo Breitenlee der Bauträger ÖVW und Wiener Heim zwischen Podhagskygasse und Pfalzgasse. Geplant wurde die Anlage von Synn Architekten und Treberspurg und Partner. Es gibt 325 geförderte Wohnungen in Miete und Eigentum, kostengünstige Wohnungen speziell für Alleinerziehende und Housing-First-Wohnungen, mit denen ehemals wohnungslose Menschen wieder in eigene vier Wände kommen. Weiters einen Kindergarten, eine Arztpraxis und kleine Gewerbeeinheiten, Urban Gardening, Spielplätze, einen riesigen Gemeinschaftsraum, eine Werkstatt und ein ökologisches Vorzeigeprojekt – das volle Programm also.
Das Büro Treberspurg & Partner beschäftigt sich seit Langem mit klimarelevanter Forschungs- und Entwicklungsarbeit. Beim Campo Breitenlee konnte eine bei einem Zweifamilienhaus in Purkersdorf erforschte innovative Technologie in großem Maßstab umgesetzt werden. Die Anlage wird zu 100 Prozent mit erneuerbarer Energie aus Erdwärme und Fotovoltaik versorgt. Geheizt und gekühlt wird mittels Bauteilaktivierung, also wasserführenden Rohrleitungen in den Decken, die hier – das ist das Innovative – unter Berücksichtigung der Wetterprognose vorausschauend geregelt wird. Das sorgt nicht für die stets passende Innentemperatur, sondern ermöglicht auch ein effektives Energiemanagement.
Zeit, sich städtebaulich in den Entwurf zu vertiefen, blieb dennoch. Um zum einen zwischen Stadt und Land zu vermitteln und zum anderen gute klimatische Konditionen zu schaffen – also gute Durchlüftung, wenig Versiegelung –, entschieden sich die Architekten für Kleinteiligkeit, die insbesondere durch die „Schmetterlinge“ gelang. Das sind Häuser, die aus jeweils über begrünte Brücken oder mit Stiegenhäusern verbundenen Flügeln bestehen. Durch den leichten Versatz entstehen viele Eckwohnungen, die Ausblick und Belichtung in und aus zwei Richtungen haben. Die drei längeren Gebäuderiegel, die das Quartier nach Norden und Osten begrenzen, wurden mit einem Knick versehen, um weniger lang zu erscheinen.
Auf dem zentralen „Campo“, dem großen Hauptplatz mit bühnenartig erhöhter Mitte und dem Beserlpark an der Nordwestecke, der viel attraktiver ist, als sein Name suggeriert, liegen die gemeinschaftlichen und öffentlichen Einrichtungen. Ein grob strukturierter Kammputz signalisiert, hinter welcher Fassade sich ein Gemeinschaftsraum befindet. Von diesen Plätzen führt ein Wegenetz durch das Quartier und in die Nachbarschaft. An geeigneten Stellen weitet es sich, um Platz für Sitzgelegenheiten oder Spielflächen zu machen. Die Landschaftsgestaltung von Carla Lo unterstützt mit der Modellierung der Grünflächen, den Bäumen und der die Vorgärten begleitenden Bepflanzung sehr gut die Charakteristik der verschiedenen Zonen. Die beiden Architekturbüros haben sich zwar die Gebäude aufgeteilt, es ist dennoch ein Ensemble wie aus einem Guss gelungen. Nur an Details wie den Fensterprofilen und Balkongeländern lassen sich Handschriften ausmachen.
Modernes Ortszentrum in Gablitz?
Gleiche Prinzipien in kleinerem Maßstab verfolgte das Büro Treberspurg auch bei einer Wohnanlage in Gablitz. In der Wienerwaldgemeinde fällt es schwer, eine Ortsmitte auszumachen: rasantes Wachstum, zahlreiche Nebenwohnsitze, durchschnitten von der Bundesstraße 1 und rundum viel Grün. Das vor einigen Jahren erarbeitete örtliche Entwicklungskonzept sieht eine Verdichtung entlang der Bundesstraße und die Entwicklung eines modernen Ortszentrums auf einer freien Fläche am Gablitzbach vor, zwischen dem Kloster St. Barbara und der Hauptstraße. Das städtebauliche Konzept stammt von Franz & Sue Architekten: Einander ähnliche Baukörper auf winkelförmigem Grundriss gruppieren sich zu einem Ensemble mit gefassten Plätzen. Vorhandene Achsen und Kanten werden aufgenommen, um den neuen Siedlungskörper gut mit dem bestehenden zu verweben. Ob sich hier wirklich ein „Ortszentrum“ etablieren wird? Schwer zu sagen. Bislang haben nur die Bundesforste Nägel mit Köpfen gemacht, die mittels zweistufigen Generalplaner-Wettbewerbs nach einem hochqualitativen Holzbau mit möglichst viel sichtbarem Holz suchten.
Treberspurg und Partner nahmen das vorgeschlagene städtebauliche Muster von drei winkelförmigen Häusern um einen Platz auf. Die Häuser schmiegen sich so geschmeidig um den fünfeckigen Freiraum mit Spielhügel, dass das rechteckige Grundmodul, das den Baukörpern zugrunde liegt, nicht gleich erkennbar ist. Das Modul ist Voraussetzung für die Wirtschaftlichkeit der Holzbauweise. Durch das paarweise Anordnen der Rechtecke in unterschiedlichen Winkeln gelang es zudem, die Häuser gut an die Grundstücksform anzupassen und wieder viele Eckwohnungen zu erzeugen. Balkone betonen die Enden der Baukörper und reduzieren optisch die Fassadenlänge.
Hier wird ebenfalls mit Erdwärme geheizt und gekühlt, die gesamte Dachfläche ist mit Fotovoltaik belegt. Errichtet aus österreichischem Massivholz mit einem hohen Vorfertigungsgrad, blieb in den Wohnungen und Stiegenhäusern das Holz an Boden, Wand und Decke sichtbar. Gäbe es keine Tiefgarage, wäre die CO2-Bilanz des wohlriechenden Gebäudes negativ. Warum nicht mehr davon? So schafft man im Geschoßwohnbau lebenswerte und ökologische Alternativen zum Einfamilienhaus.
Begeben wir uns zunächst an den östlichen Stadtrand von Wien, wo gebaut wird, dass man mit dem Anschauen kaum nachkommt. Es ist eine Gegend, die sich weder als Land noch als Stadt anfühlt, und wo deutlich wird, dass eine dichte Bebauung nicht zwangsläufig Urbanität erzeugt. Orte, an denen man zwischendurch verweilen möchte (die Betonung liegt auf möchte) sind rar – egal, ob in den Einfamilienhaussiedlungen oder zwischen den neuen großvolumigen Bauten an der Berresgasse.
Effektives Energiemanagement
Sehr gut gelungen ist das hingegen beim Campo Breitenlee der Bauträger ÖVW und Wiener Heim zwischen Podhagskygasse und Pfalzgasse. Geplant wurde die Anlage von Synn Architekten und Treberspurg und Partner. Es gibt 325 geförderte Wohnungen in Miete und Eigentum, kostengünstige Wohnungen speziell für Alleinerziehende und Housing-First-Wohnungen, mit denen ehemals wohnungslose Menschen wieder in eigene vier Wände kommen. Weiters einen Kindergarten, eine Arztpraxis und kleine Gewerbeeinheiten, Urban Gardening, Spielplätze, einen riesigen Gemeinschaftsraum, eine Werkstatt und ein ökologisches Vorzeigeprojekt – das volle Programm also.
Das Büro Treberspurg & Partner beschäftigt sich seit Langem mit klimarelevanter Forschungs- und Entwicklungsarbeit. Beim Campo Breitenlee konnte eine bei einem Zweifamilienhaus in Purkersdorf erforschte innovative Technologie in großem Maßstab umgesetzt werden. Die Anlage wird zu 100 Prozent mit erneuerbarer Energie aus Erdwärme und Fotovoltaik versorgt. Geheizt und gekühlt wird mittels Bauteilaktivierung, also wasserführenden Rohrleitungen in den Decken, die hier – das ist das Innovative – unter Berücksichtigung der Wetterprognose vorausschauend geregelt wird. Das sorgt nicht für die stets passende Innentemperatur, sondern ermöglicht auch ein effektives Energiemanagement.
Zeit, sich städtebaulich in den Entwurf zu vertiefen, blieb dennoch. Um zum einen zwischen Stadt und Land zu vermitteln und zum anderen gute klimatische Konditionen zu schaffen – also gute Durchlüftung, wenig Versiegelung –, entschieden sich die Architekten für Kleinteiligkeit, die insbesondere durch die „Schmetterlinge“ gelang. Das sind Häuser, die aus jeweils über begrünte Brücken oder mit Stiegenhäusern verbundenen Flügeln bestehen. Durch den leichten Versatz entstehen viele Eckwohnungen, die Ausblick und Belichtung in und aus zwei Richtungen haben. Die drei längeren Gebäuderiegel, die das Quartier nach Norden und Osten begrenzen, wurden mit einem Knick versehen, um weniger lang zu erscheinen.
Auf dem zentralen „Campo“, dem großen Hauptplatz mit bühnenartig erhöhter Mitte und dem Beserlpark an der Nordwestecke, der viel attraktiver ist, als sein Name suggeriert, liegen die gemeinschaftlichen und öffentlichen Einrichtungen. Ein grob strukturierter Kammputz signalisiert, hinter welcher Fassade sich ein Gemeinschaftsraum befindet. Von diesen Plätzen führt ein Wegenetz durch das Quartier und in die Nachbarschaft. An geeigneten Stellen weitet es sich, um Platz für Sitzgelegenheiten oder Spielflächen zu machen. Die Landschaftsgestaltung von Carla Lo unterstützt mit der Modellierung der Grünflächen, den Bäumen und der die Vorgärten begleitenden Bepflanzung sehr gut die Charakteristik der verschiedenen Zonen. Die beiden Architekturbüros haben sich zwar die Gebäude aufgeteilt, es ist dennoch ein Ensemble wie aus einem Guss gelungen. Nur an Details wie den Fensterprofilen und Balkongeländern lassen sich Handschriften ausmachen.
Modernes Ortszentrum in Gablitz?
Gleiche Prinzipien in kleinerem Maßstab verfolgte das Büro Treberspurg auch bei einer Wohnanlage in Gablitz. In der Wienerwaldgemeinde fällt es schwer, eine Ortsmitte auszumachen: rasantes Wachstum, zahlreiche Nebenwohnsitze, durchschnitten von der Bundesstraße 1 und rundum viel Grün. Das vor einigen Jahren erarbeitete örtliche Entwicklungskonzept sieht eine Verdichtung entlang der Bundesstraße und die Entwicklung eines modernen Ortszentrums auf einer freien Fläche am Gablitzbach vor, zwischen dem Kloster St. Barbara und der Hauptstraße. Das städtebauliche Konzept stammt von Franz & Sue Architekten: Einander ähnliche Baukörper auf winkelförmigem Grundriss gruppieren sich zu einem Ensemble mit gefassten Plätzen. Vorhandene Achsen und Kanten werden aufgenommen, um den neuen Siedlungskörper gut mit dem bestehenden zu verweben. Ob sich hier wirklich ein „Ortszentrum“ etablieren wird? Schwer zu sagen. Bislang haben nur die Bundesforste Nägel mit Köpfen gemacht, die mittels zweistufigen Generalplaner-Wettbewerbs nach einem hochqualitativen Holzbau mit möglichst viel sichtbarem Holz suchten.
Treberspurg und Partner nahmen das vorgeschlagene städtebauliche Muster von drei winkelförmigen Häusern um einen Platz auf. Die Häuser schmiegen sich so geschmeidig um den fünfeckigen Freiraum mit Spielhügel, dass das rechteckige Grundmodul, das den Baukörpern zugrunde liegt, nicht gleich erkennbar ist. Das Modul ist Voraussetzung für die Wirtschaftlichkeit der Holzbauweise. Durch das paarweise Anordnen der Rechtecke in unterschiedlichen Winkeln gelang es zudem, die Häuser gut an die Grundstücksform anzupassen und wieder viele Eckwohnungen zu erzeugen. Balkone betonen die Enden der Baukörper und reduzieren optisch die Fassadenlänge.
Hier wird ebenfalls mit Erdwärme geheizt und gekühlt, die gesamte Dachfläche ist mit Fotovoltaik belegt. Errichtet aus österreichischem Massivholz mit einem hohen Vorfertigungsgrad, blieb in den Wohnungen und Stiegenhäusern das Holz an Boden, Wand und Decke sichtbar. Gäbe es keine Tiefgarage, wäre die CO2-Bilanz des wohlriechenden Gebäudes negativ. Warum nicht mehr davon? So schafft man im Geschoßwohnbau lebenswerte und ökologische Alternativen zum Einfamilienhaus.
Für den Beitrag verantwortlich: Spectrum
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