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Aus Weiß wird Gold
Der Standard

Der Abriss des Ostflügels und die Pläne Donald Trumps für einen gigantischen Ballsaal machen die Architektur des Weißen Hauses zum Politikum. Die amerikanische ArchitekturkritikerinKate Wagner erklärt, welche Motive dahinterstehen.

15. November 2025 - Kate Wagner
Die Veränderungen begannen ganz unauffällig. Im Jänner 2025 wurde eine Handvoll Fotos veröffentlicht, auf denen der soeben angelobte Präsident Donald Trump im Oval Office saß. Herrschaftlich thronte er hinter dem Tisch, darauf ein ansonsten normales Blatt Papier, auf dem wie ein schwarzes Zelt seine riesige Unterschrift prangte. Das Oval Office selbst befand sich noch in seinem altvertrauten Zustand.

Dann kam der März, in dem ein Bild von Trump mit dem israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu viral ging. Nicht aufgrund des Treffens selbst, sondern aufgrund des Goldes. Denn auf dem Kaminsims stand ein halbes Dutzend Vasen und Trophäen ohne besondere Herkunft und ohne besonderen Zweck. Darunter ausgebreitet jene ziselierten goldenen Medaillons – fast wie Girlanden, aber nur fast –, die Trump seither auf jede denkbare Oberfläche um ihn herum klatscht: über Türrahmen, unter Porträts, und, als neuestes Gimmick, über den Fotografien aller 47 Präsidenten, die an der Rückfassade des Weißen Hauses aufgereiht sind. In schaurig-schnörkeliger goldener Schriftart der Marke „Hochzeitseinladung“ prangen jetzt dort die Worte: „The Walk of Presidents“.

All diese Verzierungen waren technisch legal und im Rahmen des persönlichen Geschmacks des Präsidenten, so schlecht er auch sein mag. Sie standen Trump ebenso zu wie seinen Vorgängern. Das letzte größere bauliche Update war der Balkon im zweiten Stock, den Harry S. Truman 1948 hinzufügte. Doch bauliche Eingriffe ins Weiße Haus sind eine komplexe Angelegenheit. Hier zieht jede architektonische Veränderung schon allein aus Sicherheitsgründen intensive Überlegungen nach sich. Zumindest unter einer normalen Administration.

Das Weiße Haus und sein gesamtes Areal unterstehen nicht dem National Historic Preservation Act von 1966, der das architektonische Erbe unter Schutz stellt, sondern folgen eigenen Richtlinien, die das Committee for the Preservation of the White House festlegt. Vorsitzender dieses Komitees ist der Direktor des National Park Service, weitere Mitglieder werden aus der Bundesverwaltung und aus der Fine Arts Commission rekrutiert, die vom Präsidenten ernannt wird. Ende Oktober wurden alle Mitglieder dieser Kommission von ebendiesem Präsidenten gefeuert.

Alles für die Gala

Als zur gleichen Zeit die Mauern des Ostflügels zertrümmert wurden, war die Architekturwelt schockiert, doch aufmerksame politische Beobachter waren weniger überrascht. Schon zu Anfang des Jahres hatte Trump seine Pläne für einen Ballsaal mit über 8000 Quadratmetern Fläche präsentiert, ungefähr gleich groß wie das bestehende Haus. Darin sollen Galas und Events veranstaltet werden, denn wenn es nach Trump geht, ist genau dies die wahre Aufgabe der Staatsführung. Seitdem stellte sich heraus, dass Firmen wie Apple und Amazon sowie Rüstungskonzerne wie Booz Allen Hamilton und Northrop Grumman Geld in dieses Projekt investiert haben. Es ist der unverhohlene Versuch, einen staatszentrierten Kapitalismus zu verfestigen.

Auf der Website des Weißen Hauses wurden Renderings veröffentlicht, die eine neoklassizistische Schuhschachtel darstellten – und zwar neoklassizistisch in der schwerfälligen Spielart des mittleren 19. Jahrhunderts. Der Innenraum, umstellt von korinthischen Säulen, wirkt wie ein riesiger vergoldeter Rachen, angefüllt mit sehr vielen Stühlen. Wer genauer hinschaute, konnte eine deutliche Ähnlichkeit zum Winterpalast in Sankt Petersburg erkennen. Ein idealer Rahmen für jene Art neoimperialistischen Kuchen-Essens, die Trump für Diplomatie hält.

Der Architekt des Ballsaals ist ein gewisser James McCrery. Dieser war bislang vor allem in Kreisen der sogenannten Neo-Traditionalisten bekannt, die in den letzten acht Jahren das kulturelle Kapital der Rechten umwarben. Wie viele Rechte bemühen sie sich, ein sehr eng gefasstes traditionelles Wertesystem – weiß, revanchistisch, eurozentrisch – mit dem Slogan „Wir bringen die Schönheit zurück in die Architektur“ reinzuwaschen. Ihre Feinde sind selbstverständlich die Moderne und der ihr zugrundeliegende Humanismus, so technokratisch er auch gewesen sein mag, den sie als seelenlos und feindlich empfinden.

Krieg gegen die Moderne

McCrery hatte vor seinem Großauftrag vor allem Kirchen-Neubauten an der Peripherie entworfen, die verschiedene neo-traditionalistische Varianten durchspielten. Ein bisschen gotisch, ein bisschen englischer Barock, aber stets in amerikanischer Größe und Proportion – also breiter und plumper als ihre Vorbilder. Inzwischen hat er sein Projektarchiv gelöscht, weigert sich, mit der Presse zu sprechen, und ist bis heute nicht mehr in der Öffentlichkeit aufgetaucht. Um McCrery, Trump und die Kommission zu verstehen, muss man in die Vergangenheit schauen. Nicht bis zu Nazi-Architekt Albert Speer, sondern in das Las Vegas der wilden 80er-Jahre, in denen Trump als Developer mit der architektonischen Postmoderne kollidierte, die traditionelle Formen mit neuen Materialien kombinierte.

Damals führte die Ablehnung der Moderne zu bedeutsamen Bauten von Architekten wie Robert Venturi oder Charles Moore. Gleichzeitig aber formierte sich ein antiintellektueller Zirkel, der den Bruch mit der Moderne nicht als Meinungsverschiedenheit ansah, sondern als Krieg. Ihr Ideal von Architektur war eine Disney-Firmenstadt mit hübschen kleinen Dreiecksgiebeln, und manche wie der Luxemburger Leon Krier gingen so weit, bestimmte architektonische Werte unterschiedlichen Personengruppen zuzuordnen.

Um Trump, seinen Ballsaal und diesen Moment in den USA zu verstehen, muss man bedenken, dass sie sich alle auf einer Achse namens Ressentiment bewegen. Sie lehnen die Gegenwart ab und sehnen sich nach einer fiktiven Vergangenheit, an die sich keiner von ihnen erinnern kann. Die neozaristische Architektur, der demolierte Ostflügel, der Maßstab sprengende Neubau: Es geht bei all dem immer um Rache. Eine wild um sich schlagende Wut mit vielen Feinden. Das verweist in eine düstere Zukunft, in der die Entscheidungen nicht demokratisch erfolgen, sondern von Eliten und Konzernen bestimmt werden. In diesem Fall wird die Architektur eines der ersten Warnzeichen gewesen sein.

Kate Wagner ist Architekturkritikerin und schreibt für „The New Republic“, „The Atlantic“, „Architectural Review“ und andere. Bekannt wurde sie mit ihrem Blog „Mc Mansion Hell“. Sie lebt in Chicago.

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