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nextroom fragt: Martin Lesjak
nextroom fragt: Martin Lesjak © Markus Mansi

INNOCAD steht für INterdisziplinary NOn conformist CAring Distinctive. Zahlreiche Awards gab es seit der Gründung, der des „Designer of the Year“ vom Contact Magazine New York war auch ein wichtiger Wegbereiter. Martin Lesjak im Interview mit Martina Pfeifer Steiner.

25. August 2017
In welchen Bürostrukturen arbeiten Sie?

Das Spezielle bei uns ist die multidisziplinäre Ausrichtung im Team. Es gibt eigentlich zwei Unternehmensstrukturen, einerseits das Architekturbüro INNOCAD das sich mit allen Bereichen des Exterieurs und Interieurs, ganz im Sinne des Urbildes eines Architekten, beschäftigt und andererseits das Produkt-Design-Studio 13&9 in dem wir uns Möbeln, Licht-, Sounddesign bis hin zu Kunstinstallationen oder Modeaccessoires widmen. Wir arbeiten sehr kooperativ, im Team ebenso wie mit externen Spezialisten oder Künstlern. INNOCAD gründete ich 1999 mit Peter Schwaiger, drei langjährige Projektleiter haben wir als Partner dazu genommen. Mit meiner Frau Anastasia Su starteten wir 2013 das Designstudio. Aufgrund der Internationalisierung in den letzten Jahren arbeiten wir mit Partnerbüros zusammen, momentan in Dubai, Saudi Arabien und New York.
Die Challenge bei unseren Firmen ist gewiss die Vielfältigkeit, wir haben Kooperation kultiviert, sind dadurch sehr flexibel und können unterschiedlichste Themen relativ schnell erfassen und bearbeiten. Als Herausforderung empfinden wir die Frage, wie man gesund wachsen kann. Relativ zu unserem Tätigkeitsfeld ist das Team mit 17 Leuten klein, wir gehen aber step-by-step voran, damit Überblick und Qualität nicht auf der Strecke bleiben. Auch der Standort ist bezüglich Arbeitsmarkt nicht unbedingt optimal.
Sehr zufrieden sind wir jedoch mit unserem Bürogebäude, dem Golden Nugget, das wir 2005 nahe der Grazer Altstadt neu errichteten. Diese Baulücke war eine der ersten Entwurfsaufgaben in unserem Studium. Damals versprachen wir einander schon, dass wir hier unser Büro realisieren würden. Später stellten wir tatsächlich die Finanzierung auf und haben diesen unrealistischen Studententraum wahr werden lassen.

Was inspiriert Sie?

Die Vielfalt ist für mich Inspiration, das zieht sich im Leben und in meiner Arbeit durch. Neben der Architektur und Designkarriere habe ich aber noch eine professionelle Musikvergangenheit. Unsere Band DOD, die elektronische Musik machte, war national und international gut gebucht, wir waren viel unterwegs. Das kollidierte dann mit dem Architekturbüro. Heute gibt es jedoch wieder einen Bezug zur Musik, denn wir haben auch ein Musikstudio im Golden Nugget. Ein weiterer Interessensschwerpunkt hat mit Sport zu tun. Ich wäre um ein Haar Profi-Fußballer geworden, doch vor dem Transfer in einen Top Club entschied ich mich für das Architekturstudium. Als Inspirationsquelle ist mir gewiss die Kunst sehr nahe, beim Sport besteht die Bereicherung halt darin, was man dabei als Team lernt und die Musik berührt die emotionale Seite.

Was begrenzt die Verwirklichung Ihrer Visionen?

Für Visionen gibt es im Grunde ja keine Limits, in wieweit man sie verwirklichen kann, hängt aber teilweise schon von äußeren Faktoren ab. Ich durfte jedoch in mehreren Bereichen erfahren, dass es schon möglich ist, seine Träume zu leben. Das klingt jetzt etwas pathetisch, aber wenn man es schafft „mit reinem Herzen“ die Energie in die richtige Richtung zu lenken und die Chancen zu erkennen, also authentisch bleibt, dann kann das funktionieren. Ich denke, dass eigentlich jeder diese Glücksmöglichkeiten hat.
Ich hatte zum Beispiel aus verschiedenen persönlichen Gründen immer einen sehr starken Bezug zu New York, einer Stadt, die mich immer inspiriert hat. Wenn ich dort bin, spüre ich ein anderes Energielevel. Und heute stehen wir kurz davor unseren ersten Wohnbau in Brooklyn zu realisieren. Damit bin ich in New York angekommen, es ist eine zweite Heimat geworden. Das war so ein Traum, aus dem Nichts entstanden, der sich sukzessive auf mein ganzes Leben ausgewirkt hat. Die Wahl zum „Designer of the Year 2015“ vom Contract Magazine war dabei sicher förderlich.

Welches Ihrer Projekte möchten Sie hervorheben?

Da gibt es nur eine Antwort: Das ist nicht möglich. Im Prinzip ist es wieder die Vielfalt der Projekte, die ich hervorheben möchte, weil ich persönlich und das ganze Team immer daran wachsen. In dieser Vielfalt der transdisziplinären Aufgaben, vom Gebäude bis zu kleinsten Designteilen wie einem Schmuckstück, können wir extrem viel lernen und uns als Kreative weiterentwickeln. Wir durften und dürfen in dieser Vielfalt arbeiten, weil uns unsere Auftraggeber immer ein großes Maß an Vorschussvertrauen entgegenbrachten. Oft wurden wir zu neuen Aufgaben gerufen, für die wir noch keine Referenzen vorzuweisen hatten. Mittlerweile ist die Liste lang, vom Schulprojekt in Saudi Arabien, dem Stadthaus in Williamsburg über ein sehr schönes Hotelprojekt jetzt in Graz oder Projekte im Lichtdesign, da will ich eigentlich keines hervorheben, aber wir haben auch bei Null angefangen.

Worüber sollten ArchitektInnen reden, einen Diskurs anzetteln?

Wir stellen uns immer wieder die Frage nach der Relevanz. Wir sind in einem Feld tätig, wo wir ja unmittelbar keine Leben retten oder Weltprobleme lösen können. Ich glaube auch nicht, dass diese durch eine Person, eine Organisation oder einen Staat lösbar sind, sondern durch die Entwicklung des Bewusstseins jedes Einzelnen. Und insofern können wir als Kreative schon nach der Relevanz unseres Tun und Schaffens suchen. Durch die Schnelllebigkeit, Digitalisierung, Technologie der heutigen Zeit passiert eine Art Shortcut in der Evolution. Die Menschen können mit Umweltfragen und auch gesellschaftlichen Themen nicht so gut umgehen. Und hier sehe ich durchaus eine Möglichkeit für unser Berufsfeld darauf einzugehen und eine Balance zu finden zwischen virtueller und physisch-materieller Welt sowie dem sozialen Umfeld. Das fängt im Kleinsten an: Bei jedem Möbelstück das wir designen hat es eine Relevanz, was es mit den Ressourcen, mit den Menschen macht, ob wir es überhaupt brauchen. Und bei der Architektur ist das noch offensichtlicher, wir wissen, dass Räume maßgeblich Einfluss nehmen, genauso die geschaffene Materialität. Das fängt beim Städtebau an und hört beim Produktdesign auf.
In dieser Suche nach Relevanz und nach dem “what makes the world the better place“ kann man nur jeden Schritt bewusst setzen und immer wieder fragen, ob das Tun nicht nur dem eigenen Ego sondern auch einer ganzheitlichen Betrachtung standhält.
»nextroom fragt« ist ein neues Format für die in der nextroom Architekturdatenbank vertretenen PlanerInnen und Planer, das Raum für eine übergeordnete Eigenpräsentation schafft. Fünf gleichbleibende Fragen laden ein, Einblicke in den Arbeitsalltag und die Bedingungen für Architektur zu geben - ungeachtet ob aus der Sicht junger oder arrivierter, großer oder kleiner Büros.

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