Beitrag

nextroom fragt: Buchner Bründler Architekten
nextroom fragt: Buchner Bründler Architekten © Basile Bornand

Die Bauten von Daniel Buchner und Andreas Bründler zeichnet der Dialog mit dem Ort aus. Sie reagieren auf den Kontext und erweitern diesen, indem vorhandene Strukturen weitergedacht werden. Die Architektur ist keinem Formalismus verschrieben, da jedes Projekt seine eigene Identität entwickelt. Der Zusammenhalt liegt in der Methode, im Zugang zum Bauen: Dazu gehören konzeptuelle Arbeit am Raumprogramm genauso wie Handwerklichkeit und der bewusste Einsatz von Materialien. Andreas Bründler im Interview mit Martina Pfeifer Steiner.

25. Juni 2018
In welchen Bürostrukturen arbeiten Sie?

Aus der Innensicht heraus denke ich, dass wir in relativ flachen Hierarchien arbeiten und alle, die mit einem Projekt zu tun haben in den Diskurs involvieren. Mein Büropartner und ich sind sehr präsent, wöchentliche Meetings bringen alle Beteiligten auf den gleichen Stand. Seit der Bürogründung vor über 20 Jahren sind wir auf zirka 35 Personen angewachsen, da braucht es organisatorische Strukturen. Wir fördern auch, dass die Leute nach ihren Möglichkeiten und Engagement schnell in eine breite Verantwortung gelangen können, daraus ergibt sich eine Art Empowerment.
Vom Volumen her resultieren unsere Aufträge vor allem aus Wettbewerben. Wir machen jedoch sehr gerne auch kleinere Projekte, die wir komplett bis zur Realisierung übernehmen. Diese haben eine gewisse Strahlkraft innerhalb unseres Büros und sind auch sehr begehrt. Grundsätzlich ist jedes Projekt entweder dem einen oder dem anderen Partner bezüglich Abwicklung und Verantwortung zugeordnet. Wir haben eine hohe Autonomie und der Dialog erfolgt eher über eine supervisorische Ebene, wir unterstützen einander bezüglich wesentlicher Entscheidungen, Fragestellungen, Schwierigkeiten. Beide sind wir aktive Entwerfer mit den jeweiligen Gewichtungen. Im besten Fall kann sich das ideal ergänzen oder aber konkurrieren, sodass Konzeption und Präzision leiden. Deswegen trägt meist einer die Hauptverantwortung und der zweite hat die Aufgabe kritisch zu hinterfragen, andere Themenbereiche zu aktivieren, die mitschwingen und wichtig sind.

Was inspiriert Sie?

Ich sehe hier zwei Kategorien. Zum einen ist es die Inspiration durch Regeneration – sich geistig frei machen, auf andere Gedanken kommen, sich physisch zu betätigen. Auch die Musik ist für mich so eine Quelle der Inspiration, sie zu hören aber auch selber zu musizieren – ich spiele in einer Zwei-Mann-Band. Soziale Beziehungen gehören genauso dazu, Familie, Partnerschaft, Freunde. Meine Kinder sind noch im Vorschulalter und ich nehme mir die Freiheit, den Mittwoch Nachmittag nur für sie zu reservieren. Das Konzept bewährt sich, denn diese physisch-spielerische Auszeit gibt mir viel Energie für die Arbeit. Zudem koche ich gerne, es macht Spaß im Alltag eine Routine zu entwickeln doch genauso zu experimentieren, Kochen ist eine sehr komplexe Tätigkeit. Die Natur als Ort der Kontemplation, mit den Möglichkeiten der sportlichen Bewegung, ist ebenfalls eine ganz wichtige Regenerationsquelle.
Der zweite Aspekt ist die Inspiration durch Wahrnehmung. Ich halte ja den Architekten grundsätzlich für einen Autodidakten. Das Studium ist eine sehr begrenzte Lernzeit. Wie viele Wettbewerbe wir machen müssen, um in neue Gebiete vorzustoßen und uns mit neuen Aufgaben auseinanderzusetzen! Dies ist das eigentliche Lernen und Hineinwachsen in die Themen der Architektur, ein endloses Gebiet. Außerdem sind für mich die Ansätze des Soziologen und Nationalökonomen Lucius Burckhardt (1925-2003) sehr interessant, der in den 1960er-Jahren die Promenadologie – eine Spaziergangwissenschaft – entwickelt hat. Das Spannende daran ist die Anregung Alltagsphänomene zu erkennen, die Zeichen der gebauten Stadt zu lesen und zu verstehen versuchen.
Die Gegenwartskunst spielt für mich ebenfalls eine große Rolle. Es ist inspirierend wie Künstler aus ihrer Wahrnehmung heraus für die Gesellschaft schöpferisch tätig sein können. Ein großer Fundus ist zudem die Architektur, wie sie rezipiert wird, in Büchern und Bildern. Diese Momentaufnahmen können wir sammeln und speichern, als eine Art private Bibliothek, auf die wieder zugegriffen werden kann.

Was begrenzt die Verwirklichung Ihrer Visionen?

Das Fehlen von Großstadtarchitektur löst bei uns eine latente Sehnsucht aus. Wir empfinden es als Einschränkung, dass wir uns nicht bewähren und betätigen können, an den komplexen Ausarbeitungsprozessen für Strukturen in großen Dimensionen. Bei der Weltausstellung in Shanghai 2010 haben wir uns für den Schweizer Pavillon zum Generalthema `Better City Better Life´ mit dem Dialog zwischen Stadt und Land befasst. Es war ein Versuch diese Gleichzeitigkeit als Besonderheit der Schweiz darzustellen, denn von jedem zentralen Ort erreicht man in zehn Minuten die Natur.
Fragwürdig ist auch diese Ambivalenz des Wettbewerbswesens. Im Prinzip werden alle wichtigen, größeren Architekturfragen über Wettbewerbe debattiert und entschieden. Wir begrüßen natürlich, dass die Schweiz ein hochstehendes Wettbewerbswesen kennt, trotzdem ist zu bemerken, dass mitunter nicht die besten Lösungen umgesetzt werden. Das hat auch damit zu tun, wie die Verfahren funktionieren. Sie sind im Grunde beeinflusst von der Suche nach Maximierung bzw. Optimierung der Dienstleistung Architektur und nicht zwingend nach der stärksten Vision. Und wir Architekten wissen das und stehen oft vor der Entscheidung: Will ich jetzt ein architektonisches Statement setzen oder will ich den Wettbewerb gewinnen oder lässt sich beides doch vereinen? Möglicherweise steht man sich mitunter selbst im Weg und ist zu kompromissbereit. Klar, es ist eine Gratwanderung, denn Architektur entwickelt sich doch eigentlich aus der Dienstleistung heraus. Wir sind zweifellos gefordert, die eigene Begrenzung immer wieder durch Hinterfragen zu überwinden.

Welches Ihrer Projekte möchten Sie hervorheben?

Da fällt mir spontan der Garden Tower in Bern ein. Dieser Wohnturm entwickelt sich auf einer polygonalen Grundfläche und mit allseitig auskragenden Balkonplatten in die Höhe. Seine amorphe Form wird zudem durch die partiellen, von Metallbügeln geformten Ausschnitte, die als Nachzeichnung der umgebenden alpinen Gebirgstopografie gelesen werden können, verstärkt. Über ein transparentes Metallnetz wird der Wohnturm begrünt – es entstehen vertikale Gärten, die ein integraler Bestandteil der Fassade und damit der Architektur sind.
Hervorzuheben ist dieses Projekt vor allem im Hinblick auf den Prozess. Vor eineinhalb Jahren konnte das Bauwerk fertiggestellt werden, der Wettbewerb ist jedoch über zehn Jahre her. Damals stellte der Entwurf mit der Thematik des vertikalen Grüns ein Novum dar. Und für uns ist es erstaunlich wie irritierend zugleich, dass dieses Gebäude heute tatsächlich dasteht. Wenn man bedenkt wie viele politische Hürden wir nehmen mussten: Angefangen mit der Begründung für ein Hochhaus an diesem Standort, das Durchlaufen aller Kommissionen bis zur Abstimmung auf kommunaler Ebene, die mit hauchdünnem „Ja“ ausging, und immer mit Jahresschritten dazwischen. Wir wunderten uns eigentlich, dass der Bauherr tatsächlich dran blieb. Interessant ist dabei, dass sich das Gebäude schlussendlich nur unwesentlich veränderte. Der Garden Tower hat nach wie vor eine Sonderposition in unserem Œuvre und stellt ein Zeit-Momentum dar. Wir experimentierten damals viel mit freien Formen und geometrischen polygonalen Systemen. Wir haben mit dem Garden Tower nicht unbedingt einen Prototypen für vertikales Grün entwickelt, aber das Projekt ist ein konzeptueller Ansatz mit eigener Methode und steht als erfreuliches Einzelwerk da.

Worüber sollten ArchitektInnen reden, einen Diskurs anzetteln?

Eine wesentliche Frage ist: Für wen bauen wir die Stadt? Wie kann die Partizipation der Gesellschaft an der Entwicklung unserer Städte funktionieren? Partizipation als Begriff – da kann man alles Mögliche darunter verstehen und tun oder eben nicht tun, es ist ein Weg des Aushandelns. Wohnraum beispielsweise: Entsteht er unter markttreibenden Einflüssen oder nimmt der Staat eine wesentliche Rolle ein, um die Bevölkerungsentwicklung positiv zu beeinflussen? In jedem Fall sollten diese Themen von den ArchitektInnen mitgestaltet und im besten Fall mitgeprägt werden. Der Diskurs über Verdichtung wird heute gewiss geführt, wir müssen dieses Thema jedoch stets neu denken und verhandeln.
Und wir PlanerInnen müssen unser Bewusstsein schärfen für die Grenze zwischen der Realisierung von Architektur und der Belastbarkeit der Umwelt durch Architektur. Im Kontext eines kleinen Landes mit begrenzten ökologischen Ressourcen sollten wir uns auch zurückzuhalten können und sagen: Nein, da macht es keinen Sinn etwas zu bauen. Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter – wir könnten auch aktiv werden und zurückbauen. Jeder Ort an dem gebaut wurde, ist besetzt und unser Denken und Handeln geht immer nur in eine Richtung und nie in die Gegenrichtung. Wir sind nicht imstande Straßen einmal aus dem Straßennetz zu subtrahieren oder ein abgewirtschaftetes Industriegebiet komplett zurück zu bauen. Dies ist selbstverständlich eine Frage des Geldes und der Umverteilung von Kapital, aber wir brauchen eine Gesellschaftspolitik, die im Gegenzug zum Neu-Bauen auch andere Orte wieder der Natur zurückgeben und Freiräume schaffen kann.
»nextroom fragt« ist ein neues Format für die in der nextroom Architekturdatenbank vertretenen PlanerInnen und Planer, das Raum für eine übergeordnete Eigenpräsentation schafft. Fünf gleichbleibende Fragen laden ein, Einblicke in den Arbeitsalltag und die Bedingungen für Architektur zu geben - ungeachtet ob aus der Sicht junger oder arrivierter, großer oder kleiner Büros.

teilen auf