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nextroom fragt: Misa Shibukawa und Raphael Eder
nextroom fragt: Misa Shibukawa und Raphael Eder © Shibukawa Eder Architects

Für innovative Ideen und architektonisches Design steht das japanisch-österreichische Architektenteam SHIBUKAWA EDER Architects. Das Spektrum ihres Œuvres reicht von großmaßstäblichen städtebaulichen Projekten bis zur Inneneinrichtung. Ihre Ideen basieren auf analytischen Prozessen, um komplexe Probleme zu lösen. Indem sie sich auf die Charakteristika der Gegebenheiten konzentrieren, finden sie klare Konzepte. Misa Shibukawa und Raphael Eder im Interview mit Martina Pfeifer Steiner.

26. März 2018
In welchen Bürostrukturen arbeiten Sie?

Wir sind eigentlich ein Familienbetrieb und haben unsere Namen obendrein als Bürobezeichnung genommen. Am Tokyo Institute of Technology in Japan lernten wir uns kennen, kehrten dann nach Europa zurück, arbeiteten in den Niederlanden und prüften alle Optionen, wo wir uns niederlassen könnten. Misa sprach damals kein Wort Deutsch! Es wurde trotzdem Wien. Ich musste noch den Ziviltechniker machen, Misa arbeitete als Assistentin am Institut für Architektur und Entwerfen an der TU, wo wir heute beide als Lehrbeauftragte in der Abteilung Wohn- und Städtebau tätig sind.
Dann probierten wir mal eine Zusammenarbeit aus und beschlossen 2005 das gemeinsame Büro zu gründen. Wir begannen mit kleineren Projekten und nahmen bei zwei, drei Wettbewerben teil. Prompt gewannen wir das BORG Neulengbach in Niederösterreich und setzten es auch um. Das war eine interessante Geschichte: am Tag vor dem Hearing war auch eines für den Umbau des Parlaments. 80 Büros waren dort vertreten und am nächsten Tag in Neulengbach genau vier! Da rechneten wir uns eher gute Chancen aus – und wir haben ja auch gewonnen – nur gaben bei beiden Wettbewerben genau 21 Büros ab.
Die große Challenge für uns ist natürlich die 24-Stunden-Partnerschaft, da muss schon jeder seine Freiräume suchen. Und wenn dann noch ein Kind dazu kommt – da sind wir schon froh, dass wenigstens ein Teil der Familie uns unterstützen kann, der andere ist ja im fernen Japan.
Da wir ein weiteres großes Schulprojekt gewonnen hatten und vor kurzem auch ein städtebaulicher Wettbewerb für die Hrachowina Liegenschaften in Kagran dazu kam, arbeiten wir mit einem Partnerbüro zusammen. Wir teilen uns die Arbeit fair auf. Man muss jedoch eine sorgfältige Kommunikationskultur entwickeln, dann funktioniert es sehr gut.

Was inspiriert Sie?

Im Prinzip inspiriert uns das Leben. Jede Sekunde. Vor allem wenn wir auf Reisen sind. Im vorigen Jahr waren wir z. B. in Israel und haben die Bell Caves im Beit Guvrin National Park entdeckt. Von Menschen geschaffen – ein Natursteinabbau bei dem überdimensionale glockenartige Gewölbe entstanden sind und das vor 2000 Jahren! Und als wir anschließend im Israel-Museum den Schrein des Buches besichtigten, durften wir vermuteten, dass Friedrich Kiesler und Armand Bartos sich bestimmt von diesen beeindruckenden Höhlen haben inspirieren lassen. So einen Raum zu schaffen, ein Traum!
Natürlich fahren wir jedes Jahr nach Japan und da gibt es immer etwas radikal Neues zu finden. Aber auch die traditionellen japanischen Häuser sind inspirierend, mit ihrem hochqualitativen Verschmelzen von Innen- und Außenraum. Das versuchten wir auch beim BORG Neulengbach mit zwei größeren und mehreren kleinen Innenhöfen umzusetzen. Ebenso können die Gegebenheiten eines Grundstücks Inspiration für den Entwurf sein. Bei der Besichtigung dieses Bauplatzes beeindruckte uns das wunderschöne Eisenbahnviadukt, das sich als sehr landschaftsdominierend darstellte. Also teilten wir das Grundstück streifenartig parallel zum Bahndamm ein und konnten damit überzeugen.
Genauso beinhaltete bei der AHS Wien West die städtebauliche, symmetrische Situation der Bestandsgebäude den Ansatz für eine gute Lösung. Kaserne und Reithalle ergaben durch ihre Spiegelung und Proportionen einen sehr schönen Platz. Wir konnten diese erhalten und in eine moderne Schule integrieren.

Was begrenzt die Verwirklichung Ihrer Visionen?

Die Hindernisse sind zugleich immer die Chancen. Vielleicht könnte man sich weniger Einschränkungen beim Budget wünschen - wobei auch Low-cost-Bauten eine sehr interessante Herausforderung sind. Gleichermaßen sind ÖNORMEN unabdingbare Realität. Bei der AHS Wien West setzten wir beispielsweise die ÖNORM1600 für uns sehr zufriedenstellend um: Die Sicherheitsbeklebungen von Glasflächen sind mitunter ein Dilemma. Doch bei dieser Schule haben wir ein Muster entwickelt, das mit dem Fußbodenbelag korrespondiert. In jedem Stockwerk schaffen wir durch verschiedene Farbtöne eine eigene Atmosphäre für Unter- und Oberstufe. Und mit Linoleumfliesen gestalten wir zudem durch Changieren der jeweiligen Farbe ein Muster, das abstrahiert an den Glasflächen wiederzufinden ist.

Welches Ihrer Projekte möchten Sie hervorheben?

Im Prinzip möchten wir gerne ein Projekt das gerade fertig wurde herausstreichen: die AHS Wien West. Aber bei fertigen Projekten ist wie bei Kindern - wenn sie erwachsen sind, muss man sie ziehen lassen, und bei Gebäuden bedeutet das - wenn sie fertig sind, geht man sie nur noch besuchen.
Schulen zu bauen ist wirklich eine schöne Aufgabe und wir dürfen uns als Architektinnen auch der großen Verantwortung bewusst sein die wir haben, wenn wir Räume für die Erziehung unserer Jugend schaffen.

Worüber sollten ArchitektInnen reden, einen Diskurs anzetteln?

Wir finden, dass ArchitektInnen auch in die Politik gehen sollten. Im Parlament müssten wir sitzen! Falls es dort überhaupt PlanerInnen gibt, dann höchstens Baumeister. Wir brauchen genau auf dieser Ebene mehr Bewusstsein für Baukultur. Obwohl jeder Mensch immer und überall mit Architektur konfrontiert ist, wird das Thema in der Öffentlichkeit nicht diskutiert. Architektur müsste auch gesetzlich ausführlicher verankert sein.
Vielleicht muss ein Architekt auch nicht real in die Politik gehen, denn Architektur ist ja mit dem gesamten sozialpolitischen System eng verbunden. Wir sollten uns selbst der gesellschaftlichen Verantwortung bewusst sein, auch wenn es dabei obendrein um sehr viel Geld und Auftragsmöglichkeiten geht.
»nextroom fragt« ist ein neues Format für die in der nextroom Architekturdatenbank vertretenen PlanerInnen und Planer, das Raum für eine übergeordnete Eigenpräsentation schafft. Fünf gleichbleibende Fragen laden ein, Einblicke in den Arbeitsalltag und die Bedingungen für Architektur zu geben - ungeachtet ob aus der Sicht junger oder arrivierter, großer oder kleiner Büros.

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