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nextroom fragt: Adolf Krischanitz
nextroom fragt: Adolf Krischanitz, Pressebild: Elfie Semotan

Architektur ist nicht nur Denken, nicht nur Fühlen, nicht nur Gebrauch, sie ist vielmehr der Aufbau eines Bewusstseins mittels Tun, schreibt Adolf Krischanitz in seinem Buch „Architektur ist der Unterschied zwischen Architektur“. Adolf Krischanitz im Interview mit Martina Pfeifer Steiner.

4. Februar 2019
In welchen Bürostrukturen arbeiten Sie?

Unsere Bürostrukturen in Wien und in Zürich sind einerseits ganz normal und unprätentiös, andererseits doch auch speziell. Ich gehe eigentlich davon aus alle MitarbeiterInnen ernst zu nehmen, in dem Sinn, sie an wichtigen Aufgaben teilhaben zu lassen. Es ist zwar so, dass ich die Vorentwürfe selber mache, aber die Mitarbeiter in den weiteren Entwurfsplanungsvorgang eingebunden sind, um eine Art Dialogsituation zu erzeugen. Das hat den Vorteil, dass diese Teilhabe die MitarbeiterInnen natürlich besser werden lässt und sie sich entsprechend emanzipieren. Dadurch herrscht im Büro ein relativ homogenes Niveau. Unser zweiter Standort in Zürich, an Leuten doppelt so groß wie der Wiener, war wegen des großen Bauprojekts nämlich der „Zürich Versicherung“ notwendig.

Was inspiriert Sie?

Nachdem ich mehrere Jahre Präsident der Wiener Secession war, ist die bildende Kunst ein wichtiger Teil meiner Inspiration geworden. Dazu kommt noch die Zusammenarbeit mit Künstlern und kunstaffinen Menschen die mich durchaus über die Jahre immer wieder beschäftigt hat. Ich habe dann ja auch verschiedene Kunstinstitutionen gebaut wie zum Beispiel das Rietbergmuseum in Zürich gemeinsam mit F. Grazioli oder die Kunsthalle in Wien, die Kunsthalle in Berlin bzw. Warschau als Transfer der Berliner Kunsthalle. All die Kunsthallen waren sehr interessante und wichtige Projekte.
Der Traisenpavillon in St. Pölten – ein temporäres Ausstellungs- und Veranstaltungsgebäude anlässlich der Hauptstadtwerdung von St. Pölten – war eine Art Vorläufer für die Kunsthalle in Wien. Letztere haben wir eigentlich zweimal gebaut – zuerst die große Halle und auf deren Fundamenten dann eine kleinere, die immer noch steht- oder die temporäre Kunsthalle in Berlin am Schlossplatz, wobei diese, nachdem sie mehrere Jahre eingelagert war, wie erwähnt nach Warschau transferiert wurde. Ein überaus interessanter Transfer wobei das Konzept der Kunsthallen grundsätzlich davon ausgeht, dass diese Architektur nicht unbedingt an einem fixen Ort stehen muss.
Des Weiteren habe ich einige kleinere Ausstellungsbauten gemacht wie die Kunsthalle Krems, den Kölnischen Kunstverein als Adaptierung, ein Privatmuseum, ein Aktionismusmuseum am Friedrichshof, den Österreichpavillon zur Frankfurter Buchmesse etc. Nach 31 Jahren hatte ich die Chance die Wiener Secession ein weiteres Mal zu erneuern, ebenso wird es nach sieben Jahren im 21er Haus bestimmte Neubauarbeiten geben.

Was begrenzt die Verwirklichung Ihrer Visionen?

Meine Vision vom architektonischen Raum zielt auf die eines Gesamtklangs, wobei kein Element wichtiger ist als das andere, nicht eine forcierte Konstruktion, nicht polierte technische Installationen, nicht irgendein Materialfetischismus. Es geht also um die Gleichwertigkeit verschiedener Elemente, die als größere immaterielle, aber durchaus resistente Wirkung, im architektonischen Raum als Kontinuum aufgeht, als ein gleichsam alle Sinne erfassendes Strömen. Visionen werden nicht nur durch fehlende, sondern vielmehr durch den Einsatz falscher Mittel begrenzt.

Welches Ihrer Projekte möchten Sie hervorheben?

Dies ist schwer zu sagen, weil immer das aktuell auszuführende Projekt auch das spannendste ist. Da ein im Bau befindliches Projekt meist im Gegensatz zum vorhergegangenen steht, reizt mich die neue Herausforderung. Ein Beispiel ist sogar der nicht harmlose, geschichtsträchtige Habitus der Brückenkopfgebäude der Kunstuniversität in Linz als jene in der Nazizeit begonnene und schließlich in den 50er-Jahren fertiggestellten, unter „böse Bauten“ firmierenden Bauwerke, zwischen Donaubrücke und Hauptplatz. Noch im Projekt des gewonnenen Wettbewerbes 2014 hatte ich je Gebäude zwei Glastürme als Gebäudeverlängerungen nach oben jeweils über den Treppenhäusern geplant. Nach meinem Wettbewerbsgewinn erfolgte ein Einspruch des oberösterreichischen Denkmalamtes. Mit Hilfe des Bundesdenkmalamtes war es schließlich möglich, wenigstens einen Teil der architektonischen Konzeption zu retten. Die Lösung war nun jeweils nur einen mittelhohen Hörsaal über den Treppenhäusern zu positionieren. Überdies veranstalteten wir gemeinsam mit der Kunstuniversität Linz und BIG ART einen internationalen Kunstwettbewerb um schließlich das Siegerprojekt der deutschen Künstlerin Karin Sander auszuloben. Dies sah vor, einen der Transportlifte einige Stockwerke durch das Dach hindurch in den freien Himmel fahren zu lassen.
Zu einem weiteren interessanten Aspekt verhalf uns die Stuhlsammlung von Johannes Spalt. Durch verschiedene Umstände kam diese Sammlung in den Besitz der Kunstuniversität Linz und wir hatten diese nun auch an einen dazu geeigneten Ort angemessen unterzubringen. Die Sammlung war Anlass und Inspiration diesen Ort im Rahmen der Bibliothek entsprechend zu adaptieren. Alles in allem kann nun man sagen, dass ein an sich schwieriges Projekt aus der Zeit des Nationalsozialismus doch noch zu einer kritischen Auseinandersetzung mit dieser Epoche führen kann.

Worüber sollten ArchitektInnen reden, einen Diskurs anzetteln?

Das größte Problem sehe ich darin, dass nachdem zur Zeit auf Singularität abstellt wird, dem städtebaulichen Gedanken viel zu wenig Raum bleibt. Viele Planer sind ausschließlich fixiert auf ihr jeweiliges Einzelprojekt und vernachlässigen sträflich jede darüber hinausgehende städteplanerische Überlegung. Ich plädiere dafür mit wenigen Ausnahmen die Fixation auf die Einzelmaßnahmen zurückzunehmen, um diese erst in zweiter Linie ihr Potential entfalten zu lassen was in der Regel die Gesamtwirkung erhöht, da das gesamte städtebauliche Umfeld gleichsam als Verstärker wirkt.
»nextroom fragt« ist ein neues Format für die in der nextroom Architekturdatenbank vertretenen PlanerInnen und Planer, das Raum für eine übergeordnete Eigenpräsentation schafft. Fünf gleichbleibende Fragen laden ein, Einblicke in den Arbeitsalltag und die Bedingungen für Architektur zu geben - ungeachtet ob aus der Sicht junger oder arrivierter, großer oder kleiner Büros.

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