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nextroom fragt: Elsa Prochazka
nextroom fragt: Elsa Prochazka © Büro Prochazka

Architektur ist nicht Kategorie, sondern Träger für sich stets wiederholende existentielle Fragestellungen. Das Interesse an Funktion, Ökonomie, Form, Material und inhaltlicher Metapher bildet den Vorwand, diese Fragen immer wieder neu zu stellen. Elsa Prochazka im Interview mit Martina Pfeifer Steiner.

30. April 2019
In welchen Bürostrukturen arbeiten Sie?

Das ist insofern interessant, als ich an sehr unterschiedlichen Projekten arbeite. Ich stelle immer wieder neue projektbezogene Teams zusammen. Das ist mir deshalb so wichtig, weil sich damit ein großes Potential an Kompetenz in verschiedenen Bereichen auf gleicher Augenhöhe eröffnet. Und das bewährt sich eigentlich sehr, weil dadurch ein größeres Netzwerk entsteht, so ein unausgesprochener Konsens, ein Wissens- und Anregungspotential. Es sind keine zwei Tage gleich, manchmal gibt es hier tagelange Meetings in großen Gruppen, dann wieder in kleineren oder ich bin unterwegs. Wichtig ist, dass eine gemeinsame Vertrauensbasis entsteht, dass man ungefiltert sprechen und gemeinsam Dinge entwickeln kann. Früher war die Fachplanung näher an den Architekturbüros, heute geht durch die Vereinzelung viel vom gemeinsamen Entwicklungspotential verloren. Ich denke, dass uns die Digitalisierung diese Möglichkeiten neu eröffnet. Es ist viel globaler geworden, vieles kann so vorweggenommen oder ergänzt werden, wobei digitale Kommunikation keineswegs den persönlichen Kontakt zur Gänze ersetzen kann, aber es ist doch eine zeitgemäße Arbeitsweise, die mir sehr gut gefällt.

Was inspiriert Sie?

Ich empfinde es als besonderes Privileg meines Berufes, dass man nur zur Tür rausgehen - oder auch nicht rausgehen - muss, egal was einem entgegenkommt, das inspiriert. Es ist also nichts zu gering oder zu komplex, als dass es nicht die Aufmerksamkeit auf sich ziehen könnte. Das war immer schon so, dass ich sehr interdisziplinär interessiert war . Eigentlich inkludiert das Wort ‚Architektur-machen‘ sowieso alles. Ich habe versucht in der Studienrichtung, die ich in Linz entwickelt habe, diese Kategorisierungen aufzubrechen, die es auf den Kunstuniversitäten gibt mit Architektur, Kunst, Malerei, Film. Die offene Herangehensweise ist wesentlich, denn die Themen verändern sich heute so schnell, dass man sich nicht von Anfang an so festschnüren soll.
Es gibt natürlich den Blick auf die Architektur, durch den digitalen Zugang liegen jetzt auch praktisch täglich die unterschiedlichsten Entwicklungen in der Architektur auf dem Tisch. Irgendwann sagte ich mir, ich schau besser gar keine Architekturzeitschriften mehr an, ich lese nur noch Literatur. Doch es ist natürlich jetzt durch den breiteren Informationszugang schon wieder spannend geworden,
auch wenn diese Momentaufnahmen der Architekturfotografie etwas Verführerisches und eben Medienspezifisches an sich haben, und manchmal Wehmut aufkommt, weil man das Gefühl hat, überall anders ist mehr möglich als in Österreich.
Aber es gibt eben nach wie vor das Interesse an Musik oder an Film, alles Wahrnehmungsdisziplinen. Eigentlich ist die Architektur der Musik sehr verwandt, weil auch sie sequentiell wahrnehmbar ist. Nur ist dieses sequentielle Wahrnehmen von Architektur schwerer vermittelbar, wenn ich an potentielle NutzerInnen und Auftraggeber denke.

Was begrenzt die Verwirklichung Ihrer Visionen?

Da komme ich zurück auf das was ich eingangs zur Teambildung gesagt habe: In der Umsetzung von Projekten nimmt die Isolierung und Spezialisierung der einzelnen Disziplinen zu. Es gibt kaum mehr die Zeit um sich in frühen Phasen der Projektentwicklung auszutauschen. Das unterstützt nicht unbedingt die Entwicklung von Neuem und das Wort Experiment ist überhaupt tabu, weil da fallen allen Beteiligten sofort sämtliche Haftungsprobleme ein, die niemand riskieren will. Um im großen Stil einen Paradigmenwechsel herbeizuführen, kann nicht alles auf immer detailreichere, engere und banalere Ebenen verschoben werden. Es ist schwierig, wenn weder die Zeit noch das Vertrauen vorhanden ist. Dann kriegt man eben ‚more of the same’.

Welches Ihrer Projekte möchten Sie hervorheben?

Die naheliegende Antwort wäre, dass immer das was vor einem liegt, das Wichtigste ist. Es gibt jedoch vieles, was in Projekten einmal auftaucht und mit einer gewissen Allgemeingültigkeit ins nächste Projekt mitgenommen werden kann – in dem Sinn, dass man einen Gedanken weiter vertieft oder weiterstrickt. Da gibt es zum Beispiel den Wettbewerb ‚Kunstplatz Karlsplatz‘, ein Unort in Wien, der irgendwie keine Chance kriegt, sich zu einem zeitgemäßen, weltstädtischen Platz zu entwickeln. Warum das so ist, das sprengt hier den Rahmen, aber es interessiert mich seit vielen Jahren. Ich habe damals Vorschläge entwickelt, die ich jetzt in einem anderen städtebaulichen Entwicklungsgebiet, in einer anderen Stadt weiterdenken kann: nämlich wie man eine optische und gefühlsmäßige Verbindung von Trägerebene auf der man sich bewegt und der unterirdischen Stadt herstellen und besser erlebbar machen kann. Wir haben ein unglaubliches Potential an unterirdischen Räumen, leerstehenden Garagen und was weiß ich noch alles. Es muss doch nicht immer in die grüne Wiese hineingebaut werden. Doch dazu müsste diese Unterwelt auch lebenswerter adaptiert werden.
Dann gibt es noch ein Projekt, bei dem ich drei oder viermal Anlauf nahm: Ein Restgrundstück an der Rechten Wienzeile, Höhe Kettenbrückengasse. Ein Bauherr ist an mich herangetreten dort ein Wohn-und Bürohaus zu entwickeln. Das ist dann an Einsprüchen der Anrainer wegen der Gebäudehöhe gescheitert – dort wo Otto Wagner einst einen Boulevard anlegen wollte und alle Häuser rundum gleich hoch sind ...! Es standen wieder Wahlen an.
Auch ein verlorener Wettbewerb 2004, aber ein wichtiges Projekt: der Marina Tower an der Donau in Wien, bei dem dieser Konnex zwischen Durchlässigkeit zur Flusslandschaft, gleichzeitig eine starke urbane Verdichtung und die Herausforderungen von zeitgemäßen Büroflächen gut funktioniert. Wir entwickelten ein komplexes Fassadensystem, das von innen sehr transparent ist, aber eben nicht spiegelt. Ein ausgeklügeltes Energiedesign, und durch die Form des Baukörpers sind alle Arbeitszonen natürlich belichtet – ich würde das heute wieder so machen.
Und noch ein Wettbewerb, bei dem ich zweite geworden bin – ein Relaunch des Wiener Konzerthauses 1994. Normalerweise sind verlorene Wettbewerbe für mich erledigt, da hänge ich nicht nach. Doch weil ich sehr oft zu Konzerten gehe, werde ich immer wieder daran erinnert. Dass die Adaptierung so provinziell enden musste, das sollte einfach nicht passieren. Die Niveaulage von ‚Wien Modern‘ oder der Musik die dort zelebriert wird, wird durch die damaligen Erneuerungsbemühungen jedenfalls nicht erreicht.

Worüber sollten ArchitektInnen reden, einen Diskurs anzetteln?

Es fängt schon damit an, dass der Diskurs gar nicht eröffnet wird, weil Architektur im öffentlichen Diskurs einfach nicht präsent ist, kein Standing mehr hat. Das ist jetzt eine Momentaufnahme, vielleicht ändert es sich wieder. Denken wir an die ganze Diskussion rund um den Heumarkt in Wien. Kein einziges Mal hörte man eine Stellungnahme des Architekten, der das konzipiert hat. Diskutiert wird auf der Ebene von Politik, Development und dies über die Medien, die ‚Allgemeinstimmung‘ spiegeln und teilweise sehr billig aufbereiten. Das Ganze ist jedoch dermaßen komplex, es lässt sich halt nicht in ein Twitter-Format pressen.
Es ist auch nicht mit Partizipation oder Ähnlichem zu lösen. Da braucht es professionelle Formate und die werden nicht mehr weiterentwickelt. Ich sage das jetzt ohne wehleidig zu sein, aber meine Beobachtung ist: Niemand sagt, dass das Ergebnis des jahrelangen Prozesses ein völlig mittelmäßiges Projekt ist – und das nicht weil es zu hoch ist – das ist symptomatisch!
Ich denke auch, dass intelligente Entwickler, die erkennen, dass mit einer komplex aufgesetzten Projektentwicklung sehr wohl auch ein ökonomischer Mehrwert zu erreichen ist, eigentlich die neuen Verbündeten wären. Hier sehe ich auf allen Ebenen ein Potential, von der Baustelle bis zu den Entscheidungsträgern. Wenn alle diese Leute gut zusammenarbeiten, hat das erfahrungsgemäß eine Auswirkung auf die Ergebnisse. Ich bin optimistisch.
»nextroom fragt« ist ein neues Format für die in der nextroom Architekturdatenbank vertretenen PlanerInnen und Planer, das Raum für eine übergeordnete Eigenpräsentation schafft. Fünf gleichbleibende Fragen laden ein, Einblicke in den Arbeitsalltag und die Bedingungen für Architektur zu geben - ungeachtet ob aus der Sicht junger oder arrivierter, großer oder kleiner Büros.

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