Beitrag

Alexander Hagner – zurückgeben
Alexander Hagner – zurückgeben © Martina Pfeifer Steiner
16. Juni 2020 - Martina Pfeifer Steiner
„Ja, wir haben etwas zu verschenken, aber nicht für den Mistkübel! Wir – mit meiner Büropartnerin Ulrike Schartner – machen keine Wettbewerbe, sondern verschenken lieber unsere Arbeit an Menschen in der Nachbarschaft, die das dringend brauchen. Es gibt aber noch weitere Gründe, warum wir die selbstausbeuterische Auftragsakquise ablehnen: Die wichtigste Phase bei einem Projekt ist der Start, die Diskussion und Entwicklung einer Idee mit dem Gegenüber. Wo gibt es Anknüpfungspunkte? So ein Projekt ist ja keine isolierte Eizelle, da entsteht immer ein Knoten und somit die Frage, wie viele Fäden davon wegführen. Bei unseren Projekten für obdachlose Menschen mit der VinziRast beispielsweise, geht es ums Miteinander, ums Sich-einbringen, dabei bin ich nicht nur Architekt sondern auch Vereinsmitglied. Da muss man nicht anfangen über das Geld zu reden, der Mangel kann nicht mit dem Mangel beantwortet werden. Ich wünsche mir eine andere Gewichtung. Die Bedürfnisse nach Geborgenheit, nach Schönheit sind immer die gleichen. Wenn ich als Architekt antrete ein Zuhause für jemanden zu bauen, der lange auf der Straße gelebt hat, dann muss ich den künftigen Nutzer ernst nehmen, die Werkzeuge müssen noch schärfer sein, denn von der gebauten Hardware hängt Gedeih und Verderb ab. Zuwendung und Wertschätzung muss die Architektur insbesondere für Randgruppen vermitteln. Was dann an Resonanz zurückkommt, kann kein Honorar, kein Architekturpreis aufwiegen.

Bei einem Projekt geht es ja nicht nur um den Grundriss und die Gestaltung, sondern die Bespielung ist entscheidend und was dabei zusammengeführt oder mehrfach belegt werden kann. Für mich ist ein Gebäude erst mal ein Parasit: es nimmt Platz in Anspruch, wirft Schatten und saugt sich fest an Gas, Strom, Abwasser. Das ist sein Grundwesen. Und wenn ich an reine Spekulationsarchitektur denke, dann bleibt es sogar dabei. In der Biologie haben wir gelernt, dass jedes System bei einem zu starken Parasitenbefall eingeht. Vergleichen wir das mit dem Stadtorganismus. Damit ein Bauwerk nicht mehr nimmt, als es zurückgeben kann, müssen wir versuchen dieses Grundparasitäre umzuwandeln und etwas Symbiotisches daraus machen. Denn nur mit Synergien kann so etwas wie ein gutes Stadtgefüge und letztendlich auch Gesellschaft funktionieren.“

Alexander Hagner, geb. 1963, gaupenraub +/-, Wien. Projekte für obdachlose Menschen wie VinziRast – mittendrin, VinziDorf Wien oder VinziRast am Land, das in Mayerling entsteht und den Menschen auf dem Weg in ein selbstbestimmtes Leben wieder ‚Boden unter den Füßen’ gibt, haben nicht nur das Potenzial eines Umschlagsplatzes für Gesellschaft, sondern geben durch ihre Synergien auch noch die monetäre Investition zeitnah zurück.
freilassen – zurückgeben – bewegen, das sind die Impulswörter der ersten Staffel bei »nextroom fragt«. Wie reagieren die auf nextroom vertretenen Architekturschaffenden darauf? Martina Pfeifer Steiner holt die Statements ein.

teilen auf