Beitrag

Begegnung im Erdenhaus-Prototyp – Martin Mackowitz verortet sich
Begegnung im Erdenhaus-Prototyp – Martin Mackowitz verortet sich, Foto: Silvester Kreil
22. März 2022 - Ella Felber, Silvester Kreil
Das erste Wohngebäude mit Stampflehm Fertigteilen ist gerade in Bau. Unterirdisch verbunden mit dem gemeinschaftlichen Baukulturatelier Lehm Ton Erde in Schlins, Vorarlberg, werden in diesem Prototyp einfache Materialien und Bauweisen mit Vorfertigung und ausgeklügelten Details verbunden.

„Wir bauen mit Material, das vor Ort vorhanden ist: Erde aus dem eigenen Aushub, Bäume aus dem Wald, und möglichst ökologisches Material, das man gerne angreift. Der Stampflehm ist hier innenliegend, die tragenden Wände sind durch eine Schilfdämmung und einen dicken Kalkputz vor der Witterung geschützt. Diese Kalkschicht gestalten wir mit viel Experimentierfreude: gerade machen zwei junge Kirchenmaler ein Praktikum bei uns. Gestern Abend haben wir uns beispielsweise über Bier-Lasuren und Casein-Spachtelungen ausgetauscht, alte Rezepte für Farben und Materialien, die sie mitbringen. Wir teilen wiederum unser Wissen über gröbere Baumaterialien. Hier kommen viele Leute mit viel Wissen auf der Baustelle zusammen. Das ist Baukultur, wie sie früher mehr gelebt wurde: Planungsteam und Bautrupp überlappen. Dazwischen gibt es die Architektur, die versucht Dinge aus anderen Blickwinkeln zu betrachten, um auf neue Lösungen zu kommen. Wir haben zum Beispiel selbst Schneehaken gestaltet, aus wiederverwertetem, buntem Glas in einer Kupfer Fassung. Die 360 Tage im Jahr, wo sie nicht im Einsatz sind, schauen sie jetzt zumindest schön aus. Diese Balance zwischen Handwerk und planender Computerarbeit macht irrsinnig viel Spaß. Wir wollen verstehen, wie die Dinge wirklich funktionieren, die Normen selbst ausprobieren, um anders darüber sprechen zu können.

Hier soll ein offenes Haus entstehen, das eine Gesprächsgrundlage bietet, um Dinge zu hinterfragen, oder weiterzuführen. Die Klima-Thematik gibt uns einen Rahmen und bestimmt unsere Arbeits- und Lebensqualität mit. Unsere Generation hat jetzt eine Chance, neue Möglichkeiten des Bauens vorzuschlagen: Sowohl was die Materialien betrifft, wie auch den Eigentumsgedanken zu hinterfragen, und beispielsweise House-sharing zu praktizieren. Das ist kein Einfamilienhaus für meine Familie, sondern eine Einladung mutig zu sein.

Unser Ziel ist leistbar zu bauen. Das Material ist vorhanden, was es teuer macht, sind Lohnkosten und Arbeitsintensität. Wenn man sich die Kostenwahrheit herkömmlicher Baumaterialien ansieht, Herstellung und Entsorgung mitdenkt, würde sich auch eine andere Rechnung ergeben. Wir können diese Art des Bauens also als Wertschöpfung betrachten, die im Land bleibt und gute Arbeitsplätze schafft. Diese Mehrkosten können die Bauleute momentan nicht alleine tragen, Förderungen von politischer Seite helfen da. Wir sehen zudem eine Chance in der Optimierung dieser Prozesse, die wir in Aufträgen von größeren Firmen erproben.

In der Auswahl der Projekte versuchen wir einen radikalen roten Faden zu verfolgen. Das wichtigste in der Architektur ist doch, zur Verbesserung der Lebensqualität beizutragen und Menschen für das Schaffen von gutem Lebensraum zu begeistern. Wenn ich an unser Dorf denke, dann glaube ich, dass es ein schönes kollektives Projekt wäre, gemeinsam ein Gasthaus zu bauen, mit allen, die mithelfen wollen. Ein Traum wäre, hier auch Bauern zu motivieren, gutes Gemüse anzubauen, um das Dorfgasthaus zu versorgen. Menschen aus dem Dorf könnten abwechselnd kochen, und wir alle gemeinsam Mittagessen. Sodass mehrere Generationen Zugang zu unterschiedlichen Materialien und Bauweisen erhalten. Denn wenn wir in Berührung kommen, ändern wir oft auch unsere Haltung.“

Martin Mackowitz ist ein Mitgründer von ERDEN Studio: ein dynamisches Studio, das auf das bestehende Wissen von Martin Rauch, Lehm Ton Erde und dessen Umfeld aufbaut. Gemeinsam mit Architekturschaffenden, Lehmbauern und Handwerker:innen entwickeln sie neue Möglichkeiten des Bauens.
»nextroom fragt« junge Architekt:innen. Sie wählen Orte aus, um dort mit Ella Felber und Silvester Kreil über die Wichtigkeit und Dringlichkeit von Architektur zu sprechen. Warum macht Ihr Architektur? Wie wollt Ihr sie produzieren?

teilen auf