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Gert Widu – Nur bauen, was benötigt wird
Gert Widu – Nur bauen, was benötigt wird, Foto: Gert Widu

Gert Widu arbeitet bei der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) als Projektleiter und Nachhaltigkeitsbeauftragter im Unternehmensbereich Universitäten. Er ist zudem Mitglied im Nachhaltigkeitsboard der BIG. Am Beispiel zweier Bauten für die Universität für Bodenkultur in Wien erklärt er, wo die Reise in Zukunft hingeht. Das Statement fing Anne Isopp ein.

11. Oktober 2022
„Ich habe das Universitätsgebäude TÜWI, das wir für die Universität für Bodenkultur (BOKU) in Wien errichtet haben, als Projektleiter begleiten dürfen. Für uns ist das ein Leuchtturmprojekt im Hinblick auf Nachhaltigkeit.
Das Gebäude ist ÖGNI zertifiziert. Es kommt selten vor, dass man sich schon vor dem Wettbewerb Gedanken zum Thema Zertifizierung machen kann und die daraus resultierenden Maßnahmen als Vorgabe in den Wettbewerb kommen. Allein das Thema Energie haben wir hier vielfältig abgedeckt – mit Geothermie, Solarthermie, Photovoltaik, Wärmepumpen, Wärmerückgewinnung und einer komplexen Steuerung. Aber auch die soziokulturellen Aspekte, die Nutzereinbindung und deren Identifikation mit dem Gebäude, waren für uns ein wichtiges Thema.

Die BIG hat sich 2019 einen Mindeststandard gesetzt, den sie ab 1.1.2020 bei allen Neubauten und größeren Sanierungen umsetzt. Unser Mindeststandard ist der Gebäudestandard von klimaaktiv Silber. Damit sind wir bis zu 20 Prozent nachhaltiger als der OIB-Standard. Für uns war es ein großer Schritt nachzuweisen, dass das bei fast allen unseren Nutzungen möglich ist. Das Thema Energie ist bei der Vielfalt unserer Nutzer – Universitätsgebäude, Schulen, Spezialimmobilien – nicht immer leicht einzuschätzen. Wir versuchen, die benötigte Energie so weit wie möglich am Standort herzustellen, und zwar möglichst aus erneuerbaren Quellen – weg vom zum Beispiel Gas und hin zu einer dezentralen lokalen Energieversorgung. Das beschäftigt uns derzeit sehr intensiv.

Das zweite, was uns im Hinblick auf das Nachhaltigkeitsthema beschäftigt, ist die Errichtung.
Mit der Errichtung von Gebäuden ist immer noch ein sehr hoher CO2 Ausstoß verbunden. Holz ist hier der Baustoff der Zukunft. Holz hat den Vorteil, dass es klimafreundlich ist und eine klimaneutrale Errichtung des Gebäudes muss auf lange Sicht das Ziel sein. Beim Ilse-Wallentin-Haus der BOKU war schon vor dem Wettbewerb klar, dass es in Holz gebaut werden soll. So kann man die besten Ergebnisse erzielen. Für die BOKU ist das Bauen mit Holz inzwischen schon zum Standard geworden. Gerade hier wollen die Nutzerinnen und Nutzer ja in einem nachhaltigen Gebäude arbeiten und studieren.

Für mich persönlich ist das Wichtigste, dass wir tatsächlich das bauen, was benötigt wird, und dass wir nicht an den Menschen vorbei bauen. Ich bin auch Lektor am FH Campus Wien und da geht es genau um den ersten Schritt: Wie kriege ich alle Stakeholder an einen Tisch? Hier bilden die gängigen Zertifizierungssysteme keine Schwerpunkte ab. Das ist ein Prozess, der ganz am Anfang stattfinden muss. Es gibt viele Bürogebäude oder Einkaufszentren, die ein Nachhaltigkeitszertifikat in Platin haben und trotzdem nicht richtig funktionieren. Um das zu vermeiden, muss man sich am Anfang genau überlegen, was wirklich benötigt wird und an welchem Standort es stehen soll.“

Gert Widu ist seit 2016 Mitarbeiter der Bundesimmobiliengesellschaft in Wien. Er ist Teamleiter für das Projektmanagement und Nachhaltigkeitsbeauftragter im Unternehmensbereich Universitäten. Er ist zudem Lektor an der FH Campus Wien im Studiengang Architektur – Green Building und ÖGNI Auditor. Als Absolvent der FH Joanneum (Projektplanung und Baumanagement) hat er knapp 20 Jahre Erfahrung als Projektentwickler und Bauherr im In- und Ausland.
»nextroom fragt« Architekt:innen, Bauherr:innen und Expert:innen. Die Gesprächsreihe zum nachhaltigen Bauen wird konzipiert und betreut von Anne Isopp. Im Gespräch werden unterschiedliche Dimensionen des nachhaltigen Bauens eingefangen, auf konkrete Bauten Bezug genommen und individuelle Sichtweisen abgefragt. Einige der Gespräche sind als Podcast auf morgenbau.at zu hören.

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