Zeitschrift

anthos 2018/01
Schweizer Bauerngärten
anthos 2018/01
zur Zeitschrift: anthos
Herausgeber:in: BSLA

Das Reich der Frau

Wer über Land spaziert und im Vorbeigehen einen Blick über die Zäune wirft, weiss, dass Bauerngärten eine besondere Ausstrahlung haben. Dieser Zauber ist weder abhängig von der Region, der Grösse und Ausgestaltung, noch kann man ihn einfach auf bestimmte Pflanzenarten zurückführen. Das Geheimnis lässt sich eher anhand von Prinzipien lüften, die im Hintergrund wirken – und anhand der Personen, die den Bauerngarten hegen und pflegen: den Bäuerinnen.

23. Februar 2018 - Niklaus von Fischer
Im Vergleich zu anderen Gärten funktioniert ein Bauerngarten in verschiedener Hinsicht ganz anders: Er ist zweigeteilt. Innerhalb des Gartenzauns befindet sich der «Garten im engeren Sinne». Er ist ein ausgezeichnetes Stück Land an möglichst günstiger Stelle mit einem Boden, der bereits seit Generationen bearbeitet und gepflegt wird. In diesem Garten haben nur die Frauen, die Katzen und die Schnecken etwas zu sagen, alle anderen – insbesondere Männer, Hunde und Hühner – sollen sich an anderen Orten aufhalten.

Ausserhalb des Zauns, rund um die Gebäulichkeiten des Hofs, haben die betrieblichen Bedürfnisse Vorrang. Hier hat aber auch der «Garten im weiteren Sinne» Platz, bestehend aus einzelnen Fleckchen nützlicher oder zierlicher Art. Zum Beispiel auf Fenstersimsen und Treppenstufen, als Pflanzblätz mit den grossen und platzraubenden Pflanzen, als Baum auf dem Hofplatz oder als Spalier und Rabatte an sonnigen Wänden von Nebengebäuden. Für all diese Gartenexklaven ist selbstverständlich ebenfalls die Frau zuständig.

Die Bäuerinnen sind heute voll im Betrieb eingespannt, gehen oft noch einer Erwerbsarbeit nach und haben grundsätzlich nur zu Randzeiten die Möglichkeit, sich um den Garten zu kümmern. Das tun sie jedoch während der ganzen Saison jeden Tag, denn sie kennen weder Freizeit noch Ferien. Mit geschickter Hand und grosser gärtnerischer Erfahrung tun sie am frühen Morgen, abends und auch zwischendurch in den wenigen zur Verfügung stehenden Minuten jeweils das Nötigste. Und die meistgebrauchten Werkzeuge sind an strategischer Stelle immer griffbereit.

Der Kontrast zum landwirtschaftlichen Ambiente

Auf einem Bauernhof geht es mit Grossvieh, Traktoren, Maschinen, mit all den Futtermitteln, Geräten, Baumaterialien, Feldfrüchten und mit dem ganzen Kleinvieh ziemlich grosszügig und unzimperlich zu und her. Höhere Ansprüche an Ordnung und Sauberkeit stecken die Bauern zwangsläufig zurück. Die Umgebung der Häuser ist geprägt von diesem charakteristischen, landwirtschaftlichen Ambiente. Die Beläge von Wegen und Plätzen bilden in der Regel ein interessantes und pragmatisches Mosaik aus verschiedenen Materialien und Generationen. Der praktische Nutzen kommt vor stilreiner Einheitlichkeit. Hier trocknen die Bretter eines aufgeschnittenen Baumstamms, da wächst ein Holunder aus einem vor langer Zeit deponierten Haufen von Lesesteinen, drüben erobern die Brennnesseln die schattige Ecke einer kleinen Kälberweide und ganz hinten ist das Dach eines baufälligen Schuppens eingebrochen und behelfsmässig mit glänzendem Wellblech zugedeckt. Zu diesem Umfeld stehen die üppig überquellenden Gemüse- und Blumenbeete des eingezäunten Gärtchens, die uralten Fuchsien am Kellertreppengeländer, die selbst vermehrten Begonien und Geranien vor den Fenstern und die sorgfältig aufgebundenen Tomaten an der Schmalseite des Schweinestalls in einem starken und wirkungsvollen Kontrast.

Das Pflanzensortiment

Wissenschaftlich betrachtet ist in den Bauerngärten eigentlich nur das (meist spärliche) Unkraut charakteristisch. Es besteht – wen wunderts? – vorwiegend aus den höchst anspruchsvollen Zeigerpflanzen der Gartenstufe. Ausserdem widerspiegelt das Unkraut­sortiment das lokale Klima viel offensichtlicher als die kultivierten Arten, die mit viel gärtnerischem Können auch unter ungünstigen Bedingungen zum Überleben gebracht werden können. Konkret bedeutet das, dass in den Gärten aller Regionen ungefähr das gleiche, mehrere hundert Arten umfassende Sortiment an Nutz- und Zierpflanzen zu finden ist.
Und zwar sowohl bei den alten Höfen als auch in den neueren Einfamilienhausgärten am Dorfrand. Worin liegt denn der Unterschied? Bauerngärten werden nicht neu angelegt. Wenn eine junge Bäuerin den Garten von ihrer Vorgängerin übernimmt, ist er schon voll. Sie trifft ein traditionelles, sehr bewährtes Pflanzensortiment samt dem entsprechenden Know-how an und ist aus Rücksicht auf die (Schwieger-)Mutter im Stöckli noch eine Weile lang nicht ganz frei in der Pflanzenwahl. Alles, was sie nach eigenen Vorstellungen neu einführen will, muss sich zwischen dem Vorhandenen zuerst einen Platz erobern. Es gibt zwar keine Einschränkung, jede Neuheit und Mode kommt in Frage, aber die altbekannten, vertrauten und «landläufigen» Arten prägen eben doch im Wesentlichen das Bild!

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Für den Beitrag verantwortlich: anthos

Ansprechpartner:in für diese Seite: Daniel Haidd.haid[at]fischerprint.ch

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