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nextroom fragt: querkraft architekten
nextroom fragt: querkraft architekten, Pressebild: querkraft architekten

Als Leitsatz auf ihrer Website ist zu lesen: „querkraft will Menschen Raum geben“ und Begriffe wie Lebenslust, Neugier und Freude sind für ihre Arbeit großgeschrieben. Eine Kreativwerkstatt haben sie sich im ehemaligen sogenannten Arrangement der Wiener Börse eingerichtet. Dass sie das ihnen eigene Querdenken als Herangehensweise an Herausforderungen auf den Büronamen gebracht hat, ist kein Geheimnis. Jakob Dunkl, Gerd Erhartt und Peter Sapp im Interview mit Martina Pfeifer Steiner.

11. Juni 2018
In welchen Bürostrukturen arbeiten Sie?

Wir sind zurzeit insgesamt etwa 30 Leute im Büro und als Projektteams organisiert. Einer von uns drei Partnern ist bei den einzelnen Projekten hauptzuständig. Im Kreativprozess sind wir jedoch immer zu dritt und auch bei allen wichtigen Entscheidungen im Entwurf wie geschäftlichen Belangen. So ist jeder von uns auch in alle Projekte involviert. Trotzdem ist es wichtig, dass die MitarbeiterInnen Verantwortung übernehmen können, darum geben wir ihnen eigentlich viel Freiheit und Vertrauen. Wir haben so einen Leitsatz: nicht auf die Hierarchie der Strukturen kommt es an, sondern auf die Hierarchie der Argumente. Und da kann auch mal eine Praktikantin einen super Vorschlag machen, der aufgenommen wird.
Inzwischen arbeiten wir schon 20 Jahre zusammen, bei der Bürogründung war noch Michael Zinner dabei, der jedoch 2004 nach Linz an die Kunstuniversität abwanderte. Wir hatten anfangs eigentlich gar keine größeren Aufträge, unsere Überlegung war eher, dass wir zu viert einfach mehr Dynamik entwickeln können, wir dachten nicht wirtschaftlich, sondern eher aus dem Bauch heraus, irgendwie auch symptomatisch für uns. Von Anfang an war das Umsetzen wichtig, wir wollten bauen und nahmen deswegen nicht an großen Wettbewerben teil. Es interessierte uns viel mehr, irgendwo einen Balkon an ein Gründerzeithaus dranzuhängen und Lebensqualität zu schaffen, wir wollten keine abstrakten Theoretiker sein. Mit der Zeit merkten wir jedoch schon, dass uns größere Aufgaben auch sehr reizen und der Wettbewerbsgewinn des Adidas Brandcenters in Deutschland war sicherlich ein Meilenstein für die Büroentwicklung.
In unserer Arbeit ist der Prozess sehr wichtig, wir suchten immer schon nach einer Art Kreativwerkstatt, wo wir großflächig die verschiedenen Projekte hängen und rasten oder am Wettbewerbstisch liegen lassen können. Als uns die Location in der Wiener Börse angeboten wurde, wollten wir diese zunächst nicht mal anschauen. Doch diese Kombination von Theophil Hansen und ganz pragmatischer Industriegalerie, die irgendwer dort irgendwann eingebaut hatte, reizte uns, zudem war das etwas schäbig anmutende Ambiente leistbar. Wir arbeiten also in der Wiener Börse. In der historischen Nutzung war dieser spiegelgleiche Raum des prächtigen Foyers dem außerbörslichen Handel vorbehalten und wird in den Plänen Arrangement genannt. Die etwas brutale Beton-Rippendecke von Erich Boltenstern (Architekt des Ringturms) ersetzte in den 1950-er Jahren nach dem großen Börse Brand die alten Gewölbe und später wurde die Kubatur zum Technikraum. Deswegen gibt es hier eine Plattform auf etwas unmotiviert herumstehenden Stützen, die wir einfach mit applizierten, variierenden Maßskalen, genauso auch die Lüftungsrohre und den pragmatischen Industrieboden, in das räumliche Konzept integriert haben.
Auch wenn diese Büroadresse feudal klingt, geht es uns um Lebensqualität, um die tägliche Freude hier arbeiten zu können, über die großen Fenster nicht nur Licht sondern auch das Lachen der Kinder vom Park hereinzulassen. Dass wir die obere Plattform neben Besprechungen und Präsentationen auch für öffentliche Veranstaltungen zum Thema Baukultur – wie die Reihe „architektur in progress“ – öffnen können, ist eine große Bereicherung.

Was inspiriert Sie?

Das was wir jeden Tag sehen! In der Architektur geht es schließlich um das Leben und da ist alles bereichernd und inspirierend. Natürlich sind Reisen, andere Kulturkreise, andere Herangehensweisen auch immer sehr anregend. Was wir täglich sehen, wie man gewohnt ist zu agieren und zu leben darf nicht zum Naturgesetz erhoben werden. Deswegen konfrontieren wir uns nicht nur gerne mit fremden Kulturen und Denkweisen sondern ebenso mit anderen Disziplinen wie Soziologie und Forschung, wir arbeiten auch oft mit Künstlern zusammen.
Die Welt ist ja so großartig! Wundervoll, dass es dieses Spektrum gibt, von der romantischen griechischen Insel mit den monolithischen Gebäuden bis zu Manhattan. Uns fasziniert die Vielfalt und wir können uns für ein Peter Zumthor Gebäude, das von Material-Askese und Stille lebt, genauso wie für einen starken Bau von Zaha Hadid oder einen stimmigen Lehmbau begeistern. Im großen grauen Rauschen der durchschnittlichen Baukultur sind die exponierten Haltungen in der Architektur ganz wichtige Beiträge und Richtungskämpfe völlig unangebracht.

Was begrenzt die Verwirklichung Ihrer Visionen?

Beim Bauen gibt es immer limitierende Faktoren. Bleibt jedoch der Prozess an Einschränkungen und Zwängen hängen, wird es mühsam. Oder wenn man mit einer entscheidungsschwachen Bauherrschaft zu tun hat, die keine Vision und Leidenschaft mehr entwickeln kann. Einer der größten Hinderungsgründe ist jedoch, dass wir heute in einer angstgesteuerten Welt leben, die eher das Bewahrende sucht und das Experiment meidet. Überall wo Neuland betreten wird, muss man auch ein gewisses Risiko eingehen, ansonsten droht Erstarrung.
Man sollte sich auch nicht in behördlichen, ökonomischen, ökologischen Vorgaben, aber auch in Themen der Energieeffizient verlieren und darauf vergessen, dass es immer noch um den Menschen geht und um Emotion. Wie fühlt sich der Nutzer, die Nutzerin in unserer Architektur? Wir tragen eine große gesellschaftliche Verantwortung! Ein Gebäude prägt ja obendrein die Stadt, den Ort und nicht nur die Menschen, die das Gebäude nutzen. Darum ist es auch so wichtig nicht reine Dienstleister zu sein. Uns interessiert viel eher, was die Menschen in der Architektur begeistert, wenn sie z. B. in den Stephansdom, ein Stiegenhaus von Otto Wagner gehen oder das Stift Melk erblicken. Wir als Architekten müssen immer danach streben, dass wir nicht nur irgendetwas bewältigen sondern etwas Schönes, Bleibendes schaffen. Bedenklich, dass vorwiegend wirtschaftliche oder sachlich-funktionelle Argumente gelten – offensichtlich so eindimensional und linear – die man in Listen und Excel-Tabellen ausdrücken kann. Warum trauen wir uns nicht deutlicher über Schönheit zu sprechen? Es gab ja auch eine Zeit in der die Architektur als Mutter aller Künste galt. Unser Leitspruch: `den Menschen Raum geben´ mag plakativ wirken, doch es ist schon so gemeint, dass der Mensch Raum zur Entfaltung und nicht nur Quadratmeter braucht, da spielt Schönheit in der Architektur eine große Rolle.

Welches Ihrer Projekte möchten Sie hervorheben?

Ein Schlüsselprojekt ist zweifellos das Adidas Brand Center am Firmencampus in Herzogenaurach. Wir setzten hier auf Souveränität statt modischer Kurzlebigkeit: Im schwarzen monolithischen Glas-Solitär erschließen sich alle Räume anstelle vom geforderten Foyer aus, über eine abgesenkte Arena aus Sitzstufen. Natürlich ist auch das Museum Liaunig in Kärnten ein Projekt, das ganz stark mit unserer Geschichte verknüpft ist. Wir haben inzwischen in mehreren Schritten erweitert, interessant dabei, dass unser Museum nach lediglich 4 Jahren als schnellstes, jemals in Österreich unter Denkmalschutz gestelltes Gebäude gilt.
Absolut reizvoll ist, dass wir durch den Wettbewerbsgewinn des ersten Stadt-IKEA am Westbahnhof mit dem Wiener Team Pionierarbeit für den weltweiten IKEA-Konzern leisten können. Unser Entwurf hat mit öffentlicher Dachterrasse einen großen Mehrwert für die Nachbarschaft und mit der grünen, zugänglichen Außenzone, die sich als schattenspendendes „Regal“ mit möglichen Raumerweiterungen und Terrassen rund um das Gebäude legt.
Auch unser ASP Holzwohnbau – eine Stahlbeton-Skelettstruktur mit Holzfertigteilfassaden, Co-Planer Berger+Parkkinen – in der Seestadt Aspern, mit den großzügigen Lofts, die flexibel unterteilt werden können, hat große Außenwirkung. Bezüglich Rezension sind auch die zwei Wohnhochhäuser Citygatetower und Leopoldtower interessant, die überraschend in den Top Platzierungen der internationalen Highrise Awards (Emporis Skyscraper Award 2015)
landeten, als einzige soziale Wohnbauten, in bester Gesellschaft der Gebäude von Stararchitekten auf der ganzen Welt. Ein skulpturaler Ansatz mit der Idee einer vertikalen Dorfstraße und flexiblen, zusammenschaltbaren Wohnungsgrundrissen. Es macht uns auch Spaß, bis ins kleinste Detail zu gehen und etwas anzubieten, z. B. ein integriertes Wäschetrocknungsgestell im Balkongeländer, das alltäglich erfreut. Schön, wenn wir die Menschen dazu anzuregen können, sich die Architektur in ihrem Umfeld anzueignen. Und wir sind überzeugt, dass es auch den umgekehrten „Broken-Window-Effekt“ gibt. Wenn ein zerbrochenes Fenster Vandalismus evoziert, müssten ja qualitätsvolle Materialien und Gestaltung das Gegenteil bewirken.

Worüber sollten ArchitektInnen reden, einen Diskurs anzetteln?

Wir träumen davon, dass es mehr Bewusstsein in der Gesellschaft für Architektur gibt. In den Schulen ist es selbstverständlich, dass Ernährung, Mülltrennung und solche Themen behandelt werden, die Kinder müssten genauso immer wieder lustvoll mit Baukultur umspielt werden. Architektur und Raumplanung soll im Lehrstoff verankert werden, weil es ja jeden betrifft. Und ich kann nur über etwas diskutieren, wenn ich ein Hintergrundwissen habe. Auch in der Tagespresse ist dieses Thema unterrepräsentiert, obwohl das Interesse zweifellos vorhanden ist. Wirklich ärgerlich ist, dass wenn einmal über ein Projekt berichtet wird, meistens der Name des Architekten fehlt, das Foto-Copyright jedoch sehr wohl angegeben ist. In welcher anderen Sparte – Kunst, Musik – wäre so etwas denkbar?
ArchitektInnen müssen ganz vehement in den gesellschaftlichen Diskurs einsteigen und vermitteln was Baukultur für jeden einzelnen bedeutet. Wir verbringen nahezu hundert Prozent unserer Zeit im gebauten Umfeld und wir geben mindestens ein Drittel des Vermögens für Wohnraum, also für Architektur, aus. Und indirekt als Steuerzahler noch viel mehr, für öffentliche Bauten und Infrastruktur.
Ein großes Thema ist auch die Zersiedelung und Entwicklung des Landverbrauchs, die kaum mehr rückgängig zu machen sind. Damit werden die nächsten Generationen massiv konfrontiert sein. Die Dichte des Verkehrsnetzes ist in Österreich extrem hoch. Uns muss bewusst sein, dass ein Autobahnknoten so viel kostet wie ein Museum! Es geht um Qualitäten, die jeden einzelnen Menschen und das Zusammenleben betreffen. Es gibt keinen gesellschaftlichen Diskurs über das Bauen von Straßen und Autobahnen, da werden die Milliarden investiert, und bei den Gebäuden müssen wir ständig auf die Kostenbremse drücken, weil wir uns nichts mehr leisten können. Politiker haben größte Angst ein Budget für einen Kulturbau zu beschließen, ein Straßenbauprojekt wird jedoch nicht hinterfragt. Wenn man überlegt, wie sich das Bauen bezüglich Energieeffizienz und Materialien seit den 1970-er Jahren verändert hat und dazu einen PKW vergleicht, wird die Diskrepanz offensichtlich. Auch müssen Garagen immer größer werden und die Wohnungen kleiner. Da ist ein rigoroses Umdenken notwendig.
»nextroom fragt« ist ein neues Format für die in der nextroom Architekturdatenbank vertretenen PlanerInnen und Planer, das Raum für eine übergeordnete Eigenpräsentation schafft. Fünf gleichbleibende Fragen laden ein, Einblicke in den Arbeitsalltag und die Bedingungen für Architektur zu geben - ungeachtet ob aus der Sicht junger oder arrivierter, großer oder kleiner Büros.

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