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Begegnung in der Bezirkshauptmannschaft – archcollectiv_F4+ verortet sich
Begegnung in der Bezirkshauptmannschaft – archcollectiv_F4+ verortet sich, Foto: Gregor Graf

Michael Trixl, Stephan Mitterhofer, Silvia Kliti und Fabio Mancini (von li. nach re.), die Gründer:innen von archcollectiv_F4+

6. September 2022 - Ella Felber, Silvester Kreil
Im zweiten Stock der ehemaligen Halleiner Bezirkshauptmanschaft, ein 50er-Jahre-Bau und einer der Standorte des archcollectiv_F4+, treffen wir einander für ein hybrid geführtes Interview.

„Wir finden, dass Architektur zuallererst eine soziale Rolle spielt. Die Auswirkung der Architektur auf die Gesellschaft wurde in den vergangenen Jahren oft unterschätzt oder negiert. Bei jedem Projekt müssen wir zuerst den Ort verstehen und mit architektonischen Mitteln die richtige Lösung für ihn und die Nutzer:innen finden. Dadurch können wir städtebauliche, soziale und wirtschaftliche Probleme, und nicht nur die Fragen der Auftraggeber:innen beantworten. Wir wollen qualitativ hochwertigen Lebensraum in der Stadt bieten, nicht nur Arbeitsplätze, kurze Wege und versiegelte Flächen. Wenn die vielen Verkehrsflächen auch nur prozentual begrünt wären, könnte die Stadt zum Naherholungsort werden. Langfristig müssen wir auch die Lebensmittelerzeugung mitdenken, sodass regional und kompakt alle Notwendigkeiten des Lebens eingeplant werden. Es geht darum, visionär das Zukunftsbild von Stadt und Wohnen zu transformieren. Uns ist bewusst, dass das nicht immer zum Wettbewerbsgewinn führt, wir wollen aber dennoch Statements setzen, Ideen streuen, unserer Linie treu bleiben und sie weiterentwickeln – irgendwann wird es Früchte tragen, die jeder Mensch ernten darf.

Unser Anspruch ist es, zeitlose Architektur zu gestalten, die ihre Qualität behält. Dafür müssen wir den Finanzierungszeitraum der Bauträger-Denke erweitern. Es müsste nicht schon nach 30 Jahren saniert werden, würden wir qualitativ hochwertiger bauen. Wir planen mit ehrlichen Materialien: möglichst natürlich, meist Rohmaterialien oder wenig weiterverarbeitet, Verbundwerkstoffe vermeiden wir bestmöglich. Holz zum Beispiel, das so wenig wie möglich bearbeitet wird, hat die größte Dauerhaftigkeit. Was verbaut wird, machen wir sichtbar, sodass der Zugang zum Handwerk erhalten bleibt.

Aufgrund eines großen Wettbewerbsgewinn für das Quartiersareal Lanserhofwiese, das nun in einem Zeitraum von ca. zehn Jahren zu einem Wohnquartier mit rund 600 geförderten Einheiten verdichtet wird, haben wir unser Kollektiv formiert. Durch die vorhergehenden Erfahrungen als Selbstständige und unsere unterschiedlichen Stärken können wir alle nicht nur zusammen, sondern auch autonom arbeiten. Die Flexibilität und Unabhängigkeit unseres Berufs erlauben uns zudem den Familienalltag zu meistern. Es gilt offen zu sein für ein gewisses Wachstum, aber dabei die Qualität zu halten. Wir wollen keine Finanzierungsprojekte abarbeiten müssen, nur um das Büro zu erhalten. Wenn der Projektrahmen einmal größer wird, können wir als dynamisches Kollektiv anders agieren und auf das + in unserem Namen zurückgreifen: Input von außen, der die Pluralität von Inhalten steigert und festigt.

Ein Wunsch ist, die antizipierte Qualität mit einer klaren zukunftsorientierten Haltung umzusetzen und die Auftraggeber:innen und Bauträger davon zu überzeugen, die Entscheidungen mitzutragen. Abstraktion und unser elementarer Zugang zeigen in Projekten ganz klar, dass die Reduktion eingesetzter Materialien ökonomischer und zudem ästhetischer ist. Nur mit diesem gegenseitigen Verständnis aller Beteiligten kann in Zukunft Qualität und eine Sensibilität gegenüber Städtebau, Architektur und deren Auswirkungen geschaffen werden – das ist unsere Verantwortung.“

Seit 2020 arbeitet archcollectiv_F4+ an Projekten in Österreich und Italien – mit Sitz in Hallein und Pescara. Ein bewusster und ehrlicher Umgang mit Materialien und ein starker Fokus auf Stadtkontext und Nachbarschaft sind ihre grundlegenden Prinzipien.
»nextroom fragt« junge Architekt:innen. Sie wählen Orte aus, um dort mit Ella Felber und Silvester Kreil über die Wichtigkeit und Dringlichkeit von Architektur zu sprechen. Warum macht Ihr Architektur? Wie wollt Ihr sie produzieren?

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