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Begegnung im sozialistischen Erbe – 2021 architekti verorten sich
Begegnung im sozialistischen Erbe – 2021 architekti verorten sich, Foto: Silvester Kreil

Das Kollektiv 2021 in ihrem Büro – die beiden Gründer Peter Lényi (v.l.) und Ondrej Marko (nicht im Bild) mit ihrem Team.

18. Oktober 2022 - Ella Felber, Silvester Kreil
In einer ehemaligen Fabrik, später Chemieschule und heute selbstorganisierter Coworking Space, sprechen wir ausführlich über die Neugestaltung des Freiheitsplatzes in Bratislava.

„Dieser Umbau spiegelt in mehrfacher Hinsicht unsere Prinzipien und die Geschichte unseres Studios wider. Dieser 46000 m² große Platz mit zentralem Springbrunnen ist Teil unserer sozialistischen Geschichte. Die Neugestaltung ist behutsam und respektvoll gegenüber dem Bestand. Der bestehende Platz ist gut, wir müssen seine Qualitäten bloß hervorheben, damit die Menschen sie verstehen, und kleine Anpassungen vornehmen, um die Nutzbarkeit zu verbessern. In der ursprünglichen Gestaltung gab es eine Mauer um den Brunnen und das Becken: Man konnte sie sehen, aber nicht nutzen. Die Geometrie war so konzipiert, dass öffentliche Versammlungen unmöglich waren. In unserem Entwurf wird diese Mauer entfernt. Der Brunnen wird zugänglich und bietet weitere 1500 m² an Fläche, auf der man protestieren oder sich im Sommer von Wasser anspritzen lassen kann. Zudem wurden 400 Tonnen der ursprünglich verbauten Basalt- und Granitsteine zu einem neuen Außen-Terrazzo recycelt, so mussten 400 Tonnen Neumaterial nicht abgebaut und transportiert werden.

Als wir 2017 zusammen mit Labak den offenen Wettbewerb gewannen, waren die Zeiten in Bratislava andere: ein anderer Bürgermeister, öffentliche Wettbewerbe gab es selten und sie wurden praktisch nie umgesetzt. Wir haben uns 2,5 Jahre lang für unser Vorhaben eingesetzt und konnten so den neuen Bürgermeister, den Bauträger und die Stadt überzeugen. Dass das Projekt jetzt gebaut wird, liegt nicht am perfektionierten Entwurf, sondern an der proaktiven Kommunikationsarbeit. In gewisser Weise sind wir Aktivist:innen.

Wir arbeiten hauptsächlich für Städte und Institutionen und haben uns ungeplant als Spezialisten für den öffentlichen Raum etabliert. Unser Fokus auf Projekte, die dem öffentlichen Interesse dienen, statt auf Einfamilienhäuser, ist jedoch beabsichtigt. Hier fühlen wir uns nützlicher. Bei der Akquise von Projekten tragen wir eine politische und moralische Verantwortung.

Unser zweites Standbein ist das Erarbeiten von Ausschreibungen für Architekturwettbewerbe. Gemeinden beauftragen uns damit, Aufgabenstellungen zu formulieren und Verfahren zu konzipieren. Unsere Grundsätze fließen dabei immer in die Aufgabenstellung oder in die Auswahl der Jury ein. Wir wollen, dass jeder Wettbewerb zu einer tatsächlichen Umsetzung führt, denn wir wissen, dass eine einfache Lösung, die funktioniert, besser ist als ein Raumschiff, das nicht existiert.

Das Studio wird von zwei Personen geleitet, doch wer eine gute Idee vorschlägt, wird gehört. Können wir uns einmal nicht entscheiden, stimmen alle sieben ab, und jede Stimme zählt gleich viel. Die Nachfrage übersteigt derzeit unsere Kapazitäten, doch die Qualität unserer Arbeit ist uns wichtiger als die Quantität. Statt ein großes Studio mit mehr als zehn Beschäftigten und viel Verwaltungsaufwand zu werden, wollen wir uns auf den Entwurf konzentrieren. Wir arbeiten so wenig wie möglich, in der Regel nur an Werktagen von 9 bis 17 Uhr, um mehr Zeit für unsere Kinder und andere Interessen zu haben.

Wir wünschen uns mehr gute Schulen und Krankenhäuser in der Slowakei. Im Moment gibt es keine Wettbewerbe für diese großen und wichtigen Gebäude, das müssen wir ändern. Planer:innen müssen verstehen, dass es für die Zukunft unerlässlich ist, sich auf gemeinsame Ziele zu konzentrieren und Projekte zu realisieren, die sozial verantwortbar sind.“

Seit 2012 arbeiten 2021 architekti aus Bratislava fast ausschließlich an öffentlichen Projekten. Sie konzentrieren sich auf gesellschaftlich nützliche Aufgaben und sind Architekt:innen, die sich auf die Gestaltung des öffentlichen Raums und die Konzeption und Betreuung von Architekturwettbewerben spezialisiert haben.
»nextroom fragt« junge Architekt:innen. Sie wählen Orte aus, um dort mit Ella Felber und Silvester Kreil über die Wichtigkeit und Dringlichkeit von Architektur zu sprechen. Warum macht Ihr Architektur? Wie wollt Ihr sie produzieren?

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