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Park Hyatt Hotel Wien: Es werde Licht, aber nicht zu viel!
Spectrum

100 Jahre alt ist das Gebäude, in dem René Benkos Park Hyatt Hotel in Wien residiert. Tagsüber ist es schön anzuschauen, doch im Dunkeln lässt die Beleuchtung es schlecht dastehen. In der Wachau zeigt eine Künstlerin, wie es besser geht.

7. Dezember 2023 - Klaus - Jürgen Bauer
Das prächtig herausgeputzte Hotel Park Hyatt Vienna ist in einem zwischen den Jahren 1913 und 1915 erbauten ehemaligen Bankgebäude untergebracht: dem Hauptsitz der Niederösterreichischen Escompte-Gesellschaft, einer österreich-ungarischen Großbank. Die Architekten des stattlichen Baus, Ernst Gotthilf und Alexander Neumann, waren Söhne wohlhabender jüdischer Fabrikanten aus den Tiefen der Monarchie, die nach Wien gekommen waren, um hier ihr Glück zu suchen, und stiegen groß ins damals boomende Baugeschäft in der Hauptstadt ein.

Sie verfügten über die gesamte gediegene Palette der damaligen architektonischen Formensprache. Neobarock? Renaissance? Klassizistisch? Gar kein Problem! Bald konzentrierten sie sich auf Bankgebäude. Dort trafen modernste technische Standards auf ein gesteigertes Repräsentationsbedürfnis ihrer Auftraggeber.

„Das schönste sterbende Gebäude Wiens“

Die Bank Am Hof war einer der ersten Stahlbetonbauten Wiens, aber in einer verhalten klassizistischen Hülle. Welche Eigenschaften ein Bankgebäude mitbringen solle, hatte Adolf Loos in seinem Essay „Architektur“ (1910) festgelegt: „Das Bankhaus muss sagen: Hier ist dein Geld bei ehrlichen Leuten fest und gut verwahrt.“ Die Kombination gediegener Materialien und klassizistischer Formen suggerierte also Sicherheit und Wertbeständigkeit.

Ebenfalls Adolf Loos bejammerte aber auch den geplanten Bau dieses Bankgebäudes. Hier, am ältesten Platz der Stadt, wo einst die Babenberger ihre Stadtburg hatten, musste dafür nämlich ein ehrwürdiges Gebäude weggerissen werden, ein ehemaliges Stadtpalais der Jesuiten, das nach der Aufhebung des Ordens an den Staat fiel und in der Folge den Hofkriegsrat, Vorläufer des Kriegsministeriums, beherbergte. Loos sprach vom „schönsten sterbenden Gebäude“ Wiens – und: Es sei ein „Frevel“.

Im Jahr 1913 übersiedelte dann das Reichskriegsministerium in den Neubau am Stubenring; kurzerhand nahm man auch das vorher Am Hof situierte Reiterstandbild von Feldmarschall Radetzky mit. Zwei Jahre später wurde das neue Bankgebäude eröffnet. 1938 zog die Länderbank ein.

Störung des Biorhythmus

Die Bank Austria verkaufte es 2008 an die Signa, die dort ein Luxushotel errichten wollte. Drei Jahre später kam es bei Bauarbeiten zu einem Großbrand, der das Gebäude im Inneren komplett zerstörte. Die Eigentümer ließen sich davon nicht entmutigen und stellten das Haus vorbildlich wieder her. Im Juli 2014 eröffnete dann das Hotel. Es ist eine Erfolgsgeschichte für das nun 100-jährige Haus, doch es gibt einen Wermutstropfen: Bei Dunkelheit wird die Fassade völlig unpassend ausgeleuchtet. Das ist in mehr als einer Hinsicht problematisch.

Erstens führt die kontinuierliche Erweiterung von künstlicher Beleuchtung in den Außenraum zu Lichtverschmutzung. Immer mehr Licht zur falschen Zeit bringt den natürlichen Biorhythmus von Menschen, Flora und Fauna durcheinander und gefährdet letztlich die Biodiversität. Der erhöhte Verbrauch von Energieressourcen für eine nicht notwendige Beleuchtung ist zudem zunehmend ein gesellschaftliches Problem.

Der zweite Aspekt bezieht sich auf die Hierarchien innerhalb der Stadt. Wenn nämlich ein nicht öffentliches Gebäude wie ein Hotel durch Licht besonders deutlich hervorgehoben wird, ist das eine Art von Anmaßung. Es wird damit etwas betont, das letztlich privaten und nicht öffentlichen Interessen dient.

Luminöser Analphabetismus

Der dritte Punkt betrifft die Architektur. Die zweifelsohne hochwertige Fassade von Gotthilf & Neumann wurde 1913 nach den Regeln der gebundenen Architektur entworfen. Das bedeutet, dass alle Teile wie Gesimse, Ornamente etc. proportional und historisch in einem genau abgestimmten Verhältnis zueinanderstehen. Das intensive Ausleuchten zufällig ausgewählter Bereiche – das Giebelfeld und einige Fenster des vierten Stockes – zerstört nun völlig diese Sinnzusammenhänge.

Das Licht schafft also abends in einer Art luminösem Analphabetismus ein völlig neues, entstelltes Gebäude. Die dabei entstehenden hohen Hell-Dunkel-Kontraste wirken unangenehm. Logisch erscheint hingegen die Beleuchtung der Portale: Diese hat ihre Berechtigung, weil sie auf die gastfreundlich halb öffentliche Funktion eines Hotels verweist. Abends das überflüssige und unfunktionale Licht einfach auszuschalten würde die Architektur wieder zurückbringen und der Lichtverschmutzung entgegenwirken.

Wie zwei Krawatten übereinander

Als Alternativmodell sei auf ein Projekt der Vorarlberger Künstlerin Siegrun Appelt verwiesen, die genau das Gegenteil macht: Sie reduziert die Beleuchtung öffentlicher Gebäude und Landmarks wie etwa jene der berühmten Wachauer Kirchen. Damit schafft sie einen Mehrwert an Wahrnehmung, ein deutlich stimmigeres Bild. Es ist ein bewusster und nachhaltiger Umgang mit künstlicher Beleuchtung und führt zu einer besseren Wahrnehmbarkeit des Kontrastes von Licht und Dunkelheit. Gemeinsam mit „Kunst im öffentlichen Raum Niederösterreich“ entwickelte Appelt das Lichtkonzept „Langsames Licht – Slow Light“. Ursprünglich war diese Idee für die Beleuchtung von 15 bedeutenden historischen Gebäuden in der Wachau geschaffen, dann aber auch auf andere historische Landschaftsräume erweitert worden.

Die Künstlerin hat mit diesen sichtbaren Veränderungen ein neues Bewusstsein für den Umgang mit Licht geschaffen. So etwas würde man sich auch für alle nicht öffentlichen Bauwerke in der Stadt wünschen. Wir haben nämlich nicht zu wenig künstliches Licht in unseren Städten, sondern viel zu viel. Der verstorbene Medienkünstler Peter Weibel meinte einmal, dass es doppelt schön wäre, zwei Krawatten übereinander zu tragen. Diese feine Ironie gilt auch für angestrahlte Fassaden nicht öffentlicher Bauwerke. Ein so schönes und so vorbildlich wiederhergestelltes Gebäude wie das Park Hyatt Hotel braucht nämlich gar keine Beleuchtung der Fassaden. Besser wäre es, dieses Licht zu sparen und die Schönheit des Bauwerks in der Nacht wirken zu lassen.

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