Bauwerk

Museum Sammlung Frieder Burda
Richard Meier - Baden-Baden (D) - 2004
Museum Sammlung Frieder Burda, Foto: Klaus Frahm / ARTUR IMAGES
Museum Sammlung Frieder Burda © Sammlung Frieder Burda

Ein Brückenschlag in Baden-Baden

Richard Meiers Haus für die Sammlung Frieder Burda

Der Unternehmer und Kunstmäzen Frieder Burda entschied sich vor zehn Jahren für eine öffentliche Präsentation seiner Kunstsammlung. Mit deren Einzug in ein eigenes Museum, das Richard Meier neben der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden erbaut hat, bekommt die Öffentlichkeit auf Dauer Zugang zu hochkarätigen Werken.

23. Oktober 2004 - Gabriele Hoffmann
Private Kunstsammler geraten immer mehr ins Rampenlicht. Ein Hauptgrund dafür sind die stark geschrumpften Ankaufsetats öffentlicher Museen. Viele öffnen ihre Häuser privaten Kollektionen auch ohne Garantie für eine längerfristige Leihgabe. Eine andere Wendung hat die vor drei Jahren begonnene Tuchfühlung zwischen dem Sammler Frieder Burda, der Stadt Baden- Baden und dem Land Baden-Württemberg genommen. Der 1936 im badischen Gengenbach geborene Sohn des Verlegerehepaares Franz und Aenne Burda hatte Ende der sechziger Jahre begonnen, die Familientradition des Kunstsammelns fortzusetzen. Galt die Vorliebe der Eltern den deutschen Expressionisten, so legte der Sohn mit einer geschlitzten Leinwand von Lucio Fontana den Grundstein für die eigene Sammlung, die heute 550 Werke moderner und zeitgenössischer Kunst umfasst. Erst vor zehn Jahren kam ihm der Gedanke, sie der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Als sich sein Wunsch nach einem eigenen Museum im südfranzösischen Mougins, Picassos letztem Wohnsitz, zerschlug, entdeckte der seit über zwanzig Jahren in Baden-Baden ansässige Unternehmer die berühmte Lichtentaler Allee als Alternative. Das Land Baden-Württemberg, interessiert am Verbleib der international angesehenen Sammlung, bot ihm einen Bauplatz unmittelbar neben der Baden-Badener Kunsthalle an. Frieder Burda gründete daraufhin eine Stiftung zur Finanzierung des Baus sowie des späteren Unterhalts und gewann den durch zahlreiche Museumsbauten ausgewiesenen New Yorker Architekten Richard Meier für sein Projekt.

Gebrochenes Weiss

An diesem Wochenende, drei Jahre nach dem ersten Spatenstich, wird nun die Sammlung Frieder Burda im Haus Lichtentaler Allee 8b eröffnet. So ungewöhnlich wie die bauliche Verbindung durch einen gläsernen Steg zur Kunsthalle Lichtentaler Allee 8a ist der auf Kooperation angelegte ideelle Brückenschlag zwischen der staatlichen Kunstinstitution und dem privaten Sammlermuseum. Eine «grosse Villa» nennt Meier das Bauwerk und verweist damit auf sein Konzept, die Architektur zum Park mit seinem alten Baumbestand und zu der noch immer von Villen geprägten Stadt zu öffnen. Das geschieht in der für Meiers Museumsbauten üblichen Weise durch eine den Gerüstbau umgebende Aussenhaut mit Wandelementen aus Aluminiumplatten in leicht gebrochenem Weiss im Wechsel mit Fassadenteilen aus Glas. Prägend für die Aussenansicht sind Klarheit, Leichtigkeit und Transparenz. Das feinlinige Rechteckraster im Weiss der Aussenwände betont das Statische der Architektur im Kontrast zur Vielfalt der Landschaft mit den im Tages- und Jahresrhythmus wechselnden Farben. Auch der Bezug zur neuklassizistischen Kunsthalle von Hermann Billing mit ihrer dezenten Pilastergliederung im Natursteinmauerwerk besteht in der Balance aus Nähe und Abgrenzung.

Im Innern gewährt die Architektur dem Besucher auf Schritt und Tritt die Sicht nach draussen - fast wie in einem der hier ausgestellten Bilder, dem «Blick aus dem Fenster in Baden-Baden» von Max Beckmann. Für Meier hat die Öffnung der Aussenwände in erster Linie die Funktion, die Kunstwerke in kontrolliertem Tageslicht zu präsentieren. Das perfekte Beleuchtungssystem gewährt selbst dem Untergeschoss noch natürliches Licht. Offene Rampen erschliessen die verschiedenen Ebenen und funktionieren zugleich als Erlebnispfad, der beim Auf- und Absteigen einzelne Räume und das architektonische Ganze in ständig wechselnden Blickwinkeln erscheinen lässt. Die Sammlung verteilt sich auf zwei grosse Säle und zwei Kabinette. Vom Atrium aus betritt man einen Saal für Grossformate. Gedämpftes Licht dringt durch die mit Lamellen abgeschirmte Fensterwand. Beim Blick zur Decke scheint der grosse Saal des Obergeschosses über dem unteren zu schweben. Neben den Rampen sind es die an den Ecken offenen Räume, die dem Besucher ein abwechslungsreiches Zusammenspiel von inszenierter Ausstellung und nicht weniger inszenierter Architektur bieten. «Licht ist hier das wichtigste Baumaterial, ihm kommt eine Schlüsselfunktion zu», hält Meier fest.

Schwerpunkte der Sammlung

Klaus Gallwitz, Gründungsdirektor des Burda- Museums und früher einmal Leiter der benachbarten Kunsthalle, zeigt in der Eröffnungsausstellung 150 Werke der Sammlung, verteilt auf beide Häuser. «Böhmen liegt am Meer», diesem erst 2004 erworbenen Gemälde von Anselm Kiefer weist Gallwitz die Rolle des Präludiums zu. Ein Weg durch Ödland - zwei helle Streifen im Dickicht gebrochener Farben - führt in eine unabsehbare Weite. In seiner Unschärfe ist das Bild mit dem in ungelenken Buchstaben zitierten Anfang eines Gedichtes von Ingeborg Bachmann eine Antithese zur Architektur. Im Parterresaal hängt in Nachbarschaft zu grossformatigen Gemälden von Polke und Baselitz ein Triptychon von Richter («Schräge», «Stand», «Grad»). Die einem zerschlissenen Gewebe ähnliche Textur basiert auf dem Farbauftrag mit Rakeln. Die Ausstellung belegt mit hervorragenden Beispielen - neben späteren abstrakten Bildern auch die Arbeiten «Kerze» und «Party» aus der frühen Phase der Fotomalerei - das anhaltende Interesse des Sammlers am Werk Gerhard Richters. Der obere grosse Saal enthält sieben Bilder von Picasso aus seinem letzten Lebensjahrzehnt. Burda erwarb sie, als das Spätwerk noch kaum Beachtung fand. Frühe figürliche Bilder von Rothko hängen neben «Black Stripe», das im Tageslicht seine Rot verströmt. Ganz in der Nähe eine Leinwand von Clifford Still in flammigem Rot mit durchbrechendem Schwarz und Weiss - ein Highlight in Burdas Sammlung von Gemälden des abstrakten Expressionismus. In einem der beiden Kabinette sind Bilder der deutschen Expressionisten Kirchner, Macke und Jawlensky versammelt, zusammen mit einer «Frauenbüste» von Lehmbruck. Herausragendes bietet die Sammlung Burda in ihrem Beckmann-Schwerpunkt. Im Gemälde «Die Stourdza-Kapelle. Regentag in Baden-Baden» hat der Maler kurz vor seiner Emigration Eindrücke von einem Kuraufenthalt verarbeitet.

Auf der anderen Seite der gläsernen Passage, in der Kunsthalle, begegnet man Richter und Polke noch einmal, jedem in einem eigenen Raum. Den grossen Saal dominiert Baselitz mit wichtigen Werken aus allen Perioden von «Tränenbeutel» (1963) bis zu einem Bild aus der Folge «Knaben» (1998). Erst seit wenigen Jahren sammelt Frieder Burda auch Arbeiten von William Copley: plakativ gemalte Western- und Erotikszenen vor gemusterten Hintergründen. Dass auch weiterhin nicht Schluss sein soll mit dem Sammeln, beweisen die in die Eröffnungsschau eingestreuten Bilder von Corinne Wasmuth und Tim Eitel und ein eigener Raum für die auf dem Kunstmarkt heiss begehrte coole Malerei von Alex Katz. Nur eines wird es bei Frieder Burda wohl nie geben: Kunst mit neuen Medien.

[ Die Eröffnungsausstellung dauert bis zum 20. Februar 2005. Katalog: Sammlung Frieder Burda. Hrsg. Stiftung Frieder Burda. Verlag Hatje Cantz, Ostfildern Ruit 2004. 256 S., Euro 29.-. ]

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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