Bauwerk

Museum Sammlung Frieder Burda
Richard Meier - Baden-Baden (D) - 2004
Museum Sammlung Frieder Burda, Foto: Klaus Frahm / ARTUR IMAGES
Museum Sammlung Frieder Burda © Sammlung Frieder Burda

Moderner Klassizismus

Richard Meiers Burda-Kunstmuseum für Baden-Baden

21. Oktober 2002 - Roman Hollenstein
Der leicht morbide Charme von Baden-Baden ist verführerisch. Doch will der welke Pomp der Gründerzeit nicht recht zur biederen Beschaulichkeit passen, die heute das Strassenbild dominiert. Ihr Echo findet sie in baulichen Interventionen, welche die Stadt mehr und mehr verschandeln. So wurde vor zwei Jahren das Palais Hamilton des grossen Friedrich Weinbrenner durch eine skandalöse Erweiterung stark lädiert. Nur die im frühen 19. Jahrhundert jenseits der Oos als Gegenstück zur Altstadt inszenierten Kuranlagen verströmen noch immer stille Grösse. Beherrscht von Klenzes antikisierender Stourdza-Kapelle, reihen sich in einer Parklandschaft vom Säulenportikus des Badischen Hofs über die Arkaden von Heinrich Hübschs Trinkhalle bis hin zu Weinbrenners Kurhaus klassizistische Juwelen, deren Tonhöhe wieder aufgenommen wird von der 1909 vollendeten Kunsthalle von Hermann Billing am Eingang zur Lichtentaler Allee.

Der neuklassische Musentempel, der sich vor allem in den achtziger Jahren mit bedeutenden Ausstellungen einen Namen machte, erhält nun einen Nachbarbau. In diesem wird vom Herbst 2004 an die Sammlung Frieder Burda, die ursprünglich im südfranzösischen Mougins ein von Ricardo Legorreta geplantes Domizil erhalten sollte, permanent zusehen sein. Als Ende September mit den Bauarbeiten begonnen wurde, erinnerten nur noch die unter einem Baum hingelegten Blumen und die Inschrift «Wir trauern um die Allee» daran, dass viele Baden-Badener die Vorgeschichte dieses Neubaus noch nicht wirklich überwunden haben. Frieder Burda, der erst 1996 durch die erfolgreiche Präsentation seiner zeitgenössischen Meister in der Kunsthalle auf die Idee gekommen war, die expressionistisch ausgerichtete Sammlung in Baden-Baden anzusiedeln, hatte zunächst das Basler Büro Steib & Steib mit der Planung beauftragt. Doch scheiterte der Entwurf, der auf Grund seiner Dimensionen einen massiven Eingriff in den kostbaren Baumbestand entlang der Lichtentaler Allee verlangt hätte, am vehementen Widerstand der Bevölkerung.


Heiter und leicht

Burda liess sich aber nicht entmutigen und versuchte sein Glück mit einem neuen Architekten. Doch statt einen Traditionalisten wie Hans Kollhoff zu beauftragen, von dem man ein neuklassisches, dem Geist des Ortes angepasstes Projekt hätte erwarten können, entschied er sich für Richard Meier und damit für eine ganz andere Klassizität, die Le Corbusier und der Moderne nahesteht. Meier, der mit Museumsbauten in Atlanta, Barcelona und Frankfurt sein Können längst bewiesen und darüber hinaus mit dem Getty Center in Los Angeles eine spektakuläre Akropolis geschaffen hat, entschied sich einmal mehr für ein weisses Gebäude, das wie die Verkleinerung des MACBA in Barcelona wirkt. Obwohl das Burda-Museum volumenmässig bedeutend grösser wird als die benachbarte, aber leicht erhöht stehende Kunsthalle, ordnet es sich ihr mit seiner tiefer liegenden Traufhöhe diskret unter. Viel Glas und frei gestellte Wandflächen dürften dem neuen Haus, das durch eine gläserne Brücke an den gravitätischen Billing-Bau angekoppelt werden soll, etwas Heiteres und Leichtes geben.

Eine Ausstellung in der Kunsthalle vermittelt zurzeit anhand von Plänen und Modellen sowie Fotos anderer Meier-Werke einen Eindruck vom künftigen Museumsbau. Ein nach Osten zur Lichtentaler Allee hin gerichtetes Vordach wird künftig die Besucher in das dreigeschossige Atrium führen, von wo eine Rampe hinabweist zum Wechselausstellungssaal im Untergeschoss. Hier befinden sich zudem die Büros und die Depots. Von Süden her erlaubt eine durch zwei Wasserflächen und eine Kaskade begrenzte Absenkung des Parks natürlichen Lichteinfall. Im Parterre öffnet sich ein gut 15 × 30 Meter weiter und 13 Meter hoher Ausstellungssaal, der seitlich sowie durch ein Oberlicht erhellt wird. Dieses ist allerdings zum Teil verdeckt durch eine zweite, unter dem Glasdach eingehängte Galerie, die man durch den Luftraum des Foyers über vier Rampen und eine kleine, ebenfalls als Ausstellungsfläche genutzte Plattform im Zwischengeschoss erreicht.


Synergieeffekt

Der Besucher wird auf seiner Promenade architecturale dank grossen Fensterflächen und verglasten Ecken weder den Kontakt zur Aussenwelt noch die Orientierung verlieren. Hingegen dürfte er sich in diesen Sälen, in denen die Wandflächen entweder riesig und von einem Lichtsog nach oben bestimmt oder aber seitlich durch Raumschlitze geöffnet sein werden, wohl nur schlecht auf die Exponate konzentrieren können. Meiers Ausstellungsräume sind nämlich exakt die Antithese zu den vorbildlichen, nach innen orientierten Galerien der Kunsthalle. Als museologisches Experiment dürfte dieses Gegensatzpaar dereinst viel Interesse wecken. Doch wird man wohl bald merken, dass die Gemälde von Kirchner, Macke oder Beckmann, die Werkgruppen Rothkos und des späten Picasso sowie die Arbeiten von Pollock oder Clyfford Still in intimeren Räumen besser zur Geltung kämen; und selbst die grossformatigen Bilder von Baselitz, Polke und Richter könnten im turnhallenartigen Parterresaal dereinst verloren wirken.

Gleichwohl darf man im Neubau - dem ersten architektonisch ernst zu nehmenden zeitgenössischen Gebäude der Stadt - schon jetzt einen Gewinn für Baden-Baden sehen. Das neue Museum wird sich nicht nur gut in den Park einfügen, sondern mit der Burda-Sammlung auch die Stellung der Kunsthalle stärken. Dank der geplanten Zusammenarbeit der beiden Institutionen wird es möglich sein, mindestens einmal im Jahr eine wirklich umfangreiche, beide Häuser einbeziehende Ausstellung zu zeigen. So hofft man ähnlich wie mit dem 1997 von Wilhelm Holzbauer etwas bombastisch umgebauten Festspielhaus im Alten Bahnhof ein grosses Publikum anlocken zu können. Baden-Baden setzt also auf den Synergieeffekt - anders als etwa Bern, wo man mit der Auslagerung von Klee in ein «Museum Center» an der Autobahn das Gewicht des Kunstmuseums vermindern wird.


[Bis 10. November. Katalog: Der Neubau von Richard Meier. Hrsg. Sammlung Frieder Burda. Kunsthalle Baden-Baden, Baden-Baden 2002. 68 S., Euro 10.-.]

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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