Bauwerk

Kunsthalle Würth
Henning Larsen Architects - Schwäbisch Hall (D) - 2001

Ein Haus für die Provinz

Die neue Kunsthalle Würth in Schwäbisch Hall

23. Mai 2001 - Timo John
Vor wenigen Tagen wurde in Schwäbisch Hall die neue, vom dänischen Architekten Henning Larsen entworfene Kunsthalle Würth für moderne und zeitgenössische Kunst eröffnet. Der Stifter Reinhold Würth zählt zu den engagiertesten Kunstsammlern und grosszügigsten Mäzenen des Bundeslandes Baden-Württemberg.

Nachdem die Idee einer Kunsthalle für die über 5000 Werke moderner und zeitgenössischer Kunst der Sammlung Würth geboren war, wurden 1997 für den Wettbewerb insgesamt 13 international bekannte Architekten geladen. Mit dabei waren Mario Botta, der Architekt des Museum of Modern Art in San Francisco, oder Stephan Braunfels, der die Pinakothek der Moderne in München entwarf. Gewonnen hat schliesslich der Däne Henning Larsen, der sich mit Bauten wie dem Aussenministerium von Riad oder der Universität von Trondheim weit über seine Heimat hinaus einen Namen gemacht hat.

Wohl die schwierigste Aufgabe für Larsen war es, diesen modernen Baukörper in einem kleinen mittelalterlichen Stadtteil mit schmalen Häusern und engen Gassen möglichst sorgsam zu placieren - und zwar auf dem Dach einer zu einem ehemaligen Brauereigelände gehörenden Tiefgarage. Dies ist ihm erstaunlich gut gelungen. So bestehen die Aussenmauern des Neubaus aus lokal gewonnenem, grob behauenem Muschelkalk, einem Stein, mit dem auch in der Haller Altstadt über Jahrhunderte gebaut wurde. Larsen nimmt damit Bezug auf die Stadt und ihre Traditionen.

Auf Grund der Zweiteilung des Museumsbaus entstand in der Katharinenvorstadt auch ein neuer Platz. Dieser schliesst zur Haller Altstadt hin mit einer Eisenkonstruktion ab, durch die man wie durch ein überdimensioniertes Fenster einen einmaligen Blick auf das Schwäbisch Haller Stadtpanorama hat. Der Platz führt zu beiden Seiten in zwei flankierende Räume über: den Veranstaltungsraum und einen Verkaufsshop mit Cafeteria. Die beiden Räume sind in ihrer Proportionierung, ihrer Höhe und ihrem Tageslichteinfall zweifellos die schönsten des Museums. - Dem Gebäude, das wie aus grobem Naturstein in den Hang gemeisselt dasteht, ist zur Stadt hin ein Netzwerk aus Stahl und Glas vorgelagert. Hinter der Glasfront liegen die Treppenaufgänge, die das erste Obergeschoss mit den beiden darunter liegenden Ausstellungsräumen verbinden. Das zweite Obergeschoss ist als ein in den Baukubus eingestellter Tisch konzipiert, an dessen Enden sich zwei über beide Geschosse hinwegführende Galerien anschliessen. Von diesen ergeben sich zusammenführende Blickbezüge nach unten in das erste Obergeschoss. Auf den rund 670 Quadratmetern des zweiten Obergeschosses sollen künftig Wechselausstellungen zeitgenössischer und moderner Kunst gezeigt werden. Während dieses Geschoss 4 Meter hoch ist, hat das erste Obergeschoss nur 3,5 Meter, teilweise sogar nur 2,5 Meter Raumhöhe. Dort befinden sich neben 800 Quadratmetern Ausstellungsfläche Räume für die Haus- und Museumstechnik sowie ein kleines Bilderdepot. Die zahlreichen, etwas niedrig geratenen Kabinette ohne Tageslicht eignen sich höchstens zur Präsentation von lichtempfindlichen grafischen Arbeiten.

Die in 35 Jahren vom Industriellen Reinhold Würth zusammengetragene Sammlung Würth umfasst Grafik, Malerei und Skulptur und zählt zu den grössten Kollektionen ihrer Art in Deutschland. In ihrer Struktur zielt sie auf markante Positionen der internationalen Kunst des 20. und künftig auch des 21. Jahrhunderts. Sammlungsschwerpunkte wurden nach ausgewählten Künstlern wie Pablo Picasso, Max Ernst, Hans Arp, Alfred Hrdlicka, Serge Poliakoff, Arnulf Rainer, Christo und Jeanne-Claude, Eduardo Chillida oder Anthony Caro gesetzt, zu denen die Sammlung Würth umfangreiche Werkgruppen besitzt. Innerhalb der Sammlung lässt sich der Bogen der Kunst des 20. Jahrhunderts von den Klassikern des deutschen Expressionismus über Mitglieder der Pariser Künstlergruppe Abstraction-Création bis hin zu Fernand Léger, Marc Chagall oder Carlos Merida spannen. Hinzu kommen Vertreter der deutschen Kunst der sechziger, siebziger und achtziger Jahre wie Günther Uecker, Raimund Gierke, Horst Antes, Markus Lüpertz, Rainer Fetting oder Karl Horst Hödicke, aber auch Künstler aus Österreich, Italien, Spanien, Mexiko und den USA.

Zur Eröffnung der neuen Kunsthalle werden nun bis Ende Jahr 330 Kunstwerke aus der Sammlung unter dem Titel «Einblick Ausblick Überblick - Rendez-vous mit der Sammlung Würth» gezeigt. Einige der Werke werden das erste Mal einer Öffentlichkeit vorgestellt, so z. B. das im letzten Jahr erworbene Picasso-Gemälde «La fillette au bateau» von 1937. Dass man bei der Auswahl der Objekte aus dem Vollen schöpfen konnte, darauf deutet die dichte, aber nicht unproblematische Hängung hin. An die schwierigen Innenräume des neuen Museums werden sich die Ausstellungsmacher noch gewöhnen müssen. Dennoch darf man von einem gelungenen Auftakt sprechen.


[Einblick Ausblick Überblick. Die Sammlung Würth. Hrsg. C. Sylvia Weber und Museum Würth. Swiridoff-Verlag, Künzelsau 2001. 2 Bde. 1211 S., Fr. 132.- (ISBN 3-934350-40-2). ]

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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