Bauwerk

Haus A.
Hans Gangoly - Graz (A) - 2000

Gezähmte Grandezza

Auf Pomp und Trara konnte Architekt Hans Gangoly bei einem Haus in Graz verzichten. Dass es dennoch auffällt, hat mit der geschickten Inszenierung des Unauffälligen zu tun.

7. Februar 2001 - Franziska Leeb
Die Hänge des Grazer Stadtteils St. Peter zählen zu den begehrtesten Wohnlagen der steirischen Landeshauptstadt. Manche davon wurden erst innerhalb des letzten Jahrzehntes erschlossen und zeigen das unglaublich breite Spektrum des (Un-)Möglichen. Von Homogenität keine Spur. Aus baukünstlerischer Sicht Wertvolles, angestrengt trendig Wirkendes, unsägliche Minischlösser und Anwesen, die offenbar von Ferienclubs in der Dominikanischen Republik inspiriert sind, stehen Parzelle an Parzelle. Aus diesem Sammelsurium der Trends und Geschmäcker herauszustechen ist nicht leicht.
Ein Haus fällt dadurch auf, dass kein Versuch unternommen wurde, aufzufallen. Es stammt vom Grazer Architekten Hans Gangoly, der mit dem nobel zurückhaltenden Bau „eine Geschichte über die klassischen Themen des Einfamilienhausbaues“ erzählen möchte. Schlagworte wie der Bezug zwischen Innen- und Außenraum, das Haus als Bühne des Lebens, Offenheit und Geborgenheit spielen dabei ebenso eine Rolle wie die Manifestation einer bestimmten Lebenseinstellung.

Das steile, nach Südosten Richtung Stadt und Grazer Becken abfallende Hanggrundstück und die alleinige Erschließungsmöglichkeit von unten, lieferten schon maßgebliche Parameter für die Konzeption. Sowohl die attraktive Aussicht, Straße und Zugang an einer Seite boten einen guten Grund, das Wohnhaus selbst so weit wie möglich zurückzusetzen. Neben der Garage, deren Dach zugleich als Terrasse für eine im Erdgeschoß untergebrachte Einliegerwohnung ist, führt eine steile Treppe zum Eingang. Im Erdgeschoß befind et sich als Angelpunkt eine großzügige Eingangshalle, deren Luftraum bis zum Dach reicht. Ein rechteckiger verglaster Dacheinschnitt substituiert ein ebenfalls in Betracht gezogenes Atrium. Die weiße Lamellendecke wirkt wie ein Weichzeichner für das einfallende Licht.

Das Obergeschoß entwickelt sich um den Luftraum der Diele und ist in einen „privaten Rücken“, den Zimmertrakt, und einen „offenen Bauch“ zoniert. Dennoch sind Küche und Wohnraum nicht als typischer Einraum konzipiert, sondern trotz des Verzichts auf Raumteilung in Bereiche von verschiedengradiger Offenheit gegliedert. Auch im Freien entstanden dank breiter Deckenauskragungen geräumigen Terrassen auf beiden Ebenen sowie im völlig zurückgezogenen Gartenhof an der Rückseite des Hauses Freiräume von unterschiedlicher Intimität. Sympathisch wirkt das sowohl innen als auch außen durchgezogene Farbkonzept aus gebrochenem Weiß, sowie Beige- und Grautönen. Sie sorgen für einen dezenten Hintergrund und für eine weiche Lichtstimmung. Reinweiße Fläche gibt es keine.

Viele Einfamilienhäuser können es aufgrund falsch gesetzter Wertigkeiten, mangelhaften Raumverständnisses oder oft auch durch ökonomische Zwänge bedingt in punkto Lebensqualität bei weitem nicht mit einer gut konzipierten Wohnung im Geschosswohnbau aufnehmen. Ihr einziger Pluspunkt bleibt ein fragwürdiges „My-Home-is-My-Castle-Gefühl“. Es ist daher bemerkenswert, wenn der - bestens im Bewohnen großer Häuser erfahrene - Bauherr an seinem neuen Haus sehr schätzt, dass er es „wie eine Wohnung bewohnen kann“. D azu gehört der große Vorteil des Wohnens auf einer Ebene oder der kaum pflegebedürftige Außenraum, kurzum - alle Beschwerlichkeiten, die das Wohnen in einem großen Haus üblicherweise mit sich bringt, fallen hier weg. Dennoch handelt es sich hier um kein kleinliches Einfamilienhaus, sondern um eine recht erwachsene Villa, die es nicht nötig hat, sich mit aufwendigen Eyecatchern

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