Bauwerk

Weingut Loimer
Andreas Burghardt - Langenlois (A) - 2000

Ohne Speck und Spektakel

Schwarz und pur, ohne modisches Dekor und auffallend unauffällig in die Landschaft eingefügt: das jüngst erweiterte Weingut Loimer in Langenlois.

21. August 2010 - Franziska Leeb
Als der Langenloiser Winzer Fred Loimer vor einem Jahrzehnt den Architekten Andreas Burghardt mitder Planung eines Präsentations- und Bürogebäudes beauftragte, stand er am Beginn seiner Karriere als einer der besten Weinmacher Österreichs. Burghardt hatte bisdahin noch kein Gebäude unter eigenem Namen geplant, mittlerweile fällt sein Name in so gut wie jeder Zusammenschau über die interessantesten Bauten für den Wein. Loimer hatte den Haindorfer Schlosskeller aus dem 18. Jahrhundert erworben, ein unterirdisches Netz aus geometrisch angeordneten Ziegelgewölben. Dort, wo die breite Treppe aus der Unterwelt nach oben führt, wurde damals das erste neue Gebäude – genannt Weinloft – realisiert. Straßenseitig ein Degustationsraum und im rechten Winkel dazu Büroräumlichkeiten umschließen einenHof. Das Ganze ist im Maßstab verträglich zur Umgebung, sogar niedriger als manch benachbartes Presshaus, kurzum ein Musterbeispiel für gut in die Ortsstruktur und die Landschaft integriertes zeitgemäßes landwirtschaftliches Bauen.

Zum Hof hin offen über großflächige Schiebefenster, zur Straße hin bis auf eine quadratische Verglasung nächst dem Eingang uneinsehbar und – das schreckte selbsternannte Ortsbildhüter wohl am meisten – rundum schwarz verputzt. Diese kompromisslose Reduziertheit unterscheidet sich von der bis heute in der landauf, landab in der neuen Weinarchitektur gepflegten Geschwätzigkeit mit ihren Zitaten und Anspielungen – sei es an feudale Architektur der französischen Chateaus oder in Form von vermeintlich weinbauspezifischen Materialien wie grünem Glas, Flaschen, Kork, Naturstein, Eichenholz oder was marketingbeflissenen Menschen sonst einfällt. Burghardt und Loimer haben sich nicht dazu verleiten lassen, Funktion und Inhalt zu überhöhen und als Ausdruck des im Zuge des Weinbooms erstarkten Selbstbewusstseins der jungen Winzerszene eine dekorierte Hütte zu bauen. Vor wenigen Jahren noch der letzte Schrei, sehen manche davon nämlich schon wieder ziemlich alt aus.

Heuer wurde die nächste Bauetappe fertig. Grund genug für einen Lokalaugenschein im neuen Keller, um zugleich die „Haltbarkeit“ des ersten Teils zu überprüfen. Der Nicht-Farbigkeit mit schwarzem Putz und Sichtbeton blieb man konsequent treu, dem Anspruch, möglichst große Teile der Kubatur im Gelände zu verbergen, ebenfalls. Angeordnet wurde der neue Bauteil dort, wo eine der unterirdischen Röhren des Reifekellers unter dem Weingarten durchsticht und sich so auf kurzem Weg Abfüllung und Auslieferung der edlen Tropfen praktisch bewerkstelligen lassen.

Eine schwarze Kiste umhüllt das Erdgeschoß. Über den innerhalb der Mauern gelegenen Hof wird das Lesegut angeliefert, um im Inneren per Sortiertisch und Rebler von allem befreit zu werden, was einer hohen Weinqualität abträglich sein könnte. Die Anlage auf drei Ebenen hat produktionstechnische Gründe, weil Trauben und Most nicht gepumpt werden müssen, sondern schonend per Schwerkraft in die Tiefe befördert werden, ist aber noch mehr dem Wunsch geschuldet, möglichst wenig Bauvolumen überirdisch zutage treten zu lassen. Im ersten Untergeschoß befindet sich die Presse und zuunterst der Tankkeller für an die 50 Edelstahltanks sowie das Flaschenlager, Abfüllung und Expedit, alles zum überwiegenden Teil von neu ausgesetzten Rebzeilen und begrünten Böschungen überdeckt.

Man spürt, dass eine auf das Wesentliche beschränkte und die Bedürfnisse maßgeschneiderte Funktionalität die Konzeption bestimmte und man wenig davon hält, Besuchermassen ein Spektakel darzubieten. Beeindruckend ist das Ganze dennoch, weil mit einfachen Mitteln vorexerziert wird, dass gute Gestaltung nicht in teuren Zutaten besteht, sondern bei der sorgfältigen Bedachtnahme auf das Notwendige beginnt. Kreuzförmig angeordnete Leuchtstoffröhren und schlanke, raumhohe Türen sowie die direkt in einer ästhetisch ansprechenden Typografie auf die Sichtbetonwändeangebrachten Raumbezeichnungen und Sicherheitshinweise sind Ausdruck einer gepflegten Betriebskultur.

Nur einen Ort gibt es, der nicht einzig dem Betriebsablauf zu Diensten steht: eine Aussichtsterrasse im Erdgeschoß, auf der mit Disziplin und Dezenz ein angemessener Rahmen zur Huldigung des Terroirs geschaffen wurde. Die Hermeneutik des von Wänden umgebenen Raums unter freiem Himmel wird nur durch eine bis zur Wandoberkante reichende Glasscheibe unterbrochen, die den Blick auf die bekannteste Lage der Region, den Heiligenstein, freigibt. Zusätzlich lenken Gucklöcher dosiert die Aufmerksamkeit auf weitere Punkte in der Umgebung.

Einziges Möbel ist ein mächtiger Tisch aus wetterfestem Baustahl, der mit seiner charakteristischen Rostschicht der Roheit dieses ungedeckten Raums Rechnung trägt. „Affig“ würde hier ein fein ausgearbeiteter Tisch mit weißer Oberfläche aussehen, wie er üblicherweise zur richtigen Beurteilung der Weinfarbe als Muss gilt, so Architekt Burghardt. Zudem steht ein solcher Tisch mit beeindruckenden acht Metern Länge ohnedies im Weinloft bereit.

Die Architektur des Weingut Loimer erscheint vorerst radikal in ihrer Reduziertheit, ist aber durchaus bodenständig und schlüssig. Wie die traditionellen niederösterreichischen Presshäuser mit gekalktem Ziegel- oder Lehmmauerwerk und ihren winzigen Lüftungsluken Nutzbauten von archaischem Charme sind (der durch Umrüstungen zu Kellerstüberln und den Verschönerungswahn von Freizeitwinzern sukzessive abhanden kommt), ist sie nichts anderes als eine moderne Entsprechung, funktional und ohne überflüssigen Speck. Die Geschlossenheit, der schwarze Putz außen und der Sichtbeton innen hat viele verstört, aber andere angezogen. „Das Gebäude sucht sich die Kunden aus“, sagt Loimer.

Die Bedenken ob der Richtigkeit des Konzepts, die den Architekten vor zehn Jahren plagten, kann er getrost ablegen. Das Weinloft hat immer noch Würde, es ist gealtert, ohne Schaden zu nehmen, der schwarze Putz frei von Rissen, die Holzböden altern sowieso schön. Man spürt, dass hier viel Betrieb ist, aber auch die Kinder der Familie willkommen sind und sich hier wohlfühlen. In einem kultivierten Umfeld wird gelebt und gearbeitet, Gebäude und Menschen biedern sich nicht an, veranstalten kein Spektakel. Weinloft und Keller, eine bestehende Maschinenhalle, die einst nur saniert und zwecks optischer Kompatibilität schwarz verputzt wurde, und die historischen Keller im Untergrund sind kommunizierende Gefäße und ein Beweis dafür, dass betriebtechnische Vernunft und Sinn für Ästhetik einander nicht ausschließen.

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