Bauwerk

Universität für Musik und darstellende Kunst - Umbau
Reinhardt Gallister - Wien (A) - 1999
Universität für Musik und darstellende Kunst - Umbau, Foto: Mischa Erben

Wie man Flatterecho vermeidet

Die Skepsis war groß: Würde es gelingen, die Gebäude der Veterinärmedizinischen Universität im dritten Wiener Gemeindebezirk für die Universität für Musik und darstellende Kunst zu adaptieren? Reinhard Gallister schaffte es – mit Eingriffen in den klassizistischen Zweckbau.

20. November 1999 - Walter Zschokke
Die ausgedehnten Anlagen des ehemaligen kaiserlichen „Tierarznei-Instituts“hinter der Straßenzeile an der Ungargasse im dritten Wiener Gemeindebezirk, die mit ihrer eher bescheiden wirkenden Hauptfront zum Bahneinschnitt orientiert sind, befanden sich in einem desolaten Zustand. Sie waren in den Jahren 1821 bis 1823 von Johann Aman (1765 bis 1834) errichtet worden, dessen Name wohl nur einem kleinen Prozentsatz der Fachleute heute noch geläufig ist. Damals war er immerhin Hofbaumeister, und sein in sprödem Klassizismus errichteter Zweckbau hat seine kühle, disziplinierte Grundhaltung mittlerweile wiedergewonnen. Anfangs hatten nicht wenige gezweifelt, ob diese Substanz für die Verwendung als Musikuniversität überhaupt taugen könne.

Es bedurfte eines ausgeprägten Möglichkeitssinnes, in den von zahlreichen Einbauten und abgehängten Decken überwucherten, mehrheitlich als Labors genutzten Baustrukturen die historischen wie die künftigen Räume zu erschauen, in denen neu die universitäre Musikausbildung in Wien stattfinden sollte. Reinhard Gallister als Architekt und Generalplaner sowie Gerhard Buresch von der Bundesimmobiliengesellschaft als Bauträgerin und die Gruppe der Nutzervertreter um Rektor Erwin Ortner standen daher vor einer anspruchsvollen Aufgabe.

Johann Aman hatte den Hauptbau der Tierarznei-Schule um einen querrechteckigen Hof organisiert, auf den er den Erschließungsgang orientierte. Die Treppenhäuser befinden sich jeweils in Traktmitte. Die Hauptansicht zum heutigen Bahneinschnitt –damals der Wiener Neustädter Kanal, dessen unterste Schleusenstufe sich exakt vor dem Hauptbau befand – zeichnete er durch einen palaisartigen Mittelbau aus; niedrigere, freistehende Flügelbauten verliehen der Schaufront zusätzliche Breite. Heute ist sie durch den unregelmäßigen Baumbestand in ihrer Wirkung leider ziemlich eingeschränkt. Ein auf die Architektur abgestimmtes gärtnerisches Pflanz-und Pflegekonzept würde die Wirkung auf mittlere Distanz wesentlich verbessern.

Das Innere der Gebäude wurde durch die Erneuerung wieder auf seine ursprünglichen räumlichen Strukturen zurückgeführt. Eine Mittelmauer in asymmetrischer Lage trennt Gang- und Foyerbereiche von den Übungssälen und -zimmern. Dabei kommen die Mauerstärken von über einem Meter den akustischen Bedürfnissen entgegen. Einziger Störfaktor ist die Bahnlinie, insbesondere die Güterzüge, weshalb die empfindlichsten Nutzungen in den hofseitigen Trakten untergebracht wurden.

Das gesamte Erdgeschoß ist massiv überwölbt, was den Räumen zu einem feierlichen Ausdruck verhilft. Die Mauern und Gewölbekappen wurden glatt geputzt und weiß gestrichen, wodurch die klaren räumlichen Dispositionen zutage treten. Dazu im Gegensatz stehen die Treppenhäuser, die Aman in rauhem Muschelkalk, aber in feiner Detaillierung ausgeführt hatte, sodaß sie sich mit ihrer materialen Kraft vom abstrahierenden Weiß absetzen. Ein bequemes Stufenverhältnis von 13 zu 40 Zentimetern – heute gelten 16 auf 30 Zentimeter als Norm – bestätigt, daß die Treppenanlagen nebender säulengeschmückten Eingangshalle dem Hofbaumeister gestalterisch ein Hauptanliegen gewesen sein müssen. Von der damaligen Festsaalgestaltung ist hingegen nichts erhalten.

Dieser durchaus noblen, vom Bundesdenkmalamt gewürdigten Struktur überlagerte Architekt Gallister sein System hinzugefügter Elemente, das in Form unterschiedlich gearteter Paneele klar als neue Maßnahme erkennbar bleiben wird. Damit ist die historische Struktur nicht verunklärt, sondern erfährt eine Präzisierung und Steigerung.

Alle Übungsräume mußten mit Doppeltüren ausgestattet werden. Dies wurde so gelöst, daß gangseitig ein Paneel vor die Mauer gestellt wurde, in das eine oder mehrere Türen bündig eingeschnitten sind. Der warme Buchenholzton erzeugt in den Gängen und Foyers eine angenehme Stimmung. Die Holzverkleidung zieht sich nun in der Türlaibung nach innen und weitet sich im Übungszimmer wieder zum Paneel – oft sogar noch in einer Raumecke weitergeführt – ,in das die Tür wieder bündig eingeschnitten ist. Feine Lochungen überziehen zwecks Dämpfung des Halls innen und außen und im Türzwischenraum die in Buche furnierten Tafeln. In aufwendiger Konstruktion sind sämtliche Zwischenwände in den Übungsbereichen doppelt ausgeführt und um einige Winkel gegeneinander verschwenkt, was mit dem Auge nicht bemerkbar ist, sich aber raumakustisch positiv auswirkt, da ein Flatterecho vermieden wird.

Die Decken der überwölbten Räume mußten speziell behandelt werden, da konkave Flächen extrem problematisch sind, weil sie die Schallwellen fokussieren. In Zusammenarbeit mit dem Akustiker Karl Bernd Quiring entwickelte Gallister ein abgehängtes konvexes Paneel, in das auch die Beleuchtungselemente integriert worden sind. Ebenfalls in Buche furniert, trägt es mit dem Parkettboden zu einer wohnlichen Raumstimmung bei, ohne daß der Sachverhalt der Überwölbung wie bei einer abgehängten Decke ausgeblendet wäre. Im Gegenteil, die in den Gewölbeansatz hinaufgreifenden Anschnitte der Rundbogenfenster bleiben sichtbar.

Mag sein, daß der spröde Klassizismus des Johann Aman heute anders gesehen wird als noch vor wenigen Jahrzehnten. Die zeitgenössische Architekturströmung einer schnörkellosen Einfachheit schafft es jedenfalls ausgezeichnet, mit den klaren Proportionen der Räume und dem kühlen Weiß der Mauern in Dialog zu treten.– Die Lage der Gangbeleuchtung ist auf die Fensterachsen der Hoffassade abgestimmt und in „Striche“(Fluoreszenzleuchten) sowie große (Tiefstrahler) und kleine „Punkte“ (Halogenleuchten) differenziert.

Es ergibt sich, entsprechend den Fensteröffnungen für das natürliche Licht, eine architektonisch gebundene Ordnung für die Beleuchtung, auf die zudem die jeweiligen Längen der Türpaneele abgestimmt wurden, sodaß ein subtiles Zusammenwirken von Decke und Wänden entsteht, das zwar kaum explizit wahrgenommen wird, aber dennoch räumlich eine Rolle spielt.

Konzertsäle und Studioräume erfuhren unter Beiziehung des Akustikers eine intensive Bearbeitung. Mehrere Paneele – teils verschwenkt und hart, teils hinter einer leichten Stoffbespannung weich und veränderbar – bestimmen sowohl akustisch als auch gestalterisch den Raum. Hier setzte Gallister gezielt Farbe ein, um den Sälen Individualität und zusätzliches Flair zu verleihen. Die Fensterwände blieben unverändert, sodaß eine Gesamtidentität gewahrt bleibt.

Mit sparsamen architektonischen Interventionen gelang es bei diesem Bauwerk, den kargen Ausdruck klassizistischer Zweckarchitektur in eine geringfügig, aber entscheidend festlichere Stimmung zu versetzen, die der international gewichtigen Wiener Universität für Musik und darstellende Kunst angemessen ist.

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