Bauwerk

Beobachtungswarte „Der Kristallis“ Wilhelm-Svarovski
Herwig Ronacher, Andrea Ronacher - Hohe Tauern (A) - 1998
Beobachtungswarte „Der Kristallis“ Wilhelm-Svarovski, Foto: Alexander Eder
Beobachtungswarte „Der Kristallis“ Wilhelm-Svarovski, Foto: Alexander Eder
Entwurf – Symbolgehalt der Form: Beim sogenannten „Kaiserstein“, diesem geschichtsträchtigen Standort auf der Kaiser-Franz-Josefs-Höhe, sollte 20 Jahre nach der Errichtung eines Geschäftes und eines Restaurants (der Familien Pichler und Sauper) eine Aussichtswarte entstehen.
Der neue Baukörper bedient sich des bestehenden, aus Natursteinen errichteten Flachbaues als Plattform. Die Bestandskubatur wird als Teil der Geländeformation angesehen. Der neue Baukörper in Form eines Kristalls durchdringt diese Geländeformation. Die Aussichtswarte ist daher nicht nur aus Stein gebaut - sie ist selbst „Stein“. Dadurch wird nicht nur der Symbolik des Standortes, des „Kaisersteins“ Rechnung getragen, sondern auch der Tatsache, daß in den Hohen Tauern der Bergkristall jener Edelstein mit besonderem Symbolgehalt ist.

Warum ein Kristall aus Holz? Obwohl diese Bauaufgabe bei extremen klimatischen Bedingungen (1.000 kg Schneelast - enorme Windkräfte - Schnee, Eis und Hitze) höchsten Ansprüchen hinsichtlich Konstruktion und Detailgenauigkeit gerecht werden mußte, wurden für die Primärkonstruktion und auch für wesentliche Teile des Innenausbaues der Baustoff Holz verwendet. Die Summe seiner Vorzüge (Tragfähigkeit, Elastizität, Bauphysik, Ökonomie, Ökologie) ermöglichte, daß sich das Holz letztlich auch für diese Bauaufgabe als idealer Baustoff angeboten und bereits bewährt hat.

Konstruktion: Die Struktur des „Kristalls“ baut auf einem sechseckigen Grundriß mit einer Seitenlänge von 5,40 Metern auf. Der innere Säulenkranz führt durch das ganze Bauwerk nach oben und trägt neben den Besucherplattformen die Mittelpfette der Dachkonstruktion. Der äußere Säulenkranz setzt auf den über zwei Geschoße laufenden Außenmauern auf. Um die Querschnitte so schlank wie möglich zu halten wurden alle Bauteile in ein räumliches Tragkonzept eingebunden.
Die Hauptlast übernehmen runde Brettschichtholzsäulen (20 cm bzw. 24 cm Durchmesser im EG), die durch Manschetten aus Stahl miteinander verbunden sind. An diese Rohrabschnitte schließen die Schwertbleche der einzelnen horizontalen Hölzer an und bilden somit klar definierte Knoten. Die Funktion der Stahlteile wurde durch bewußtes Absetzen der Holzquerschnitte optisch verstärkt. Die lotrecht verlaufenden Glasträger werden zusätzlich zur Abtragung der vertikalen Belastung herangezogen und entlasten die Plattformträger. Kreuzweise im inneren Sechseck angeordnete Stahlzugstangen bilden den „aussteifenden Kern“ des Bauwerkes.

Montage und Vorfertigung: Einer der wesentlichen Punkte der Überlegung, das Bauwerk in kürzester Bauzeit zu errichten, war die Entscheidung, die Konstruktion bis ins Detail vorzufertigen. Die Montagezeit in hochalpiner Landschaft mußte so kurz wie möglich gehalten werden. Das Wetter kann auf 2.500 m sofort umschlagen, ein Sturm die Montagearbeiten unmöglich machen. Der Abbund des gesamten Bauwerks erfolgte zur Gänze mit einer CNC-Anlage im Werk der Firma Holzbau Hofer.
Einer der schwierigsten Punkte war das Aufrichten des Kristalls. Die Montage der Holzkonstruktion und der Glasfassade erfolgte ausschließlich per Hand. Die gesamte Tragstruktur wurde von den Zimmerern mit traditionellen Mitteln errichtet, alle Bauteile über Leitern und Hilfsgerüste nach oben geschafft. Durch die exponierte Lage war der Einsatz eines Kranes nicht möglich. Dieses Faktum gab auch die gewählte Größe der Glasflächen vor.

Funktion: Grundidee des Gebäudes ist es, für die Besucher der Großglockner Hochalpenstraße und des Nationalparks einen witterungsgeschützten, transparenten Raum zu schaffen, um in Ruhe die einmalige Hochgebirgslandschaft des Großglocknermassivs betrachten zu können, und durch gezielte Information im Inneren, Wissen zu vermitteln. Das Objekt besteht aus vier Ebenen, wobei das Erdgeschoß und das erste Obergeschoß fast zur Gänze geschlossen sind. Dennoch dringt Licht durch die transparenten Fassaden der oberen Geschoße über die offenen Lufträume in die Mitte des Kristalls bis in das Erdgeschoß. Hier und im ersten Obergeschoß wird der Besucher darauf eingestimmt, was er in den völlig aufgeglasten Obergeschoßen an Naturerlebnissen mittels Präzisionsgeräten der Firma Swarovski beobachten kann.

Klimatisierung: Über einen Zuluftkamin aus Edelstahl wird Kaltluft aus dem Außenbereich in den oberen Bereich des Kristalls befördert, über den Abluftkamin gelangt von dort die heiße Luft nach unten ins Freie. Durch die relativ kühle Außentemperatur in dieser Höhenlage ist es möglich, ohne Klimatisierungsgerät Überhitzungen zu vermeiden.

Künstlerische Gestaltung: Adi Holzer schuf die sechs Glasmosaike an der Spitze des Kristalls, welche in ihrer Gesamtheit die Spektralfarben wiedergeben und die Brechung des Lichts symbolisieren.

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Für den Beitrag verantwortlich: Österr. Holzleimbauverband

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Akteure

Architektur

Bauherrschaft
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