Bauwerk

Österreichisches Kulturinstitut
Raimund Abraham - New York (USA) - 2002
Österreichisches Kulturinstitut, Foto: David Plakke
Österreichisches Kulturinstitut, Foto: David Plakke

„Bauen ist ein Verdummungsprozess“

In New York lebender Osttiroler mit österreichischer Herzensbindung und amerikanischem Pass - Raimund Abraham.

15. April 2002
Seit kurzem ist Raimund Abraham Amerikaner. Für jemanden, der bereits 1964 von Österreich in die USA auswanderte und seit 1971 in New York City lebt, unterrichtet und arbeitet, an sich nichts Ungewöhnliches. Und doch war der Schritt, den der am 23. Juli 1933 in Lienz (Osttirol) geborene Raimund Abraham mit dem Ansuchen um die amerikanische Staatsbürgerschaft setzte, kein Formal-, sondern ein Kraftakt.


Protest gegen FPÖ

Bei jeder Gelegenheit versichert Abraham, der mit weißem Schnauzbart, Schlapphut und oft einer Zigarre im Mundwinkel auch im Auftreten seine Eigenwilligkeit betont, wie sehr er seiner Heimat verbunden sei und beim Wegfall seines Grundes auch sogleich bei den österreichischen Behörden um die Zuerkennung einer Doppelstaatsbürgerschaft einkommen wolle.

Sein Grund - das ist die Regierungsbeteiligung der FPÖ. Sein bereits vor zwei Jahren gestellter Antrag wurde von den US-Behörden erst jetzt bewilligt - kurz vor der Einweihung des von ihm errichteten Kulturforums New York, mit dem sich die Republik Österreich ein modernes Image geben möchte. Zur Eröffnung werden namhafte Repräsentanten der Regierung erwartet, und für den streitbaren Architekten verspricht der Tag spannend zu werden.


Visionäre Architektur

Nach Absolvierung des Realgymnasiums in Lienz studierte Abraham 1952-58 an der Technischen Universität in Graz und schloss diese mit Auszeichnung ab. 1959-64 arbeitete er in Wien als Architekt, mehr auf dem Gebiet der Theorie als auf jenem der Praxis. „Imaginäre Architektur“, „Visionäre Architektur“, „Elementare Architektur“ lauteten die Stichworte, mit denen er „Anstoß zu einer Diskussion über das Wesen der Architektur und ihre Beziehung zur Kultur unserer Zeit“ gab, wie es Terence Riley einmal nannte.

Abraham galt als einer der Exponenten der neuen Wiener Architektur-Avantgarde und wurde als solcher 1967 gemeinsam mit Hans Hollein und Walter Pichler im Museum of Modern Art in New York ausgestellt. Zu diesem Zeitpunkt lebte er bereits drei Jahre in den USA. Zunächst lehrte er an der „Rhode Island School of Design“, bevor er als Architekturlehrer nach New York wechselte, an das „Pratt Institute“ und die „School of the Cooper Union“.


Zweite Plätze

An internationalen Wettbewerben beteiligte er sich mit Aufsehen erregenden Entwürfen, doch bei den Big-Projects schienen zweite Preise lange sein Schicksal zu sein: Im Wettbewerb um das Centre Pompidou (1971) wurde er ebenso knapp geschlagen wie in jenem um die Opera de la Bastille (1983).

Die Liste seiner realisierten Werke ist ungleich kürzer als die jener Bauten, deren Architekten er beeinflusst hat. Einige Wohn- und Geschäftshäuser in den USA und in Österreich (so zeichnete er für den Masterplan und Gebäudesegmente der Siedlung Traviatagasse in Wien verantwortlich) sind darunter, das Anthology Filmmuseum New York oder die Hypo-Bank in seiner Heimatstadt Lienz.


„Steinerner Löwe“

Nach Abschluss des Kulturforums New York will sich Abraham, der 1985 mit dem „Steinernen Löwen“ auf der 3. Architektur-Biennale Venedig ausgezeichnet wurde, ein eigenes Haus in Mexiko bauen. Obwohl ihm das reale Bauen, auch das hat er immer wieder betont, viel weniger interessiert als die theoretische Architekturaufgabe: „Bauen ist irgendwie doch ein Verdummungsprozess.“


Tipp
„Raimund Abraham - [Un]Built“, Brigitte Groihofer (Hg.), Springer Verlag, ISBN 3211826718.

Links
Raimund Abraham in der Architekturdatenbank nextroom

Abraham-Projekte
Die für den Wettbewerb eingereichten Entwürfe finden sich bei archidose.

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Für den Beitrag verantwortlich: ORF.at

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