Bauwerk

Österreichisches Kulturinstitut
Raimund Abraham - New York (USA) - 2002
Österreichisches Kulturinstitut, Foto: David Plakke
Österreichisches Kulturinstitut, Foto: David Plakke

Zwischen Guillotine und Totempfahl

Raimund Abrahams „Austria-Tower“ für New York

5. Februar 1993 - Roman Hollenstein
Eingeklemmt in der Hochhausschlucht von Manhattans 52. Strasse, soll sich 1995 das Österreichische Kulturinstitut erheben. Mit visueller Aggressivität wird es Zeugnis davon geben, dass die Alpenrepublik neben Opernbällen und Lipizzanertänzen auch Angriffiges zu bieten hat - bis hin zu Nitschs blutigen Ritualen. Kaskadenartig stürzt die leicht geneigte Glasfassade zur Strasse nieder, optisch nur gebremst von einem schmalen Vordach über dem Eingang: das Haus als Guillotine. Doch soll hier nicht die Kultur geköpft, sondern mit revolutionärem Schwung formale Kühnheit zur Schau gestellt werden. Das bedrohliche Erscheinungsbild des von einem stählernen Brustbein zusammengehaltenen Glaskörpers macht Sinn. Kann doch dieser Bau, der sich nicht als stolzer Solitär zwischen New Yorks Giganten erheben wird, nur mit solch heftiger Direktheit Aufmerksamkeit erregen.

Obwohl der 20geschossige Turm von seiner Statur her zu den Zwergen zählen wird, machte er wie kaum ein anderer Bau Manhattans schon im pränatalen Zustand Furore. Dies nicht zuletzt wegen seines Schöpfers, des 60jährigen Osttirolers und Wahlamerikaners Raimund Abraham, der in der New Yorker Szene als mysteriöse Kultfigur gilt. Der seit mehr als zwei Dekaden an der Cooper Union lehrende Architekt visionierte nicht nur vor Jahren schon „vertical buildings growing toward the light of mechanical suns“. Er machte sich zudem mit unheimlichen Skizzen und Modellen, mit unkonventionellen Wettbewerbsbeiträgen und mit einem Berliner IBA-Haus von brutaler Schönheit einen Namen.

Abraham wird Österreich mit diesem virtuos inszenierten Turm in New York einen grossen, kulturpolitisch wichtigen Auftritt verschaffen. Deshalb wohl stellte sich das Wiener Aussenministerium klar hinter den gewagten Entscheid der hochkarätigen Jury, die aus nicht weniger als 226 eingereichten Projekten auszuwählen hatte. So muss sich nun der allmächtige Stararchitekt Hans Hollein mit dem zweiten Platz begnügen. Der Baubeginn wurde auf 1994 festgelegt. Im Jahr darauf soll das Haus über dem nur 7 Meter breiten und 23 Meter tiefen Grundstück stehen und neben Kino, Bibliothek und Cafe auch zwei Ausstellungssäle, Wohnungen und Büroflächen für österreichische Firmen enthalten.

In seiner Zeichenhaftigkeit wird sich der bereits mit Frank Lloyd Wrights Guggenheim Museum verglichene Bau mit Spitzenwerken der Hochhausarchitektur wie Fosters oder Peis Türmen in Hongkong oder Seidlers Capita Centre in Sydney messen können. Doch wird er nicht wie diese Gebäude der Technologie huldigen, sondern - einem psychoanalytischen Katalysator gleich - die Angste und Zweifel der Menschheit an der Schwelle zum dritten Jahrtausend aufzeigen. Abraham selbst bezeichnet seinen Entwurf, den man in unserer gewalttätigen Zeit als Mahnmal interpretieren möchte, als „eine Mischung aus und Osterinsel-Skulptur“. Damit wird dieser gleichermassen zur zeittypischen Erwiderung auf Mies van der Rohes Funktionalismus wie zur Neuinterpretation von Aldo Rossis Forderung nach dem symbolhaften Turmbau.

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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