Bauwerk

bürogebäude r12
archiguards ZT GmbH - Wien (A) - 2004

In der Höheren Sehanstalt

Mit sicherem Blick: Ein Reprobetrieb in Wien bekam Hilfe von den archiguards

31. Juli 2004 - Oliver Elser
Jemand, der einen Scanner für 59 Euro nach Hause trägt, um endlich seine alten Fotoabzüge zu digitalisieren, dürfte für die Tätigkeit von Repro12 wohl wenig Verständnis aufbringen. Aber nachdem die erste Euphorie vorbei ist, wird der Unterschied ins Auge springen: Ein Originalabzug ist viel brillanter, farbintensiver und schärfer als ein hausgescanntes Bild. Wie so oft könnte durch höhere Investitionen ein besseren Ergebnis erzielt werden.

Die teuersten Geräte, um Bilder abzutasten, stehen bei Unternehmen wie Repro12. Nur ist Reprotechnik kein rein technischer Vorgang. Auch die aufwändigsten Scanner sind bloß so gut, wie die Augen der Leute geschult sind, die das Ergebnis weiter bearbeiten.

Denn je nachdem, auf welcher Druckmaschine und welchem Papier das Bild später wieder ausgegeben wird, sind weitere Schritte nötig. Wer einmal neben einem Grafiker gesessen hat, der gerade an den Farbwerten eines Fotos herumdreht, der weiß, wie viel Sehtraining diese Arbeit erfordert. Während man selbst keine Veränderung bemerkt, dauert es ewig, bis alles so abgestimmt ist, dass später der Jeansstoff in der Werbung wie Jeansstoff aussieht. Früher, erzählt das Bauherrenpaar Spannbauer, da war es ganz normal, dass den Modefotos Stoffproben beigelegt waren, damit die Reproanstalt sich daran orientieren konnte.

Und heute?, müsste die Rückfrage lauten, aber es ist deutlich zu sehen, dass sich die Spannbauers in einer Nische eingerichtet haben, in der noch immer Stoffproben herumliegen, manchmal auch Originale wertvoller Bilder, wenn gerade ein Kunstkatalog produziert wird.

Schon allein wegen der besonderen Anforderungen an die Bildschirmarbeitsplätze konnte es kein normales Gebäude werden. Die alten Geschäftsräume, ebenfalls im zwölften Wiener Gemeindebezirk, waren auf drei Häuser verteilt und zu klein geworden. Obwohl eigentlich zu vermuten wäre, dass jeder Architekt einen Auftraggeber mit ungewöhnlichen Wünschen und einem ausgeprägten Sinn für Qualität sofort in die Arme schließt und nicht mehr loslässt, war die Suche schwierig. Zum Teil sehr bekannte Büros wurden um Ideen für ein Haus gebeten, in dem es vor allem nicht zu hell sein sollte. Aber allen Kampagnen der „Architekturvermittlung“ zum Trotz, die den Architekten zum harmlosen Freund und Helfer stilisieren wollen, der für jeden, vom Häuslbauer bis zum Firmenboss, ein offenes Ohr und tolle Ideen hat, zeigte sich zunächst niemand bereit, dem Projekt die Aufmerksamkeit zu widmen, die die Bauherren sich erwartet hatten.

Durch einen Tipp kam schließlich die Gruppe archiguards ins Spiel. Und obwohl es eigentlich schrecklich peinlich ist, wenn junge Leute sich so nennen, weil sie die „lifeguards“ der Architektur sein möchten und ja alle anderen jungen Architekten auch diese Gruppennamen haben, oft sogar noch viel schlimmere - für Repro12 waren die archiguards wirklich die Retter in der Not.

Dem fünfgeschossigen Gebäude ist das Alter der Architekten nicht ohne weiteres anzumerken. Zur Fockygasse trägt das Haus eine Steinfassade, sonst eher bei älteren und abgeklärteren Semestern beliebt, wie ein Ritter sein Schild. Die üblichen Komplikationen, wonach ein modern denkender Architekt immer deutlich zu machen hat, dass der Stein nicht die wahre Konstruktion ist, sondern nur eine Bekleidung, konnte dadurch gelöst werden, dass die geschlitzte und von einem großen Fenster durchbohrte Steinscheibe ringsum freigestellt ist und so der Eindruck entsteht, sie schwebe in der Luft. Diese Wand trägt nichts, nur die Botschaft, dass sie nichts trägt. Noch eine weitere Mitteilung hat sie für den Betrachter: Dies kann kein gewöhnliches Haus sein, sagen die Fenster. Richtig, hinter der Fassade verläuft das offene Stiegenhaus, erst dann kommen die in klimatisierten Glaskästen zusammengefassten Arbeitsplätze.

Das Spiel mit dem vorgehängten Sonnenschutzschild der Steinfassade hat auch den Vorteil, dass das Erdgeschoss vom Gehsteig zurückgesetzt werden konnte. Das Gewusel aus Tiefgarageneinfahrt, Fluchtstiegen, Anlieferung, Windfang und schlussendlich dem gläserenden Foyer rückt dadurch in den Hintergrund. Sonst haben Neubauten, in denen keine Läden angesiedelt sind, ja meist das Problem, dass der Passant an tristen Gebäudesockeln entlangstreift und bald frustriert zur Spraydose greift.

Auf der Rückseite wurde das Erdgeschoss in den Hof verlängert, um Räume für zwei Druckmaschinen zu schaffen. „Eine Art Boutique-Druckerei“, so Herta Spannbauer, es werden nur Kleinauflagen produziert. Das Dach der Druckräume dient als Pausenfläche und Plattform für einen aus leicht schrägen Holzwänden geformten Konferenzraum, eine Art Firmenaula, in der alle 45 Mitarbeiter Platz haben und gelegentlich Tango getanzt wird.

Der Holzpavillon ist eine der wenigen Stellen des Hauses, wo die Architekten sich die Freiheit genommen haben, aus der strikten Rechtwinkligkeit auszubrechen. Der Dachaufbau zählt auch dazu. Was von außen an eine der vielen Penthouse-Aufstockungen erinnert, die in Wien seit kurzem auf den Dächern wuchern, dient hier als Chefetage und Jugendzimmer für die Internetagentur des Sohnes.

Bei Architektengruppen wie den archiguards besteht oft die Neigung, ihnen einen Nachwuchsbonus zu geben, vor allem, wenn es wie im Falle von Repro12 das erste größere Gebäude ist. Extrapunkte zu vergeben ist hier nicht nötig. Der Bau ist sicherlich kein Meilenstein der Architekturgeschichte, aber ein rundum gelungenes, präzise detailliertes Spezialhaus für eine Spezialfirma. Für den rauen zwölften Bezirk ist es ohnehin ein Gewinn, dass ein Unternehmen in einer ganz normalen Wohnstraße bleibt und nicht das Kreativenghetto einer aufgelassenen Fabrik bevorzugt.

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