Bauwerk

Umweltbundesamt
Sauerbruch Hutton - Dessau (D) - 2005
Umweltbundesamt, Foto: Jochen Helle / ARTUR IMAGES
Umweltbundesamt, Foto: Jochen Helle / ARTUR IMAGES

Grüne Schlange

Das Umweltbundesamt von Sauerbruch Hutton in Dessau

Das deutsche Umweltbundesamt ist von Berlin nach Dessau umgezogen: Der dortige Neubau des für seine farbstarken und technisch schlüssigen Entwürfe bekannten Berliner Architekturbüros Sauerbruch Hutton konnte vor wenigen Tagen offiziell eröffnet werden. Er setzt ein klares Zeichen auf dem Gebiet der Verwaltungsarchitektur.

Ein programmatisches Modellprojekt, aber auch und vor allem ein attraktiver Bau: Beim neuen Umweltbundesamt (UBA), das - optisch etwas beeinträchtigt durch die örtliche Verkehrsführung - fast direkt am Dessauer Hauptbahnhof steht, verbindet sich umweltorientiertes Bauen mit ästhetischem Schwung. Die systematische Berücksichtigung eines möglichst breiten Spektrums ökologischer Kriterien war schon im Wettbewerb für dieses Grossprojekt gefordert. Dieser wurde 1998 von Sauerbruch Hutton aus Berlin gewonnen. Wie die Architekten betonen, reizte es sie, aus technisch-ökologischen Lösungen künstlerisches Kapital zu schlagen. So bestimmt etwa die besondere Dicke der vierstöckigen, mit Zellulose gedämmten Aussenfassade aus Lärchenholz und Glas die dreidimensionale Spannung ihres musikalischen Farbmusters. Dieses entfaltet sich - jeweils mit dem Umfeld des Gebäudes korrespondierend und über mehr als dreissig Tonstufen an- und abschwellend - in horizontalen Reihen unterschiedlich breiter Rechteckfelder zwischen Krapprot und Indischgelb, Orange, Himmelblau, Hellgrün und Citron.

Naturbilder

Wie eine vitale Schlange legt sich der Hauptkörper des Baus mit Büros für 800 Mitarbeiter um ein zum Eingang hin zackenreich verglastes Foyer - das sogenannte Forum - sowie um das anschliessende begrünte, gekurvt in die Länge gezogene Atrium. Hier reflektieren Wasserbecken und farbige Glasbruchflächen am Boden das Himmelslicht, das durch das gläserne Sheddach einfällt; vor allem aber erschliessen in dieser Innenzone drei Brückenanlagen mit eingehängten Treppen die einzelnen Stockwerke, während die Fassaden mit leichter Abwandlung auf das Gebäudeäussere antworten. In den Randbereichen von Forum und Atrium verteilt sich eine kleine Familie aus sechs niedrigen und etwas stumpf wirkenden Sichtbetonkörpern oder «Felsen», in denen Hörsaal, Rezeption und andere Sonderfunktionen untergebracht sind.

Als Teil der wohl grössten Umweltbibliothek Europas verbindet ein wellenförmig aufgipfelnder Zwischentrakt die grosse Büro-Schlange mit einem Freihandmagazin, das in die erhaltene Ziegelschale eines kaiserzeitlichen Fabrikgebäudes eingesetzt ist; separat steht dem Ensemble ein leichthändig gestalteter neuer Restaurant-Pavillon gegenüber. Der insgesamt 40 000 Quadratmeter grosse UBA-Komplex liegt auf einer dekontaminierten Industriebrache, deren Geschichte zugleich auf ein Idealbild der Natur verweist: Von hier aus fuhr früher die Eisenbahn ins Wörlitzer Gartenreich, einen der heitersten Landschaftsparks des 18. Jahrhunderts in Deutschland. Das kleine Empfangsgebäude des früheren Bahnhofs wird nun vom UBA mit genutzt.

Die Langlebigkeit der Baumaterialien, ihre Transportwege, ihr Schadstoffgehalt, aber auch die Frage ihrer allfälligen umweltgerechten Entsorgung - all das wurde bei der Planung des UBA bedacht. Am deutlichsten wird das Ökoprofil des Baus aber beim Blick auf den Energiebedarf. Ein Fünftel der insgesamt benötigten Energie stammt aus erneuerbaren Quellen; signalisiert wird das durch die Photovoltaikanlage auf dem Glasdach des Forums. Der Bedarf an Heizwärme liegt bei 38,5 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr und unterschreitet damit die geltende Energiesparverordnung um mehr als dreissig Prozent. Als technisch avanciertestes Element des Projekts übernimmt ein fünf Kilometer langes Erdkanalnetz je nach Jahreszeit die Vorwärmung oder Vorkühlung der Zuluft für das zentrale, weitgehend natürliche Lüftungssystem. Zudem wird Heizenergie mit Hilfe des Atriums eingespart, das als Wärmepuffer und Sonnenfalle wirkt; für Kühlung sorgen hier bei warmem Wetter unter anderem Lüftungsklappen im Glasdach.

Ökologisches Profil

Das ökologische Konzept für den Bau sei ursprünglich weiter gegangen als im Endergebnis, sagt Matthias Sauerbruch. Aber das schmälert nicht das Verdienst der Architekten - haben sie doch zusammen mit einer ebenfalls flexiblen Bauherrschaft gezeigt, wie nachhaltiges Bauen bei einem öffentlich finanzierten Projekt dieser Grössenordnung auf mehrheitsfähige Weise realisierbar ist. Da interessieren die Kosten: 1650 Euro pro Quadratmeter einschliesslich Sanierung der Altbauten, 68,3 Millionen Euro insgesamt. Für eine durch Farben und kontrastierende Materialtexturen so ansprechende und räumlich so stimulierende Arbeitsumgebung ist das nicht zu viel, zumal sich in fünfzig Jahren die im Vergleich zu konventionellen Bauten höheren Anfangsinvestitionen durch eingesparte Betriebskosten amortisiert haben können. Wer künftig das Bauhaus von Walter Gropius in Dessau besucht, sollte das UBA nicht links liegen lassen.

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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