Bauwerk

Gemeinsam in Simmering
Schluder - Kastner - Wien (A) - 2004

Die Mischung macht's

Ein überdurchschnittliches Angebot an „sozialem Raum“ soll in einer Wohnanlage in Wien-Simmering das Miteinander von Bewohnern unterschiedlicher Herkunft fördern.

31. August 2002 - Franziska Leeb
Themensiedlungen sind in. Im härter werdenden Wettbewerb auf dem Wohnimmobiliensektor punkten vor allem jene Bauträger, die über das Wohnungsangebot hinausgehende Anreize schaffen. Freizeiteinrichtungen, Sportmöglichkeiten oder Betreuungseinrichtungen versprechen höheren Wohnwert und stechen bei der Vermarktung aus der Fülle des Angebots heraus.

Unter dem Motto „integratives Wohnen“ entsteht ab Herbst eine Wohnanlage in der Simmeringer Hauptstraße (Fertigstellung: Herbst 2004). Dies sei kein „fadenscheiniger Titel oder gar ein Marketinggag“, darauf legt Michael Gehbauer von der Wohnbauvereinigung der Privatangestellten (GPA-WBV) großen Wert, sondern es sei „eine gesellschaftspolitische Aufgabe“, MigrantInnen tauglichen Wohnraum unter Vermeidung von Gettobildungen zur Verfügung zu stellen.

In der 112 Mietwohnungen umfassenden Anlage sollen zugezogene und ansässige Personen in einem angestrebten Mix von 50:50 erschwinglichen und vor allem ihren Bedürfnissen entsprechenden Wohnraum finden. Der Bauplatz ist an das öffentliche Verkehrsnetz gut angeschlossen (U3 und Straßenbahn 71 oder 6), Kindergarten, Volksschule und Nahversorgung sind in der Nachbarschaft vorhanden. Architekt Michael Schluder konzipierte für das lange, schmale Grundstück ein Ensemble aus einem aufgeständerten Riegel und fünf vorgelagerten Punkthäusern.


Eventagentur

Von Anfang an war die Eventagentur Hallamasch, bekannt als Veranstalter des gleichnamigen multikulturellen Festivals, in die Planung miteinbezogen. Die Gruppe entwickelte ein Konzept, das davon ausgeht, dass Menschen vielfältiger Abstammung möglichst konfliktfrei zusammenleben und sich zwanglos begegnen können. Der Vielfalt der Bewohner kommt eine umfangreiche Bandbreite an Extras entgegen. Unter der Überbauung entsteht ein überdachter Platz, der unabhängig von der Witterung zum Spielen und Kommunizieren einlädt.

Eine terrassierte Grünfläche steht als gemeinschaftlich zu nutzender Erholungsraum zur Verfügung, ein abgesenkter Platz mit Sitzstufen kann für Veranstaltungen genutzt werden. Ungestörtes Musizieren ermöglicht ein schalldichter Raum im Keller. Jede Wohnung verfügt über einen Balkon oder Garten. Auf den Dächern sind Terrassen, private Schrebergärten und ein Grillplatz vorgesehen. Grundsätzlich sind - eventuell lärmentwickelnde - Gemeinschaftsflächen und private Wohnräume strikt getrennt. Der interkulturelle und nachbarschaftliche Austausch soll nicht erzwungen werden, sondern auf freiwilliger Basis stattfinden.

Hallamasch-Geschäftsführer Andreas Hladky betont, dass es sinnlos sei, wenn die Betreiber von Anfang an alle Nutzungen festlegen und zum Beispiel annehmen, es müsse ein Gebetsraum her. Was wirklich zusätzlich gebraucht wird, kann erst gemeinsam mit allen Bewohnern festgestellt werden. Deshalb sind multifunktionale Boxen für vielfältige Nutzungen auf der Gemeinschaftsfläche vorgesehen und deshalb wird Hallamasch das Projekt auch über die Konzepterstellung hinaus begleiten.

Erschlossen wird die Anlage über geräumige, gut belichtete Laubengänge, die zum Verweilen einladen. Mit eher kleineren Wohnungen, deren Grundrisse aber ein Maximum an abtrennbaren Räumen vorsehen, kommt man der Einkommenssituation der angepeilten Zielgruppe entgegen. In den 52 und 65 Quadratmeter umfassenden Wohnungen im langen Riegel bringt man deshalb zwei bis drei Zimmer unter, in den Punkthäusern sind Familienwohnungen mit vier bis fünf Zimmern bei einer Fläche von rund 90 bzw. 120 Quadratmetern geplant. Die Fensterachsen sind so gelegt, dass Grundrissaufteilung und Zimmeranzahl flexibel zu gestalten sind.


Baukosten

Die Baukosten werden laut GPA-WBV bei knapp unter neun Mio. EURO liegen. An Kosten für die Mieter werden ein einmaliger Finanzierungsbeitrag von 400 EURO/m² und eine monatliche Miete von 5,8 EURO/m² Wohnnutzfläche anfallen. Um auch einkommensschwachen Personen den Zugang zu ermöglichen, plant der Bauträger, für einige Wohnungen auch um die so genannte Superförderung anzusuchen, womit die Aufbringung des Finanzierungsbeitrages aus Eigenmitteln wegfiele.

Der ungarische Ausdruck Hallamasch bedeutet übrigens „wilde Mischung“, aber auch „von allem das Beste“. Den Bewohnern und vor allem den hier lebenden Kindern könnte das sensibel ausgearbeitete architektonische und inhaltliche Konzept bei entsprechender Realisierung einen einzigartigen Erfahrungshorizont bieten.

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: Der Standard

Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroomoffice[at]nextroom.at