Bauwerk

Wintower Winterthur
Bruno Lehmann - Winterthur (CH) - 2006

Häuser für hohe Ansprüche

Die Stadt Zürich baute das Werd-Hochhaus, in dem früher die Bankgesellschaft ihre Wertschriften verwaltete, zum Verwaltungszentrum für das Finanz- und Sozialdepartement um. Wie lässt sich ein Hochhaus aus den Siebzigerjahren den aktuellen Bedürfnissen anpassen? Diese Frage stellte sich auch den Planern in St.Gallen und Winterthur.

7. August 2005 - Werner Huber
Der ‹Mond von Aussersihl›, die Leuchtreklame am 18.Stock des Bürohauses Werd der Schweizerischen Bankgesellschaft, strahlte hell über dem Zürcher Stadtkreis 4. Der Bau von 1975 stammt von den Architekten Sauter und Dirler und beherbergte die Wertschriftenabteilung der Grossbank. In Kombination mit dem Turm der benachbarten Peter-und-Paul-Kirche diente das hellblau verspiegelte Haus ab und zu als Symbol für den Wirtschaftsstandort Zürich, ansonsten fristete der Bürokomplex ein Schattendasein. Zutritt hatten einzig die Bankgesellen und ausserhalb der manchmal im Kulturpavillon veranstalteten Ausstellungen wäre es kaum jemandem in den Sinn gekommen, die edle, marmorbelegte Plattform zu betreten. Anders als die Grossbank in Zürich hatte die Firma Sulzer an ihrem Hochhaus in Winterthur eine Leuchtschrift gar nicht nötig.

Als der Büroturm in den Sechzigerjahren als höchstes Haus der Schweiz in den Himmel wuchs, war es in der Stadt jedermann klar, das solch ein Bau nur ‹de Sulzere› gehören konnte: Mehr als 14000 Winterthurer standen damals auf der Gehaltsliste des Industriekonzerns – ein Viertel aller Arbeitsplätze in der Stadt Winterthur. Das war Sulzer und die Zeiten waren so zukunftsgläubig, dass nebenan gar ein Zwilling entstehen sollte. Ein Symbol des Aufbruchs der Sechzigerjahre wuchs – leicht verspätet – auch neben dem St.Galler Hauptbahnhof in den Himmel. Der goldbronzene Turm des Rathauses – einst als Hotel geplant – setzte 1976 den Schlusspunkt unter die baulichen Veränderungen am Bahnhofplatz, die Mitte der Fünfzigerjahre mit dem Brand des Hotels ‹Walhalla› angefangen hatten.

Die Stadt im Bankenturm

So unterschiedlich die Bürohäuser in ihrer Grösse und Lage sind, eines haben sie gemeinsam: Alle drei wurden zu Sanierungsfällen. Schon in den Achtzigerjahren bereitete die Rathausfassade den St.Gallern Sorge, als die metallbedampften Scheiben oxidierten und sich in den Büros trübes Nebelwetter einstellte. Sanierungsvarianten wurden geprüft und verworfen, bis ein Brand in der Tiefgarage das Hochhaus mit Rauch füllte und die Planungen beflügelte. In Zürich und in Winterthur waren es Besitzerwechsel, die die Sanierung der Hochhäuser auslösten. Die zur UBS fusionierte Bankgesellschaft verkaufte das Werd-Hochhaus an die Stadt Zürich, die den Komplex zum Verwaltungszentrum für das Finanz- und das Sozialdepartement umbaute. Die Stadt konnte die Standorte der Verwaltung reduzieren und prestigeträchtige Liegenschaften verkaufen oder im Baurecht Gewinn bringend an Private abgeben. Der Sulzer-Konzern – oder was davon übrig geblieben war – verkaufte sein einstiges Symbol an ein anderes Winterthurer ‹Symbol›, an Bruno Stefanini. Der öffentlichkeitscheue Immobilienkönig gründete zu diesem Zweck die Wintower AG, die wiederum Stefanins Stiftung für Kunst, Kultur und Geschichte gehört, zu der unter anderem eine der bedeutendsten Sammlungen von Schweizer Kunst gehört.

Alte Hülle, neuer Kern in Zürich

Bei der Sanierung eines Bürohauses aus den frühen Siebzigerjahren denkt jeder zuerst an die Fassade: eine Energieschleuder, technisch jenseits jedwelcher Norm und auf jeden Fall zu ersetzen. Davon gingen auch die Planer der Umbaustudie für das Werd-Hochhaus aus. Doch eine neue Fassade hätte einen grossen Teil der zur Verfügung stehenden Mittel verschlungen. Zudem waren BurkhalterSumi Architekten mit dem Äusseren des zweiteiligen Hochhauses durchaus zufrieden und hatten nicht das Bedürfnis, diesem Turm nachträglich ihre Handschrift aufzuzwingen. So beschränkte man sich darauf, die Fenstergläser zu ersetzen und die Brüstungen zusätzlich zu dämmen.
Jenes Geld, das nicht für die Fassade ausgegeben werden mus-te, stand für den Umbau des Innern zur Verfügung. Hier hat man das Haus auf den Rohbau zurückgeführt. Hatte die Bank ihre Büros beidseitig eines Mittelganges angeordnet, sind nun gemäss der städtischen Verwaltungsreform die Arbeitsplätze zu Gruppen zusammengefasst. Dadurch liess sich der Flächenbedarf pro Platz von 15,2 auf 12,5 Quadratmeter reduzieren. Besprechungszonen oder Einzelbüros wurden zusammengefasst und als raumgliedernde Elemente eingefügt. Der raumprägende Entscheid ist der Verzicht auf eine abgehängte Decke. Die Räume wurden um 50 Zentimeter höher und es entstand Atelierstimmung. Die Architekten liessen die Betondecke dunkelgrau streichen und die Haustechniker montierten daran die Installationen für Heizung und Kühlung. Ihre Aufgabe war verzwickt. Zwar konnten die neuen Gläser und die zusätzliche Dämmung den Wärmedurchgang der Fassade verbessern, Werte einer neuen Konstruktion sind damit aber nicht zu erreichen und an kalten Wintertagen kann sich der Kaltluftabfall bemerkbar machen. Die grösste Knacknuss war das Abführen der Wärme: Eine Klimaanlage, wie einst, sollte nicht wieder installiert werden, ein äusserer Sonnenschutz, der die Hitze aus den Räumen fern gehalten hätte, liess sich nicht montieren. Nun sorgen thermoaktive Bauteilsysteme, so genannte TABS, für die richtige Temperatur.

Jedes der im Rhythmus des Fassadenrasters an die Decke geschraubten TABS-Module erfüllt drei Aufgaben: es kühlt, es heizt – und es schluckt den Schall. Die am Verwaltungszentrum Werd eingesetzten Module sind eine Neuentwicklung, die die Betondecke als thermoaktives Element nur zur Kühlung nutzt, die Wärme aber direkt abstrahlt. Dadurch kann die Trägheit eines solchen Systems bei plötzlicher Sonneneinstrahlung besser beherrscht werden. Blieben bei den Bankern die Fenster wegen der Klimatisierung geschlossen, so können die städtischen Angestellten jetzt die Fenster einen Spalt breit öffnen, um Luft in den Raum zu lassen und das Gefühl des Eingeschlossen-Seins zu vertreiben.

Bürgerstolz in St.Gallen

Am St.Galler Rathaus stand der Erhalt der Fassade nie zur Diskussion, sie hatte die Sanierung ja ausgelöst. Mit der Fassade stand auch die Erscheinung des Hauses zur Disposition. Insbesondere in den hochhauskritischen Achtziger- und Neunzigerjahren hätten wohl viele St.Galler gerne einen radikal veränderten Turm am Bahnhof gesehen. Doch Boltshauser Architekten wählten im Wettbewerb von 2001 eine andere Strategie. Sie versuchten, die Qualitäten des Baus besser zur Geltung zu bringen – und hatten damit Erfolg. Sie schlugen vor, dem Turm drei Geschosse aufzusetzen und ihn mit einer vertikal strukturierten Fassade zusätzlich in die Höhe zu ziehen. Anbauten beruhigen den gestaffelten Sockelbau und binden ihn besser in seine Umgebung ein. Wenn auch die drei geplanten Zusatzgeschosse zu einem überhohen Attikageschoss zusammenschrumpften, so wird das St.Galler Rathaus nach der Sanierung doch eindeutiger als vertikales Element am Bahnhofplatz stehen und zusammen mit dem Bahnhof und der Hauptpost ein Ensemble öffentlicher Grossbauten bilden.
Das Innere des Rathauses wird wie das Werd-Hochhaus bis auf den Rohbau ausgeräumt. Im Sockelbau werden wie bis anhin die Abteilungen mit Publikumsverkehr logieren, in den Hochhausgeschossen die Büros. Hier gestatten grossräumige Strukturen statt Einzelbüros eine höhere Ausnutzung der Geschosse – wobei grossräumig relativ ist: Allein die Staffelung des Turms in zwei Teile sorgt für überblickbare Einheiten. Die Fassade ist als zweischichtige Kastenfassade ausgebildet. Die dazwischenliegende Luftschicht wirkt als Klimapuffer und nimmt die Lamellenstoren des Sonnenschutzes auf. Die inneren Fenster werden sich öffnen lassen, die äussere, nicht luftdicht geschlossene Glasschicht ist fix. Im überhohen Attikageschoss sind Konferenz- und Sitzungszimmer untergebracht.

Hin und her in Winterthur

Die jüngste Geschichte des Sulzer-Hochhauses liest sich wie ein Krimi. Per 1.Januar 1999 verkaufte Sulzer das Haus für in der Presse geschätzte 15 bis 20 Millionen Franken an die zunächst noch unbekannte WintowerAG. Bald war klar, dass hinter der Käuferin Bruno Stefanini steht, der die baldige Sanierung versprach. Ende 2002 zog der letzte Mieter aus, und im Jahr drauf kündigte Stefanini an, am Fuss des Hochhauses ein Museum für die Sammlungen seiner Stiftung zu bauen. Da sich kein Mieter für den Büroturm finden liess, rottete er vor sich hin, und im Februar 2004 wurde das leerstehende Haus von Linksautonomen besetzt.

Obschon das in ‹Wintower› umbenannte Sulzer-Hochhaus noch immer nicht vermietet ist, hat die Unirenova mit der Sanierung begonnen. Wie am Werd-Hochhaus bleibt die Fassade erhalten, lediglich die Fenster werden ersetzt. Im Bereich der Brüstungen und der tragenden Fassadenpfeiler wird von innen eine zusätzliche Dämmung aufgebracht. Ob die Sanierung nur die gesetzlichen Normen erfüllen wird oder darüber hinausgeht, ist nicht entschieden. Da die Nutzer der Räume noch nicht feststehen, beschrän-ken sich die inneren Arbeiten auf einen Grundausbau: Lifte, Liftvorplätze, WC-Anlagen, Eingangshalle. Ein zusätzlicher Lift wird die beiden obersten Geschosse erschliessen, die bislang nur über eine Treppe zu erklimmen waren. Zudem entsteht ein zurückgesetztes Attikageschoss mit Sitzungszimmern. Die Büros werden mit Radiatoren ausgestattet. Ob die Räume belüftet oder klimatisiert werden, werden die künftigen Mieter entscheiden.

Die Mieter, das könnten durchaus die städtischen Ämter sein, denn auch in Winterthur ist die Verwaltung über zu viele Standorte verteilt – und die Stadt liebäugelt mit einem Umzug in den Büroturm. Wie das Werd-Hochhaus und das St.Galler Rathaus wäre dann auch der Wintower nicht mehr bloss ein bauliches Wahrzeichen, sondern auch ein weit herum sichtbares Symbol für die städtische Gemeinschaft. In Zürich hat der Mond von Aussersihl dem Stadtwappen Platz gemacht. Vielleicht lässt auch Winterthur seine roten Löwen am Hochhaus spazieren.

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Für den Beitrag verantwortlich: hochparterre

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