Bauwerk

Landeskrankenhaus Graz-West
Architektur Consult, Rupert Gruber - Graz (A) - 2002
Landeskrankenhaus Graz-West, Foto: Paul Ott
Landeskrankenhaus Graz-West, Foto: Paul Ott

Aber bitte mit Hotelqualität!

Ein hohes Maß an räumlicher Flexibilität, ungemein aufwendige Logistik, ein straffes Betriebskonzept und komfortable Patientenzimmer: das LKH Graz-West, geplant vom Büro Domenig | Eisenköck | Peyker und von Rupert Gruber, erfüllt beispielhaft alle Anforderungen an ein modernes Krankenhaus.

2. November 2002 - Liesbeth Waechter-Böhm
Krankenhäuser zählen zu den komplexesten Bauaufgaben, die es gibt. Sie benötigen eine unglaublich aufwendige Logistik, wobei man nie weiß, wohin und wie schnell sich die medizinische Technik entwickelt. Sie benötigen ein hohes Maß an räumlicher Flexibilität, weil man natürlich auch nicht mit Gewißheit sagen kann, wie sich in Zukunft der stationäre zum ambulanten Bereich oder auch der Diagnose- zum Therapiebereich entwickelt. Sie benötigen ein straffes, effizientes und ökonomisches Betriebskonzept. Und schließlich sollen sie auch noch so etwas wie Hotelqualität bieten.

Das neue Landeskrankenhaus Graz-West - geplant vom Büro Günther Domenig [*] Hermann Eisenköck [*] Herfried Peyker zusammen mit Rupert Gruber - löst einen gut Teil der Forderungen, die man heute an ein Krankenhaus richtet, geradezu beispielhaft ein. Man muß zweierlei dazusagen: erstens, daß es Teil einer Landesinitiative ist, bei der es zwar auch um eine Reduzierung der Bettenanzahl geht, aber vor allem um eine Optimierung von Leistungen; und zweitens, daß der Bauherr, die KAGES (Steiermärkische Krankenanstalten GesmbH), in architektonischen Belangen ausgesprochen qualifiziert ist.

Das neue LKH Graz-West bildet gewissermaßen einen Verbund mit zwei anderen Krankenhäusern: dem Unfallkrankenhaus der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt und dem Krankenhaus der Barmherzigen Brüder. Was man sich davon erhofft, sind Synergien zwischen den verschiedenen Institutionen, wie gesagt, größere Ökonomie, mehr Effizienz.

Diesen Voraussetzungen verdankt sich im wesentlichen das architektonische Konzept. Denn die Gebäudekonfiguration ist zwar kreuzförmig angelegt, wird aber durch einen langen Hauptriegel dominiert, der die Erschließungsachse des Unfallkrankenhauses von Karl Schwanzer aufnimmt. Die Querachse bindet dann die beiden Flügeltrakte an.

Es gibt zwei Zugänge: einen durch den Schwanzer-Bau und einen über den neuen Vorplatz, wo sich die weiß gedeckte Abfahrt in die Besucher-Tiefgarage befindet - übrigens entlang einer Wand aus Metallgeflecht, die die dahinterliegenden Behandlungsräume im Erdgeschoß des Quertrakts abschirmt.

Egal welchen Zugang man wählt: Der Raumeindruck der Empfangs- und Erschließungshalle ist überwältigend. Durch die Glasfassade ist sie lichtdurchflutet, durch die innere Organisation großzügig. Gegenüber vom Haupteingang der Empfangsbereich, dahinter die Verwaltung; rechts vom Empfang eine Bankfiliale und ein Café mit großer Terrasse; links eine kleine Kapelle.

Drei Elemente akzentuieren den Raum: der gläserne Lift, die „Kommandobrücke“ - ein Galeriegeschoß - mit den Bereitschaftszimmern der Ärzte und die sanft ansteigende Rampe, die die Verbindung zum Schwanzer-Bau herstellt. Das Grundstück hat nämlich eine leichte Hanglage, sodaß zwischen Bestand und Neubau ein Gefälle in Geschoßhöhe besteht.

Was zur räumlichen Spannung dieser Halle außerdem beiträgt: Die Architekten haben die Glasfassade etwas verschwenkt. Der Raum wird plastischer dadurch, aber vor allem löst dieses leichte Verknicken der Achse das Problem des sehr geringen Abstands zu einem Gebäudeteil des Bestands. Das Vorfeld des Neubaus wird dadurch luftiger, weiter.

Man muß sich die funktionelle Organisation des Gebäudes so vorstellen: Es gibt die große, zentrale Erschließungshalle, links davon geht es zu den Ambulanzen. Und in den oberen Geschoßen sind im wesentlichen die verschiedenen Krankenstationen. Die Kreuzform der Gebäudekonfiguration wird an der Rückseite durch einen zweigeschoßigen Flügel hergestellt, der ausschließlich Ein- und Zweibettzimmer für Klassepatienten enthält, an der Vorderseite, auch als raumbildende Fassung des Vorplatzes, durch zwei niedrigere kubische Bauten, denen leuchtend gelbe, nahezu organisch geformte Körper aufgesetzt sind - sie enthalten die umfangreiche Technik, die heute im medizinischen Bereich gebraucht wird.

In diesen Bauteilen sind die Operationssäle und die Intensivstationen mit allem untergebracht, was an speziellen Einrichtungen dafür notwendig ist. Sie sind durch gläserne Brückenverbindungen mit dem Hauptriegel verbunden, sodaß die Wege innerhalb des Hauses trotz seiner Größe verhältnismäßig kurz bleiben. Und sie sind um eingeschnittene Höfe organisiert.

Ein Wort noch zum Trakt für die Klassepatienten: Hier ist die sogenannte „Hotelqualität“ am eindeutigsten umgesetzt. Die Räume sind keinesfalls zu knapp dimensioniert, wer will, kann vom Bett aus ins Freie schauen. Jedem Zimmer ist ein Balkon zugeordnet, jedem eine komfortable Sitznische; und die Badezimmer sind groß und ausgesprochen elegant. Trotzdem ist es aber nicht so, daß das Ausstattungsgefälle zwischen den Räumen für die zahlenden und die Kassenpatienten gravierend wäre: Alle haben einen Fernseher, alle haben einen Kühlschrank, in dieser Hinsicht wird tatsächlich jedem etwas geboten.

Ein architektonisches Problem, das im Krankenhausbau unvermeidbar ist, betrifft die notwendige Tiefe der Trakte, die Länge der Gänge und dadurch die Fragen der Orientierung und der Belichtung. Im LKH Graz-West führen praktisch alle Gänge zum Tageslicht, zu raumhohen Verglasungen an der Fassade, die einen Außenbezug ermöglichen. Das ist hier auch besonders lohnend. Denn der Standort hat spektakuläre Freiraumqualität: an zwei Seiten von Feldern umgeben, eingebettet in eine intime Grünraumgestaltung (vom Wiener Büro „Land in Sicht“).

Eine entscheidende Orientierungshilfe stellt aber auch die differenzierte Innenraumgestaltung durch die Architekten dar, die atmosphärische Unterschiede, räumliche Stimmungswechsel spürbar werden läßt. Die Eleganz der Eingangshalle etwa rührt nicht nur von der bemerkenswerten Glasfassade her, sondern auch von den verwendeten Materialien: Sandstein auf dem Boden, oberflächenbehandeltes Eternit an den Wänden, Sichtbeton und - kein Mobiliar von der Stange, sondern ein von den Architekten gezeichnetes Empfangspult. Auch die Kapelle ist fein komponiert, obwohl hier der Sparstift zugeschlagen und die durchgehende Glasdecke verhindert hat: im Eingangsbereich brünierter Edelstahl, der den Charakter rohen Eisens hat, an den Wänden gestockte Betonfertigteile, auf dem Boden Schiefer.

Gelungen sind auch die bräunlich-orange emaillierten Glaskuben - sie enthalten verschiedene technische und Versorgungseinrichtungen -, die im breiten Erschließungsgang mit den ambulanten Behandlungsräumen eingestellt sind. Atmosphärisch ist das ein durchaus angenehmer Wartebereich.

Wenige Kuriosa wären zu vermerken, und die sind nicht den Architekten anzulasten: daß zum Beispiel ein großer Speisesaal gebaut wurde, der jetzt leer steht, weil schließlich entschieden wurde, daß im Unfallkrankenhaus gegessen wird (wo man daraufhin den Saal extra vergrößerte); oder daß die Tagräume, die Aufenthaltsräume, die jeder Krankenstation zugeordnet sind, immer paarweise - für Raucher und Nichtraucher - auftreten und dadurch ziemlich klein sind. Das hätte sich anders und großzügiger lösen lassen.

Aber das sind Nebensächlichkeiten. Was letztlich zählt, ist, daß es den Architekten trotz des engen funktionellen Korsetts gelungen ist, einen Mehrwert zu schaffen, der sich nicht allein den Kriterien von Effizienz und Ökonomie schuldet. Und auf diesen Mehrwert hoffen wir doch alle, wenn wir daran denken, wir könnten selbst Patienten sein.

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