Bauwerk

Hallenstadion Zürich - Erweiterung, Umbau und Renovation
Pfister Schiess Tropeano & Partner Architekten AG, Meier + Steinauer - Zürich (CH) - 2005

Ein Kopf für Oerlikons Schildkröte

Das Zürcher Hallenstadion ist saniert und erhält dank einem neuen Vorbau mehr Raum

Nach vierzehnmonatiger Bauzeit steht das Hallenstadion kurz vor der Wiedereröffnung. Wie präsentiert sich das Projekt aus architektonischer Sicht? Pfister Schiess Tropeano Architekten haben dem Gebäude aus den 1930er Jahren mit einem riegelartigen Vorbau eine neue Schauseite verliehen und setzen so ein städtebauliches Zeichen. Im Innern dieser Ikone des Schweizer Sportbaus wird erstmals die spektakuläre originale Dachkonstruktion sichtbar.

20. Juli 2005 - Martino Stierli
Oerlikon erhält dieser Tage sein altes Wahrzeichen zurück: Nachdem das Hallenstadion vor Jahresfrist für Umbau- und Renovationsarbeiten geschlossen worden ist, steht die traditionsreiche Sporthalle an der Wallisellenstrasse kurz vor der Wiedereröffnung. An der Struktur der „Schildkröte“, wie der Mehrzweckbau aufgrund seiner polygonalen Grundform gerne genannt wird, fällt die wesentliche Neuerung deutlich ins Auge: Das Hallenstadion hat mit einem riegelförmigen Anbau zur Strasse hin eine neue Fassade erhalten, die das Gesicht des Baus grundlegend verändert. Durch diesen Annex rückt das Stadion bedeutend näher an die Strasse heran und trägt damit zu einer städtebaulichen Definition seines Standortes bei. Als weiteres ablesbares neues Element sind an den Breitflanken des Stadions je zwei Lüftungstürme aus Zinkblech hinzugekommen. Um sie herum sind Fluchttreppen gelegt.

Gestalterischer Mittelweg

Der neue Kopfbau ist ein viergeschossiger Riegel. Er lagert sich an die bereits zuvor vorhandenen, externen Treppenhäuser an und integriert diese. Die verantwortlichen Architekten des Büros Pfister Schiess Tropeano greifen mit ihrer prominenten Erweiterung die ursprüngliche Idee Karl Egenders aus den dreissiger Jahren auf. Wegen Geldmangels musste damals auf die Ausführung verzichtet werden. Dies führte zur seither gültigen architektonischen Lösung mit dem Vorplatz, der zu beiden Seiten von je einem Treppenhaus umklammert wurde - so gesehen erhält das Hallenstadion erst jetzt sein wahres Gesicht.

Beim Umgang mit dem bestehenden Bau - charakteristisch sind auch dessen Betonskelett und der gelbliche Backstein - hatten die Architekten eine grundlegende Entscheidung zu fällen. Sie hätten den Neubau mit der kruden Ästhetik Egenders kontrastieren oder aber ihn an diese angleichen können. Sie entschieden sich für einen Mittelweg. Zum einen ist der Neubau mit seiner Sichtbetonfassade unzweifelhaft als solcher erkennbar. Zum andern aber greift er mit seiner Materialisierung und mit der Fertigbauweise die powere Ästhetik des „alten“ Hallenstadions auf. Die Reverenz erwiesen wird dem seit 2001 unter Denkmalschutz stehenden Hallenstadion zudem durch die relativ niedrige Gebäudehöhe.

Die Hauptfassade des neuen, sogenannten „Conference Center“ an der Wallisellenstrasse ist geprägt durch einen leichten Fassadenknick, der zum benachbarten Messegebäude vermittelt. Im Erdgeschoss befindet sich hier neben den Billettkassen und einem Imbissbetrieb ein Treppenaufgang zum öffentlichen Restaurant im ersten Obergeschoss. Wo man in den Obergeschossen zwischen dem Betonraster der Fassade grosse Fensteröffnungen erwarten würde, überraschen teils blinde, teils gelochte Paneele aus Zinkblech. Des Rätsels Lösung liegt in der internen Raumorganisation, befinden sich doch an der zur Wallisellenstrasse gelegenen Fassade nur die Erschliessungszonen sowie eine Reihe weiterer „dienender Räume“, etwa Toilettenanlagen und Küchen. Das öffentliche Restaurant im ersten sowie die Konfe-renzräume und das VIP-Restaurant im zweiten Obergeschoss sind dagegen nach innen orientiert. Sie blicken auf das zentrale überdachte Foyer, das an die Stelle des früheren, offenen Vorplatzes getreten ist. Im obersten Stock finden sich Verwaltungsräume der Hallenstadion AG.

Trotz leichten Variationen hat der neue Riegel einen industriellen Touch; so werden etwa die Gitterroste an den Decken, aber auch Neonröhren offen präsentiert. Der vom Neubau vermittelte Eindruck ist nicht nur in Bezug auf Egenders eigene Materialästhetik angemessen. Er ist auch durch die gewählte Fertigbauweise zu erklären, die das hohe Tempo der Umbauarbeiten überhaupt erst ermöglichte. Aus der Not wurde so gewissermassen eine gestalterische Tugend.

Zwei Eingänge auf den Schmalseiten

Betreten wird das Stadion nicht an der Hauptfassade des Neubaus, sondern an den beiden Schmalseiten Richtung Tramstation und Messegebäude. Im Innern folgt eine spannungsreich inszenierte Raumfolge: Nach dem niedrig gehaltenen Eingangsbereich, der sich über die gesamte Länge des Neubaus zieht, folgt kontrastierend das neue Foyer. Es ist als hohe Halle zwischen Conference Center und Hallenstadion aufgespannt. Die ehemalige Aussenhülle wird somit zu einer Innenwand und präsentiert sich reizvoll fast im Sinne eines musealen Exponats. Ursprünglich schlugen die Architekten ein Glasdach über dem Foyer vor. Aus Kostengründen mussten sie aber einen Kompromiss eingehen. Die gefundene Lösung mit Oberlichtern aus Kunststoff überzeugt nicht vollends. Sie stört aber den Gesamteindruck des Raumes kaum, in dem sich von verschiedenen Ebenen immer wieder reizvolle Ausblicke ergeben. Über breite Treppen und niedrige Korridore werden von hier aus die Halle und die Garderobe im Untergeschoss sowie die Ränge in den Obergeschossen erschlossen.

Für die besonderen Gäste wird das Foyer im zweiten Obergeschoss zusätzlich von einer kleinen Brücke überspannt, die vom VIP-Restaurant im Neubau direkt zu den neuen Logen im Stadion führt. Die Logen geben nicht nur einen privilegierten Blick auf das Geschehen auf der Fläche frei, sondern auch auf die sich grossartig präsentierende Halle. Insbesondere beeindruckt die originale Konstruktion des Flachdaches, die nach ihrer Freilegung erstmals in vollem Um-fang zu sehen ist. Die VIP-Logen sind im Bereich der Südkurve als gekrümmter Bau in die Halle hineingestellt und bilden hier neben der freien Sicht aufs Dach die markanteste architektonische Neuerung. Das breite Publikum in den Rängen darf sich an der neuen Bestuhlung mit gepolsterten Sesseln in dunklem Blau erfreuen.

Die Tribünen in den unteren Bereichen lassen sich ein- und ausfahren, so dass die Fläche des Stadions je nach Anlass vergrössert oder verkleinert werden kann. Weniger sichtbar, für den Betrieb des Hallenstadions als Mehrzweckhalle aber nicht minder wichtig sind die neuen Lüftungs- und Akustiksysteme sowie das verbesserte sicherheitstechnische Dispositiv.

Aus Sicht der Veranstalter wird der Betrieb auch dadurch erleichtert, dass das Stadion neu direkt für Lastwagen befahrbar ist. Für das Wohl der Besucher befinden sich in den Seitengängen diverse Verpflegungsstätten, die einheitlich zurückhaltend gestaltet wurden. Architektonisch ist der Spagat zwischen dem Respekt vor dem Alten und der Anpassung an die veränderten Anforderungen gelungen.

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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