Bauwerk

Auditorium Grafenegg
Architekten Schulte-Ladbeck, A-SL, Dieter Irresberger - Grafenegg (A) - 2008

Stille muss möglich sein

Moderne Atmosphäre von hoher Eleganz und eine Akustik, die sich hören lassen kann: der neue Konzertsaal „Auditorium“ von Schloss Grafenegg.

2. Mai 2008 - Walter Zschokke
Das Projekt der Dortmunder Architekten Ralf Schulte-Ladbeck und Matthias Schröder überzeugte im Architekturwettbewerb für ein neues Konzertsaal-Gebäude in Grafenegg nicht nur wegen der präzisen Positionierung, des geschickten Einbezugs der zu sanierenden Stallungen und der funktionierenden inneren Abläufe, sondern ebenso, weil das Gebäude eine klare Sichtbeziehung über den Park hinweg zur neuen Freilichtbühne und zum Schloss suchte. Obwohl das Gesamtvolumen unübersehbar bleibt, gelang es, den Eingang zwischen den beiden klassizistischen Bauwerken Reithalle und Schlosstaverne zwar nicht zu verstecken, aber solcherart zurückzunehmen, dass das Nebeneinander „ortsbaulich“ und architektonisch funktioniert. Das ansteigende Dach über dem Eingangsfoyer wird weiter hinten überragt von einer breit verglasten Loggia, von der aus der Ausblick auf den Park, den Wolkenturm und das Schloss ein durchaus herrschaftlicher ist.

Nach dem Erfolg mit dem Wolkenturm waren die Ansprüche der Bauherrschaft, der Familie Metternich-Sándor, Eigentümerin der Schlossanlage, sowie des Landes Niederösterreich, das einen nicht geringen Teil der Kosten übernahm, geweckt. Ein Bruch der Architektenpartnerschaft und wirtschaftsrechtliche Gründe zwangen jedoch die Auftraggeber bei fortgeschrittenem Rohbau, den Architekten zu wechseln. Mit Dieter Irresberger, langjähriger Partner von Wilhelm Holzbauer, fand man eine in akustisch-gestalterischen Fragen erfahrene Persönlichkeit. So ist denn das Saalinnere gestalterisch das Werk Irresbergers, akustisch das von Karlheinz Müller und seiner Firma Müller BBM, Planegg, die bereits den Wolkenturm betreute.

Der Neubau stößt in einem Winkel von zirka 20 Grad auf den Rechteckbau der Stallungen, dessen Kopf die Reithalle bildet. Der hintere Teil umfasst einen nahezu quadratischen Hof, in dem ein attraktiver Achteckbausteht. Die an die Reithalle anschließenden Prachtställe und das Oktogon wurden denkmalpflegerisch erneuert und dienen nun als respektables Pausenfoyer. In den rückwärtigen Teilen, die in ziemlich ruinösem Zustandwaren, sind nach den notwendigen Sanierungs- und Umbaumaßnahmen die Vorbereitungsräume der Musiker untergebracht. Für Dirigenten und Solisten ist an der Rückseite des Saalgebäudes Raum geschaffen mit Ausblick auf die weiten Felder im Norden.

Im keilförmigen Zwischenbereich von ehemaligen Stallungen und Konzertsaal findet auch räumlich eine intensive Durchdringungstatt. Das Eingangsfoyer greift mit einem Arm in diesen Gebäudeteil hinein und führt zu den Garderoben. Die Begegnung über die Jahrhunderte auf knappem Raum ist recht gut gelungen und wird in einem kleinen, trapezförmigen Gartenhof elegant sublimiert, dessen Abschluss der zweigeschoßige, verglaste Verbindungsgang bildet, über den die Musiker zur Bühne gelangen.

Das Prunkstück ist natürlich der Saal, das eigentliche Auditorium, der als längsquadrisches Volumen in der unregelmäßig polyedrischen äußeren Hülle steckt. Die Rechteckform des Grundrisses hat sich akustisch bewährt; berühmt ist der Goldene Saal des Wiener Musikvereins.

Obwohl die Großform einem langen Quader entspricht, sind die Innenflächen nirgends parallel, damit keine störenden Flatterechos entstehen können. Den Wänden sind in einer Art positiver Kassettierung flache Volumen vorgeblendet, deren Sichtflächen geringfügig windschief ausgeführt sind. Der blassgelbliche Stucco lustro enthält einen hintergründigen Goldton, sodass der Saal einen zeitgemäßen und zugleich klassisch-edlen Charakter gewinnt. Der Farbton ist perfekt mit dem Eichenholz des Parkettbodens, der Geländerholme und weiterer Holzteile abgestimmt, deren hellste Komponente im Ton exakt getroffen wurde. Zusammen mit dem klassischen Dunkelrot der Polster und dem Aluminium der Bestuhlung ergibt sich eine moderne Atmosphäre von hoher Eleganz. Diesem – immer noch begrenzten – Aufwand zollt der bescheidenere Ausbau der Stiegen und Gänge Rechnung, der jedoch nachrüstbar geplant wurde. Auch hier befand sich Architekt Irresberger da und dort in der Rolle der 13. Fee, indem er, gestalterisch verfeinernd, Härten milderte und zugleich, Kosten sparend, eingriff. Architektonisch ist somit, trotz des notwendig gewordenen Wechsels, ein ansprechendes Bauwerk entstanden, das im Kern, dank Dieter Irresberger, den Wiener Kontext nicht zu scheuen braucht.

Die Akustik erhielt unter der in Grafenegg bereits bewährten Leitung von Karlheinz Müller ein Konzept und eine Optimierung die einiges versprechen. Da ein musikalischer Rechteckraum lang, nicht zu breit, aber hoch sein sollte, wurde der Dachraum in das raumakustisch wirksame Volumen einbezogen. Die dunkel weggeblendete Decke wurde in gerichtete und diffus reflektierende Segmente aufgeteilt. Weiters wurden alle Decken-, Wand- und freien Fußbodenflächen zur Nachhallgenerierung und Schalllenkung akustisch optimiert. So konnten die gewünschten Nachhallzeiten von 1,6 bis 2,0 Sekunden erreicht werden. Weil der Saal auch für Festveranstaltungen und selbst Kongresse genutzt werden soll, ist der Boden eben und nur im hintersten Teil gestuft ansteigend. Auch wenn manche Sichtlinien dadurch nicht ganz optimal sein mögen, ist dies akustisch unproblematisch.

Die Bestuhlung besteht konstruktiv aus Aluminiumblech, um die Brandlast gering zu halten. Bei Sitzpolstern, Rückenlehne und Armlehnen ging jedoch Bequemlichkeit vor. Eine Begrenzung der gepolsterten Flächen lässt die Sitze akustisch gleichsam neutral wirken, ob sie nun durch Zuhörende besetzt sind oder nicht. Dies gilt nicht nur bei teilweiser Besetzung, sondern vor allem für die Proben.

Über dem Podium, das sich mit mobilen Elementen je nach gewünschter Orchestertopografie verändern lässt, schweben zwei in Höhe und Neigung verstellbare, segelartig leicht wirkende Schallreflektoren. Für Kammermusik werden sie niedrig gestellt, während sie für Orchesterbesetzung höher gefahren werden. Unabdingbar sind sie allerdings für das gegenseitige Hören der Musizierenden, sodass sich das Zusammenspiel besser entwickeln und kontrollieren lässt.

Für die Verwendung des Saales für Kongresse, für die zwecks Sprachverständlichkeit eine kürzere Nachhallzeit erforderlich ist, sind hinter dem Podium und oberhalb des zweiten Seitenranges Absorberflächen vorgesehen, indem hinter Lamellenfeldern mit variablen textilen Elementen die Nachhallzeit reduziert werden kann. Selbst eine Nutzung mit elektronischer Stützung wird so möglich. Karlheinz Müller weist abschließend auf einen wesentlichen Aspekt guter Raumakustik hin: die Stille. Außengeräusche sind durch eine ausreichend dimensionierte Schalldämmung nahezu ausgeschlossen. Die Belüftung ist so angelegt, dass sie bei Konzertveranstaltungen mit Publikum nicht wahrnehmbar ist. Dass alle diese Maßnahmen nicht gratis zu haben sind, wird einleuchten. Dennoch war es von Anfang an ein Ziel der Bauherrschaft, den Kostenrahmen nicht zu sehr auszuweiten. Obwohl optisch in manchen Bereichen spartanischen Prinzipien verpflichtet, wurden an der Raumakustik keine Abstriche gemacht, wie zu hören sein wird.

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