Bauwerk

Verwaltungs- und Betriebscenter Tyrolean Airways
ATP architekten ingenieure - Innsbruck (A) - 1996
Verwaltungs- und Betriebscenter Tyrolean Airways, Foto: ATP architekten ingenieure
Verwaltungs- und Betriebscenter Tyrolean Airways, Foto: ATP architekten ingenieure
Verwaltungs- und Betriebscenter Tyrolean Airways, Foto: ATP architekten ingenieure

Geht's ohne Portal?

Gänge, hinter den Fassade liegende Büros, eine unterschiedlich genutzte Mittelzone: einfach ein Bürohaus. Doch das von ATP gebaute Verwaltungs- und Betriebscenter der Tyrolean Airways zeigt zudem, dass auch trendige Materialien kreativen Spielraum bieten.

12. September 1998 - Liesbeth Waechter-Böhm
In Österreich geht alles, was mit Flughäfen zusammenhängt, gern schief. - Daraus spricht zwar eine gewisse Wiener Überheblichkeit, die das städtebauliche und architektonische Debakel des Schwechater Flughafenareals nicht nur der Bundeshauptstadt, sondern am liebsten ganz Österreich anlasten möchte. Andererseits kennen wir innerhalb der Landesgrenzen tatsächlich nur einen einzigen, dafür umso bemerkenswerteren gebauten Tatbestand, der aus dieser Pauschalbeobachtung eklatant ausschert: das Grazer Flughafengebäude von Florian Riegler und Roger Riewe.

Nun geht es hier nicht um ein Flughafengebäude, sondern um das Verwaltungs- und Betriebsgebäude einer Fluglinie - der Tyrolean Airways - , allerdings befindet sich dieses Gebäude unmittelbar „am“, sprich neben dem Flughafenareal. Das heißt, es geht um ein Gebäude, dem zwar nicht auf der Nutzungsebene - letztlich ist es ein Bürohaus - , ganz bestimmt aber auf einer übergeordneten Bedeutungsebene mehr Gewicht zukommt als einem beliebigen Verwaltungsbau: Wer in Österreich nach Tirol fliegt, der landet auf dem Innsbrucker Flughafen, und wer in Innsbruck gelandet ist, der war zuvor mit Tyrolean Airways unterwegs.

Es geht also „nur“ um ein Haus an der städtischen Peripherie, das aber dennoch Imageträger für ein ganzes Bundesland ist. Die Situation gleicht - von der spektakulären Landschaftskulisse abgesehen - anderen Stadtrandlagen. Das Bild wird von einer überaus heterogenen Bebauung dominiert: im Westen der Flughafen, im Osten die Stadt, im allernächsten Umfeld Geschoßwohnungsbau, niedriger Siedlungsbau, Gewerbebauten, teilweise grün durchmischt, alles dicht an dicht. Wie verhält man sich in einer solchen Situation? Und wie geht man mit der Aufgabe um, eine Behausung für eine Fluglinie zu schaffen, die ein Land erschließt, von dem die ganze Welt ein Bild von Traditionalismus, Rustikalität und Bodenständigkeit konserviert?

Das Tyrolean Verwaltungs- und Betriebscenter ist ein großstädtisches, ein zeitgemäßes Gebäude, obwohl es subtil auf sein Umfeld reagiert und weder „aus dem Maßstab fällt“ noch durch Material- oder Formenwillkür provoziert. Es ist gleichzeitig selbstbewußt und selbstverständlich, in seiner Reduktion elegant, in seiner physischen Präsenz ein Statement, das man gern zur Kenntnis nimmt, ohne sich bedrängt zu fühlen.

Das einzige Problem, das man damit haben könnte: Es stammt von ATP, also von Achammer-Tritthart & Partner, und das ist bekanntlich ein - weit über Österreich hinaus operierendes - Großbüro (wobei sich insbesondere Borisav Ilic und Hannes Unterluggauer für dieses Projekt engagierten, zwei junge ATP-Mitarbeiter, die sich mittlerweile als „Teamwerk“ selbständig gemacht haben). Der Architektenjargon bedenkt solche Büros mit dem Adjektiv „kommerziell“. Letzteres hat hierzulande einen negativen Beigeschmack, weil ein Großteil der allerschlimmsten Bausünden der Nachkriegszeit auf das Konto solcher Unternehmen geht.

Städtebaulich war ohnehin viel festgelegt. Denn die Formulierung „Tor zur Stadt“ trifft hier in all ihrer Banalität einfach den Punkt. Es ging darum, mit diesem einen Bauwerk und an diesem spezifischen Ort sowohl das Ende des Flughafenareals zu definieren als auch eine Geste in Richtung Stadt zu formulieren.

Das langgestreckte, dreigeschoßige Haus wendet dem Flughafen eine ziemlich harte, dennoch gegliederte Fassade zu. Dahinter liegen Büros, und die Architekten sahen keinen Anlaß, die Achsenwirklichkeit dieses Innenlebens zu verschleiern. Durch die Lichtbänder oben und die Lichtschlitze seitlich der Betonelemente, die hier den Rhythmus der Fassade angeben, sind sie jedenfalls wunderbar belichtet. Die Betondecken schieben sich aus dem Baukörper als scheinbar „überzogene“ Geste überdeutlich heraus, was die horizontale Gliederung des langgestreckten Gebäuderiegels betont. Obendrein ist dieser scheinbare Ästhetizismus auch ganz pragmatisch begründet: Er bietet ein Minimum an Beschattung und löst die Vorgaben der Feuerpolizei in bezug auf den Brandüberschlag ein.

Die der Stadt zugekehrte Gebäudeseite ist komplexer: Da schiebt sich ein eigener Gebäudeteil aus dem Haus heraus, im übrigen signalisiert ein Glashaus Transparenz, Offenheit, also ganz das heute gängige Vokabular. Wir verlassen den trendigen Jargon bei diesem Bau nicht, er erfährt aber hier eine eigenständige, spannende Interpretation. Die Glashaut zum Beispiel erstreckt sich fast über die gesamte Länge des Riegels. Diese Maßnahme nimmt zwar nur unmerkbar, aber umso delikater räumliche Gestalt an. Denn eine spezifische Formulierung des Eingangs, ein Portal oder ein Vordach, haben sich die Architekten so erspart. Man versteht allein durch die Architektur, wo es hineingeht.

Der Weg hinter der - auch als Klimahaut funktionierenden - Glasfassade führt an fremdvermieteten Büros vorbei, hin zum Haupteingang der Tyrolean. Dort betritt man einen Raum, in dem ein gebäudehoher, dunkel verglaster Würfel alle Aufmerksamkeit auf sich zieht. Darin spiegelt sich nicht nur die Nordkette, sondern er beherbergt auch Seminar- und Schulungsräume und auf der obersten Ebene ein Café. Davon abgesehen, teilt sich schon hier ganz unvermittelt mit, worauf es den Architekten ankam: auf eine rigorose Vereinheitlichung, die mit wenigen Materialien und Farben auskommt.

Sichtbeton beherrscht sehr weitgehend das Bild, bei den betonierten Erschließungs- und Naßelementen ist er allerdings gelb lasiert; auf dem Boden liegen anthrazitfarbene Teppiche und Holz, durchwegs vom Birnbaum, was etwa die Liftkabine zu einer besonders reizvollen Box macht.

Der Lift ist hinter minimalistisch formulierten, anthrazitfarbenen Metall-Schiebeelementen verborgen und nur durch die Knöpfe „Hinauf“ und „Hinunter“ als Lift ausgezeichnet. Das Gestaltungsunwesen in puncto Lift im Hinterkopf, ist zu attestieren, daß das die bei weitem eleganteste Lösung ist.

Auf großen Detailreichtum haben die Architekten offenbar keinen Wert gelegt. Sie haben sich auf die Wirkung der Wiederholung gleicher Elemente verlassen. Diese Wiederholung setzt sich sogar bis in die konstruktive Ebene fort. Zum Beispiel wurde nur eine Schalung für die betonierte Treppe gemacht, die dann 18mal verwendet wurde, in allen drei Stiegenhäusern, über alle Geschoße.

Noch ein Wort zu diesen Stiegenhäusern: Sie haben ein Geländer, das aus einer einzigen, durchgehenden Stahlplatte besteht, die den Stufen 1:1, sozusagen „nach der Natur“, angepaßt wurde; diese Platten wiegen jeweils ungefähr eine Tonne und wurden durch ein nur zehn Zentimeter breites Stiegenhausauge hindurchgefädelt und montiert. Auch andere „Kleinigkeiten“ fallen auf: etwa die großen, raumhohen Sicherheitsglasscheiben im Format 3,30 mal 2,80 Meter, die in den Stiegenhäusern verwendet wurden und eigens aus Spanien angeliefert werden mußten.

Der Bauteil, der in den Riegel beziehungsweise „Bügel“ - wie die Architekten die mit einer Metallgitterhaut bekleidete äußerste Schicht des Gebäudes nennen - hineingeschoben ist, beherbergt die EDV-Zentrale, die Flugleitzentrale (mit Sichtverbindung zum Flugfeld) und die Vorstandsetage. Er ist mit seiner Lamellenhaut in einer so gängigen, „zeitgeistigen“ Ästhetik formuliert, daß einem fast schon Bedenken kommen. Diese Lamellen sind fix, aber vor den Fenstern in verstellbare, verschiebbare Elemente aufgelöst, sodaß es zu einem reizvollen Spiel an der Fassade kommt. Von weitem löst sich die Lamellenhaut überhaupt auf, sie wird unsichtbar. Und das gab für die Architekten den Ausschlag.

Das „baukünstlerische“ Fazit aus diesem Haus: Auch trendige Materialien und Lösungen bieten einen kreativen Spielraum. Die Bilanz auf einer anderen, viel wichtigeren Ebene: Die Tyrolean Airways haben mit ihrem neuen Bau einiges von dem Schaden wettgemacht, den der Fremdenverkehr in Tirol angerichtet hat.

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