Bauwerk

Kraftwerk Cogenerationsanlage SFT
Konrad Frey - Graz (A) - 1996
Kraftwerk Cogenerationsanlage SFT, Foto: Angelo Kaunat

Man baut, was man braucht

Denkbar klein war der Spielraum, den technische und räumliche Vorgaben ließen: Um einen 60-Tonnen-Generator war auf einem winzigen Grazer Bauplatz ein Kraftwerk zu errichten. Konrad Frey zog sich mit Anstand aus der Affäre.

20. September 1997 - Liesbeth Waechter-Böhm
Industrieareale haben in aller Regel etwas zufällig Gewachsenes: Man baut, was man braucht und wo man es braucht, das firmeneigene Gelände wird maximal ausgenutzt. Aber der architektonische Anspruch ist dabei marginal. Auch das Areal der Steyr-Daimler-Puch Fahrzeugtechnik (SFT) in Graz vermittelt diesen Eindruck; man muß es nicht gesehen haben.

Nun hat aber auf diesem Gelände das Grazer Architekturbüro Konrad Frey ein kleines Kraftwerk realisiert. Und das ist bemerkenswert, weil es technisch viel kann. Es ist bemerkenswert, weil es - trotz seiner Kleinheit - ein gutes Beispiel dafür ist, wie heute komplexe, multinationale Planungs- und Bauprozesse vor sich gehen. Und dann zeigt es, mit allem Anstand, die Grenzen der Möglichkeiten der architektonischen Profession.

Das Kraftwerk ist eine sogenannte Cogenerationsanlage. Sie stellt das Brauchwasser her, das die SFT in ihren Produktionsstätten nötig hat. Bisher wurde dieses Brauchwasser in einem alten, mit Erdgas betriebenen Kesselhaus relativ aufwendig, vor allem nicht sehr effizient erhitzt. Jetzt geschieht das mit Hilfe des Kraftwerks. Und dazu kann dieses Kraftwerk noch zweierlei: Es erzeugt zusätzlichen Strom, der ins Netz der Grazer Stadtwerke eingespeichert wird, und es nutzt die Sekundärwärme und speist sie ins Netz der Steirischen Fernwärme.

Das ist eine sehr sinnvolle Vorgangsweise. Denn die Brauchwasser-Erzeugung kann dadurch wesentlich ökonomischer erfolgen, außerdem weist die Anlage einen sehr hohen, fast 90prozentigen Ausnutzungsgrad auf, und obendrein hat sie minimale Abgaswerte, fährt also äußerst umweltschonend. Und daß sich durch die Dreifachnutzung die Investition für den Betreiber relativ schnell amortisiert, ist wahrscheinlich auch nicht uninteressant.

Stellt sich die Frage: Was tut der Architekt dabei? Der erste Eindruck sagt dem Betrachter: nicht viel. Denn Konrad Freys Kraftwerk ist eine ziemlich simple Schachtel, die an das alte Kesselhaus darangestellt wurde. Sie hat eine Blechfassade und - einzige „Besonderheit“ - eine außenliegende, mit Kunststoff ganz unprätentiös überdachte Stiege, die aber in erster Linie als Besucherstiege fungiert. Die Leute, die hier arbeiten, gehen unten hinein. An der Nordfassade, wo die Frischluft angesaugt wird, treten die Installationen als plastische Elemente sichtbar in Erscheinung. Und sichtbar sind auch alle Leitungen geführt: Man sieht den Mast, wo der Strom über das Netzt weggeht, man sieht im Süden auch die Ausleitung für die Fernwärme, die dann etwas weiter weg unter der Autobahn verschwindet.

Nun ist nichts dagegen zu sagen, daß sich der Architekt, der eine solche Anlage - unter rigorosen Kostenauflagen - plant, einer reduzierten und sehr industriellen Sprache bedient. Im Gegenteil, alles andere wäre hier ganz bestimmt unangemessen.

Es ist auch nichts dagegen zu sagen, daß das Kraftwerk eine simple Schachtel mit den Abmessungen zehn mal 30 Meter ist: Beim Bauen ist die Schachtel immer noch die weitaus preisgünstigste Baukörperform.

Und genau solche Überlegungen hatte der Architekt bei seiner Planung anzustellen. Konrad Frey, ein Funktionsanalytiker aus Überzeugung, vergleicht den Planungsprozeß für diese Anlage gern mit dem Planungsprozeß für die Motorhaube eines Autos. Auch dort überschneiden sich ja sehr verschiedene Überlegungen. Wie sie aussieht, verdankt sich zwar auch formalen Kriterien, darüber hinaus muß sie aber zum Beispiel aerodynamischen Anforderungen genügen, es müssen die technischen Einrichtungen darunter optimiert werden, Erreichbarkeit, Austauschbarkeit und Funktionalität der technischen Teile spielen eine Rolle, und die Ökonomie ist sowieso immer eine eigene Größe.

Ganz ähnlich die „architektonischen Randbedingungen“ für diesen Kraftwerksbau. Da gab es zwar sehr genau definierte technische Kernbereiche und einen exakt festgelegten, nur minimalen Bauplatz, aber was es über weite Strecken des Planungsprozesses nicht gab, das war die Gewißheit, daß es überhaupt möglich sein würde, bei solchen räumlichen Vorgaben diese Anlage zu realisieren. Denn die „Kernbereiche“ waren für den Architekten unantastbar, die hatte er zu akzeptieren. Möglichkeiten der Optimierung und modifizierenden Organisation boten sich lediglich in den „komplettierenden Bereichen“ an.

Im wesentlichen besteht die Anlage aus einer mit Gas betriebenen Turbine, die im Längsteil des Baukörpers liegt, und dem Filterhaus im Norden, wo die Frischluft angesaugt und durch die Turbine geführt wird. Durch die Rotationsbewegung der Turbine wird schließlich ein Generator angetrieben. Dabei entstehen große Wärmemengen - es geht um Temperaturen zwischen 600 und 700 Grad - , die in drei verschiedenen Kesselbereichen und über sehr lange Metallrohrschlaufen entsprechend genutzt werden. Die Aufgabe des Architekten bestand vor allem darin, die verschiedenen Anforderungen zu koordinieren und ihre konkrete Realisierbarkeit an Ort und Stelle im Auge zu behalten. Denn die Anlagenbauer selbst waren auf aller Herren Länder verteilt: Aus Deutschland kamen die Kessel, aus den USA stammt die Turbine, Frankreich steuerte den Generator bei. Letzterer wiegt übrigens beachtliche 60 Tonnen und wurde als fertiges Element, in einem Block, auf dem schwierigen Werksgelände angeliefert und von Italienern montiert. Es war notwendig, auf den Zehntelmillimeter genaue Stahlbetonfundamente für die Anlagenteile zu errichten. In stundenlangen Sitzungen mit den Technokraten schob man eine einzelne Mauer immer wieder fünf Zentimeter vor und zurück.

Die Stellung des Architekten in einem solchen Planungsprozeß ist zweifellos schwierig. Denn allein von der Auftragssumme her ist er das kleinste Rädchen im Getriebe. Das Sagen haben die Anlagenbauer. Andererseits kam ihm im konkreten Fall aber doch eine wichtige Rolle zu, weil die Durchführbarkeit des Gesamtprojekts an seinem (räumlichen) Organisationsgeschick hing.

Das war für Konrad Frey eine Herausforderung. Als Strukturdenker, dem es um Abläufe sehr viel mehr geht als um das formale Detail, hat er sich auf das Spiel mit solchen Zwängen und Anforderungen gern eingelassen. Daß die Containerstadt für das Kraftwerk in der Bauphase mindestens so groß war wie das Kraftwerk selbst, daß die Faxe mit den Besprechungsnotizen und Detailanforderungen von seiten der Anlagenbauer nur noch in Kilogrammen zu messen waren, hat das Büro verkraftet.

Der „andere“ Blick des Architekten, der Blick aus der Distanz des Nicht-Technikers, dem die Strukturierung und Organisation der Anlagenteile ein Schwerpunkt seines Engagements ist, hatte hingegen Maßnahmen zur Folge, die den Technikern nicht eingefallen wären, die sich nun aber wohltuend bemerkbar machen. Wobei der wichtigste Beitrag des Architekten wahrscheinlich in der Einführung einer Installationszone besteht, die über die ganze Höhe zwischen der bestehenden Mauer des alten Kesselhauses und dem Neubau reicht und die ohnehin „überinstallierten“ Innenräume ganz wesentlich entlastet; abgesehen davon, daß die Übersichtlichkeit und Zugänglichkeit dieser Installationen eine Qualität darstellt, die allen Beteiligten an diesem Projekt etwas brachte.

Im Innenraum zeigen sich dann aber auch die Grenzen der Eingriffsmöglichkeiten des Architekten. Er kann in den „komplettierenden Bereichen“ zwar ordnend intervenieren und einen gewissen Druck auf die Techniker ausüben, er kann gegensteuern und sie zwingen, ihre eigene gedankliche Trägheit zugunsten der Gesamtorganisation zumindest in Teilbereichen zu überwinden - wenn man wirklich nachfragt, stellt sich nämlich schnell heraus, daß manche Anforderungen der Technik nur scheinbar logisch begründet sind - , trotzdem ist das Scheitern in gestalterischen Details irgendwo vorprogrammiert.

Dabei spürt man beim Betreten des Hauses sofort, daß hier ein Architekt die Hand im Spiel hatte. Es ist einfach alles soviel strukturierter und organisierter, soviel übersichtlicher, als es normalerweise der Fall ist, daß man instinktiv weiß: Darauf hat hier jemand viel Wert gelegt. Aber der rote Anstrich im Stiegenhaus, der graue Anstrich bei den Untersichten der Treppenläufe, das sind dann doch zu billige Lösungen, als daß man sie einem qualifizierten Architekten anlasten möchte. Und tatsächlich ist es auch so, daß natürlich Sichtbeton vorgesehen war, den die Baufirma aber so verdorben hat, daß ihn der Generalunternehmer nicht akzeptierte.

Und leider hat er die unkonventionellen Vorschläge des Architekten zur Lösung des Problems auch nicht akzeptiert: Frey wollte die „Nester“ im Sichtbeton mit einer Art färbigem Giraffenmuster überziehen. So kam es zum roten Anstrich. Daß dann auch die Treppenuntersichten nicht in nacktem Beton sein durften, sagt einiges über das gespaltene Verhältnis von Industrieanlagenbauern und Generalunternehmern zu ihrer eigenen Profession aus. Die industriellen Geister, die sie gerufen haben, die werden sie nun nicht los. Und man hat das Gefühl, sie selbst fürchten sich davor am meisten.

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