Bauwerk

Zu- und Umbau Fernmeldebetriebsamt
Nehrer + Medek und Partner - Linz (A) - 1995
Zu- und Umbau Fernmeldebetriebsamt, Foto: Pia Odorizzi

Vom Anpassen und Einfügen

Unspektakulär steht er da, der Zubau zur Post- und Telegraphendirektion in Linz von Nehrer + Medek - eine solide städtebauliche Lösung. Architekturgeschichte wird er nicht machen.

22. Juni 1996 - Liesbeth Waechter-Böhm
Die österreichische Post-und Telegraphenverwaltung zählt nicht zu jenen Unternehmen, die ihre Rolle als Bauherren auch als öffentlichen und kulturellen Auftrag verstehen. Anders ausgedrückt: Wenn die Post baut, dann bringt das die Architektur dieses Landes in keiner Weise weiter. Da ist schon viel eher das Gegenteil der Fall. Man muß aber auch fragen: Wo hält sich denn hierzulande überhaupt jene Bauherrschaft versteckt, die dem Architekten im Hinblick auf ein neues Konzept, auf eine zeitgenössische Sprache, möglicherweise sogar auf eine innovative Technologie etwas abverlangt? Es scheint sie in Österreich nicht zu geben - und das wiederum ist merkwürdig genug.

Nun hat also die Post- und Telegraphendirektion in Linz gebaut. Zugebaut, um genau zu sein. Und man kann sagen: Was sie gebaut hat, das wird sicher nicht die Runde durch die internationale Fachpresse machen. Dafür ist diese Architektur zu unspektakulär. Dafür bedient sie sich viel zu bescheidener, herkömmlicher Mittel. Und dafür hält sich der nun - nämlich nach dem Zubau - ziemlich gewaltige Gebäudekomplex eben doch viel zu sehr zurück, er paßt sich an, er fügt sich geradezu besorgt ein. Aber das ist - nach einem kurzen Liebäugeln mit den postmodernen Ausdrucksmöglichkeiten, das schon länger zurückliegt -, das ist nun einmal genau die Art von haltbarem, gesichertem, zeitunabhängigem Vokabelschatz, den das Wiener Architektenbüro Nehrer + Medek seit Jahren pflegt.

Der Schauplatz des architektonischen Geschehens ist relativ zentrumsnah: Hier wurde in den sechziger Jahren eine höchst ambitionierte und anständige Amtsplanung der oberösterreichischen Postdirektion realisiert, die damals noch eine eigene Bauabteilung hatte. Baudirektor Alfred Kolodejs Entwurf umfaßte ein respektables und ziemlich hohes Haus für die technischen Einrichtungen, die eine solche Telegraphendirektion in geballter Ladung braucht, und ein darangestelltes niedrigeres Verwaltungsgebäude. Später hat die Post auch die angrenzenden Grundstücke erworben, auf denen nicht nur ein denkmalgeschütztes Stöcklgebäude aus dem 19. Jahrhundert, sondern auch die Bauten einer Brauerei standen. Übrigens schließen an dieses Areal - allerdings durch eine ziemlich hohe Mauer getrennt - die ehemalige Deutschordenskirche von Lukas von Hildebrandt, das katholische Priesterseminar und die Katholisch- Theologische Hochschule von Hans Puchhammer an.

Diese städtebauliche Situation gab den Architekten einiges aufzulösen, denn die unterschiedlichen Gebäudehöhen des Priesterseminars und des etwas höheren Hauses der Post, zwischen die es die neue Eckverbauung einzufügen galt, waren nicht so leicht in den Griff zu bekommen.

Freilich: Die jetzt realisierte Lösung überzeugt umso mehr: Mit dem Denkmalamt konnten sich die Architekten einigen, daß das Stöcklgebäude verzichtbar sei, es wurde daher abgerissen. Und das Problem mit den unterschiedlichen Gebäudehöhen wurde insofern bewältigt, als ein Teil des Gebäudes in gleicher Höhe an den Baubestand der Post anschließt und in dieser Höhe übers Eck auch weitergeführt wird, allerdings ein ganzes Stück hinter der Baulinie. Davor haben die Architekten dann einen zweiten Bauteil gesetzt, der um ein Geschoß niedriger ist und die Gebäudehöhe des Priesterseminars aufnimmt. Die Verbindung zwischen diesen beiden Baukörpern wird durch eine schräge Oberlichtverglasung hergestellt, die eine allerdings schmale Erschließungshalle wunderbar belichtet. Hier geht es über Galerien und kleine Brücken zu den Büros des Trakts „in der zweiten Reihe“.

Man betritt das neue Haus an der Ecke, an der sich der höhere Bauteil hinter dem niedrigeren vorbeischwindelt. Es geht in ein rundum verglastes Foyer, das räumlich großzügig formuliert wurde. Aber da heute niemand eine großzügige freie Fläche auszuhalten scheint, wurde sie sofort vollgeräumt: mit Zwischenwänden, auf denen derzeit Aquarelle des hauseigenen Personals zu sehen sind. Da wird man auch bei der Post in Zukunft noch einiges hinzuzulernen haben. Vom Foyer geht es weiter in eine relativ große Kantine, die sich von den üblichen Ausspeisungen insofern wohltuend unterscheidet, als die Küche offen und einsehbar ist. Das wirkt nicht nur angenehmlebendig, es nötigt dem Kantinenpersonal auch ein Höchstmaß an Sauberkeit ab, und das wiederum kommt schließlich den Kantinenbesuchern zugute.

Das Treppenhaus liegt am Ende des höheren Bauteils - und zwar dort, wo dieser die Richtung wechselt, wo er einen Haken schlägt. In der Spindel des Treppenhauses ist ein Lift, aber wer ihn benützt, der bringt sich quasi selbst um das räumlche Haupterlebnis der - bei aller Enge - doch attraktiven, von oben belichteten Erschließungshalle. Die hat auf der Ebene des ersten Obergeschoßes eine zunächst rätselhafte Eigenheit in Form lochblechverkleideter Öffnungen nach unten: Es handelt sich um sogenannte Frischluftbrunnen, die die Behörde für den Brandfall vorschreibt. Im übrigen wird der nüchtern weiße Raum langsam, aber sicher von Topfpflanzen sehr unterschiedlicher Größe besiedelt. Das kann man zwar als eine Inbesitznahme der Architektur durch die Benutzer lesen, es dürfte längerfristig aber auch zu einem etwas artfremden Schrebergarteneffekt führen, den es rechtzeitig einzudämmen gilt.

Nehrer + Medek haben ihrem Bau eine extrem schlichte, weiße Putzfassade angemessen, die praktisch mit den gleichen Ausdrucksmitteln arbeitet wie der Bestand, mit Fensterbändern. Was mich daran ein wenig stört: Die heutigen Geschoßhöhen stimmen mit denen des Nachbarbaus nicht überein, daher konnten die Fensterbänder des Neubaus nicht auf der gleichen Höhe wie beim Altbestand sein. Daraus wiederum ergibt sich die Frage, ob es unter diesen Umständen wirklich zwingend ist, das Fensterbandmotiv im Neubau überhaupt aufzunehmen. Andererseits: Es ist wahrhaftig kein Sakrileg, wenn sich die Architekten dazu entschlossen haben, es doch zu tun. Der Architektur von Nehrer + Medek muß man ja generell attestieren, daß sie ohne formalistischen Schnickschnack auskommt und sich lieber auf die pragmatischen Inhalte konzentriert. Das hat in Linz dazu geführt, daß eine wirklich gute städtebauliche Lösung gefunden wurde, obwohl die Randbedingungen alles andere als einfach und ideal waren.

Auch jetzt fällt es einem nicht leicht, etwa die Mauer zur Straße hin zu akzeptieren, die den schönen Gartenhof zwischen Neubau und altem Brauereigebäude abschirmt. Oder den Umstand zu akzeptieren, daß der Blick und der Zugang zur Hildebrandt-Kirche nicht auch von dieser Seite frei sein können.

Weit hinter der Mauer zur Straße, an der Grundstückgrenze zum Priesterseminar, plustert sich, wie erwähnt, eine zweite, noch viel höhere Mauer auf, an die auf der Seite des Kirchenareals noch dazu ein niedriges Nebengebäude anschließt, das diese Barriere sozusagen unverzichtbar macht. Nein, nein, Durchlässigkeit scheint nicht gefragt, dafür ist Abgrenzung angesagt. Immerhin haben es die Architekten geschafft, das voluminöse Raumprogramm so unterzubringen, daß sich wenigstens der Blick auf den oberen Teil der Kirche, über die Mauern hinweg, frei entfalten kann.

Die Arbeitsbedingungen im neuen Haus sind sichtlich angenehm. Und die Ganganschlüsse an die anderen Geschoßhöhen des Altbestands wurden ganz selbstverständlich bewältigt. Am Bestand selbst ist nicht viel geschehen: Der Beton wurde frisch gestrichen, eine Hofeinfahrt beziehungsweise die Zufahrt zur neuen Tiefgarage in den Neubau verlegt, weil die alte Einfahrt längst zu niedrig war. Daß alle Dächer Flachdächer sind, die verordnetermaßen begrünt werden mußten, ist noch einer Erwähnung wert. Ebenso der Umstand, daß im hohen Bauteil des Bestands die Errichtung einer behördlich geforderten Fluchttreppe notwendig wurde. Die wird jetzt realisiert und soll sich um eine vorhandene Betonscheibe winden. Es ist insgesamt ein gutes Haus, im Altbestand und erst recht im Neubau. Und es ist ein sehr anständiges Haus: Denn es signalisiert zwar nach außen, worum es drinnen geht, aber ganz ohne mutwillige Absichten und ganz ohne großes Aufsehen. Das ist eine Qualität, die man schätzen kann. Man könnte sie in diesem Fall aber sicher auch in Frage stellen, obwohl dies keinesfalls zu Lasten der bauenden Architekten gehen darf. Die österreichische Post ist schließlich kein Nobody in der Welt der heimischen Unternehmen, daher wäre von ihr viel, viel mehr einzufordern. Aber da beißt sich die Katze in den Schwanz, und wir müßten eigentlich von vorn beginnen.

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: Spectrum

Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroomoffice[at]nextroom.at

Akteure

Architektur

Bauherrschaft

Fotografie